1.1 Management im 21. Jahrhundert
Das ist die Geschichte von Herrn A.2 Wir könnten viele solcher Geschichten erzählen, jede ist anders. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Fragestellungen, zu denen wir beratend hinzugezogen werden, resultieren stets aus Situationen, die gekennzeichnet sind von Komplexität, Dynamik und Intransparenz. Herausfordernde Unternehmenssituationen sind meist von sehr vielen Einflussfaktoren bestimmt, die alle „irgendwie“ miteinander zusammenhängen: Umsatz - Kosten - Kunden - Konkurrenz - Mitarbeiter - Gesellschafter.
Sie kennen das vom Schachspiel. Da kann man sich als Spieler schon mal ziemlich lange so seine Gedanken machen: „Der schwarze Springer bedroht meinen weißen Turm. Ich könnte meinen Läufer heranholen, damit er meinen Turm deckt. Dann öffne ich aber eine Flanke und gefährde meine Königin. Was soll ich machen? Den Turm opfern?“ Das Schachspiel ist - obwohl es aus einer relativ überschaubaren Anzahl von Komponenten besteht - anerkanntermaßen eine hochkomplexe Angelegenheit. Trotzdem ist es ein Klacks im Vergleich zu dem, was wir im Unternehmenskontext kennengelernt haben.
Stellen Sie sich bitte vor, Ihre Schachfiguren würden nicht stillhalten und darauf warten, bis sie von Ihnen gezogen werden. Stellen Sie sich weiterhin vor, diese entfalteten plötzlich ein Eigenleben und würden bisweilen ohne Ihr Zutun auf dem Schachbrett hin- und herziehen. Wieviel schwieriger wäre es dann, ein Schachmatt zu verhindern? Genau dies aber geschieht in dynamischen Unternehmenssituationen, in denen sich die Einflussfaktoren auch ohne die Entscheidungen von Führungskräften verändern. Der Markt beispielsweise hält nie still! Kundenbedarfe verändern sich im Laufe der Zeit. Was heute „state of the art“ ist, kann morgen schon „out“ sein.
Und als ob eine mit Dynamik angereicherte Komplexität nicht schon Herausforderung genug wäre, gesellt sich schließlich auch noch die Intransparenz hinzu. Ziehen wir noch einmal die Schachmetapher heran: Bitte stellen Sie sich vor, dass über Teilen des Schachbretts dichter Nebel liegt. Sie können nicht erkennen, was sich dort unter dem undurchsichtigen Schleier verbirgt. Vielleicht gar nichts? Vielleicht aber liegt dort auch ein Bauer auf der Lauer, der wie aus dem Nichts zuschlagen könnte.
Unternehmenssituationen sind davon geprägt, dass man vor Überraschungen nicht sicher ist. Manche Einflussfaktoren sind klar erkennbar - nicht selten auch in ihrer Wechselwirkung zu anderen Einflussfaktoren. Meistens kann man aus Erfahrung sogar vorhersagen, wie sie sich über die Zeit hinweg verhalten: „Wenn ich die Marketingmaßnahmen intensiviere, dann wird mein Umsatz steigen.“ Überraschungen hingegen sind meist den unsichtbaren Akteuren zuzuschreiben, zu denen man sich in diesem Fall ängstlich fragen könnte: „Wer in diesem globalisierten Markt arbeitet gerade an einer technologischen Lösung, die meinen marketingbedingt steigenden Umsatz wieder zunichtemacht und die auf lange Sicht vielleicht sogar mein gesamtes bisheriges Geschäftsmodell massiv gefährden könnte?“
Hauptgrund für eine immer komplexere, intransparentere und dynamischere Welt ist die Digitalisierung. Wir erleben sie in all unseren Lebensbereichen. Ausgehend von der Arbeitswelt durchdringt das Digitale nicht nur unser Arbeits-, sondern auch unser Privatleben. War es vor etwa fünfzehn Jahren noch das Privileg von Managern, auf einem Blackberry E-Mails und Kalenderdaten in Echtzeit zu synchronisieren, so trägt heute schon jeder zweite Grundschüler ein Smartphone in der Tasche, das ihm einen nahezu unbegrenzten Zugang zum Datenbestand dieser Welt verschafft. Wir haben den Eindruck, als ob alles um uns herum in Bewegung geraten ist und sich das Stetige, auf das wir uns bislang immer verlassen konnten, in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit verflüssigt. Wir leben in einer sich immer schneller drehenden KID-Welt!
Ein Leben in der KID-Welt
Die KID-Welt ist ein System und durch drei Eigenschaften charakterisiert. Sie ist …
komplex (lat. complecti „umschlingen“, „umfassen“). Immer mehr Systemkomponenten hängen miteinander zusammen und beeinflussen sich wechselseitig. Die Bedeutung ihrer Zusammenhänge nimmt stetig zu. Die Eigenschaften der Zusammenhänge geben mittlerweile mehr Aufschluss über das System als die Eigenschaften der Systemkomponenten selbst.
intransparent (von lat. trans „(hin)durch“ und (ap)parere „sich zeigen, scheinen“). Komplexität führt dazu, dass wir Zusammenhänge häufig nicht mehr durchschauen können.
dynamisch (von griech. dynamiké „mächtig“). Indem sich die Systemkomponenten beeinflussen, entsteht in einem System Dynamik. Je mehr Komponenten sich miteinander vernetzen, umso dynamischer wird das System. Alles gerät in...