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E-Book

Maria bereitet uns den Weg

Biblische Meditationen über die Gottesmutter

AutorPeter Dyckhoff
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783451801655
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Peter Dyckhoff meditiert die biblischen Zeugnisse über Maria, um heutigen Menschen spirituelle Lebenshilfe zu geben. Seine Betrachtungen führen zu einer lebendigen Begegnung mit der Gottesmutter. Gerade dort, wo das menschliche Leben an Grenzen stößt, oder da, wo es keine Antworten mehr zu geben scheint, kann es durch Maria einen neuen Anfang geben. » Menschen, die eine lebendige Beziehung zu Maria haben, sind in der Lage, Krisenzeiten besser zu überstehen, trotz Erschütterungen ihren festen Glauben zu bewahren und durch die Fürsprache Marias in der Liebe zu Jesus Christus zu wachsen. Maria geleitet uns zur verborgenen Mitte: zur Liebe Gottes zu uns Menschen und zu unserer Liebe zu ihm« (Peter Dyckhoff).

Peter Dyckhoff, geb. 1937, studierte Psychologie und war viele Jahre als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens tätig. Mit vierzig Jahren wagte er den Neuanfang und studierte Theologie in Münster, Innsbruck und Brixen. 1981 zum Priester geweiht, war er als Gemeinde-, Wallfahrts- und Krankenhausseelsorger tätig. Im Bistum Hildesheim übernahm er den Aufbau und die Leitung der bischöflichen Bildungsstätte 'Haus Cassian'. Seit 1999 lebt der Autor in Münster und ist als Referent und Exerzitienleiter in zahlreichen Bildungseinrichtungen tätig.

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Leseprobe

Marias persönliche Worte im Evangelium


Genannt wird Maria, die Mutter Jesu, nur an wenigen Stellen im Neuen Testament – abgesehen von den Kindheitserzählungen bei den Evangelisten Lukas und Matthäus. Die Kindheitsgeschichten wurden erst später an den Anfang der Erzählung des Lebens Jesu gesetzt. Der Anteil des Marienlebens am öffentlichen Wirken Jesu ist mit Ausnahme der «Hochzeit zu Kana» sehr gering. Erst bei der Passion Christi wird Maria vom Evangelisten Johannes wieder erwähnt. Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich (Johannes 19,25–27).

In allen vier Evangelien gibt es insgesamt nur sechs Marienworte, das heißt, sechs Mal spricht Maria persönlich. Diese sechs Worte aus ihrem Mund sollen im Folgenden bedacht werden.

Das erste Marienwort


Wie soll das geschehen,

da ich keinen Mann erkenne?

Lukas 1,34

Die Kindheitsgeschichte Jesu wird vom Evangelisten Lukas – anders als bei Matthäus – aus dem Blickwinkel Marias erzählt. An ihr, die in demütiger Zurückhaltung und geistlicher Besonnenheit lebt, hat Gottes Heilshandeln begonnen. Sechs Monate nach der ersten Sendung des Engels Gabriel zu Zacharias schickt Gott den Engel nach Nazaret zu einer Jungfrau. Ihr Name ist Maria. Der Name «Maria» hat in der jetzt beginnenden Heilsgeschichte Weihe und Glanz. Maria ist mit einem Mann namens Josef verlobt. Bis zur Hochzeit bleibt die Verlobte im Haus ihres Vaters. Die Enthaltsamkeit vorehelicher Gemeinschaft ist selbstverständlich für sie.

Der Engel Gabriel kommt vom Antlitz Gottes her, und mit ihm setzt eine Bewegung vom Himmel auf die Erde ein: das Kommen Gottes zu den Menschen. Zu Maria wird kein beliebiger Engel gesandt, sondern der Erzengel Gabriel. Gott schickt seinen höchsten Engel, um die wichtigste aller Botschaften zu bringen. Gabriel erscheint nicht plötzlich, sondern er tritt bei Maria ein und begrüßt sie mit einer Freudenbotschaft. Maria ist begnadet, die Engelsbotschaft als Offenbarung Gottes zu empfangen und aus dem Glauben zu verstehen.

Nicht, dass er eintrat, aber dass er dicht,

der Engel, eines Jünglings Angesicht

so zu ihr neigte; dass sein Blick und der,

mit dem sie aufsah, so zusammenschlugen,

als wäre draußen plötzlich alles leer

und, was Millionen schauten, trieben, trugen,

hineingedrängt in sie: nur sie und er;

Schaun und Geschautes, Aug und Augenweide

sonst nirgends als an dieser Stelle –: sieh,

dieses erschreckt. Und sie erschraken beide.

Dann sang der Engel seine Melodie.

Rainer Maria Rilke

Maria wird verheißen, dass sie die Mutter des erwarteten Messias aus dem Haus Davids werden wird. Der Termin des Empfangens jedoch bleibt vorerst Geheimnis. Das verheißene Kind wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Größe und Gottessohnschaft werden somit schon dem irdischen Jesus eigen sein. Maria vernimmt die Frohe Botschaft, betrachtet jedoch zunächst schweigend die Worte. Sie widersetzt sich weder durch Unglauben noch gehorcht sie spontan aus Leichtsinn. Auf diese Weise vermeidet sie sowohl den Leichtsinn Evas als auch den Unglauben des Zacharias. Maria ist demütig – und nur den Demütigen schenkt Gott seine Gnade.

Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? (Lukas 1,34) Indem Maria nach dem «Wie» fragt, drückt sie bereits ihre innere Haltung aus, dass sie in den Plan Gottes einstimmt und bereit und offen ist für die Vorsehung Gottes. Mit ihrer Frage bekennt sie, dass es geschieht, und sie zweifelt nicht daran, dass es geschehen soll, doch fragt sie nach dem «Wie». Maria glaubt an die Botschaft, ohne die Frage nach einem Zeichen zu stellen. Sie glaubt, und dann erst sucht sie für die auftauchende Frage eine Antwort. Die Frage, das erste persönlich gesprochene Wort Marias im Evangelium, ist wichtig, denn sie lässt auf horchen: Wie können Jungfräulichkeit und Mutterschaft vereint werden?

Maria zeigt durch ihre Frage eine einschränkende Haltung, da sie sich vom Menschlichen her die Verwirklichung der Botschaft Gottes durch den Engel Gabriel nicht erklären kann. Sie mag gedacht haben: «Als Verlobte habe ich in der nächsten Zeit bis zu meiner Heirat kein eheliches Zusammensein – sicher nicht bis zu dem nahe gedachten Termin der verheißenen Empfängnis. Denn Gottes Zusage wird nicht lange auf sich warten lassen.»

Der Engel erklärt Maria, sie werde als Jungfrau einen Sohn empfangen. Die schöpferische Allmacht Gottes, bei dem nichts unmöglich ist, wird das Wunder in Maria bewirken. Gemeint ist der Heilige Geist, der am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte, und jetzt aus der Höhe herabkommt. Wie eine Wolke wird die Kraft des Höchsten sie überschatten und in ihr wirksam werden. Die Wolke lässt Gottes machtvolle Gegenwart erkennen – sie verbirgt ihn aber auch gleichzeitig vor den Augen der Menschen und wahrt das göttliche Geheimnis.

Wie Adam als Erster der Menschen von Gott erschaffen wurde und dadurch in einem besonderen Verhältnis zu Gott stand, geschieht hier am Beginn des Christusereignisses in Maria eine neue Schöpfung. Durch Maria ergreift Gott die Initiative zur Vollendung der Heilsgeschichte. Heilig ist Jesus, weil er vom Heiligen Geist im Mutterschoß gebildet wird und mit seiner ganzen Existenz in Gott wurzelt, von ihm durchwaltet und erfüllt ist.

Ich grüße dich zur Stund

mit Gabrielis Mund:

Ave, die du bist voller Gnaden.

Du hast des Höchsten Sohn,

Maria rein und schön,

in deinem keuschen Schoß getragen,

den Heiland Jesus Christ,

der uns ein Retter ist

aus aller Sünd und allem Schaden.

Georg Braun (1675)

Als ihr zum Tod verurteilter Sohn hingerichtet wird, steht Maria unter dem Kreuz. Wie wunderbar war dagegen der Beginn des Christusereignisses, als ihr Raum ganz von hellem Licht erfüllt war. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben (Lukas 1,33). Wird Maria, unter dem Kreuz stehend, zweifelnd gefragt haben: «Gehen Gottes Verheißungen so in Erfüllung?» Nein, sie wusste seit der Verheißung der Geburt Jesu – und dies war in ihrem Glaubensfundament zutiefst verankert –, dass Jesus der Sohn des Höchsten ist und seine Herrschaft kein Ende haben wird.

Herr, gib auch mir die Kraft, wie du sie Maria verliehen hast, mich auf deine Entwürfe meines Lebens einzulassen. In einem Psalm beten wir: Ebne deinen Weg vor mir (Psalm 5,9). Sollten wir nicht lieber beten: «Ebne meinen Weg vor dir»? Angesichts des Marienlebens verstehen wir, dass ein tief gläubiger Mensch nur beten kann: Ebne deinen Weg vor mir. Denn sonst könnten wir ihn nicht gehen. Dies sollten wir in Stille bedenken.

Das zweite Marienwort


Ich bin die Magd des Herrn;

mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Lukas 1,38

Aus der nach Verständnis suchenden Frage und dem Nachsinnen Marias ist jetzt ihre volle Zustimmung zum Plan Gottes herangereift. Ihr Jawort beschließt das Gespräch mit dem Engel Gabriel. Maria gibt aus ihrem tiefen Glauben heraus ihre Einwilligung und antwortet damit auf die Frage Gottes. Mit dem Wort Ich bin die Magd des Herrn sagt sie, dass sie einverstanden ist mit dem, was der Herr konkret mit ihr vorhat. In diesem zweiten Marienwort liegt der Höhepunkt der Verheißung der Geburt Jesu – nicht in dem geheimnisvollen Vorgang der vaterlosen Empfängnis. Der Sinn ihres Lebens besteht darin, für Gott verfügbar zu sein. Maria will nichts anderes als diesen Sinn erfüllen. So steht am Anfang des Lebens Jesu der Glaube seiner Mutter.

Mir geschehe, wie du es gesagt hast – dieses Wort aus ihrem Mund bezeugt völlige Verfügbarkeit und aktive Bereitschaft in einem. Gott hat angeklopft, und Maria hat ihm geöffnet. Gott zwingt nicht. Maria soll in freier Entscheidung eine Antwort auf die Botschaft des Engels Gabriel geben. Aus dem, was der Engel zu ihr sagt, hat sie den Willen Gottes erkannt, der für sie an erster Stelle steht und den es zu erfüllen gilt.

Der Mensch kann nur Heil finden, wenn er auf Gottes Stimme horcht und den göttlichen Willen in seinem Leben verwirklicht. Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt (Matthäus 7,21).

Mit Abraham hat die Heilsgeschichte begonnen. Die tragende Kraft des Heilwirkens Gottes hat mit Johannes dem Täufer den alttestamentlichen Höhepunkt erreicht. Am Beginn des Neuen Testamentes gibt Marias Bereitschaft Gott Raum, in ihr das Wunder zu wirken. In Maria hat der Herr die Basis für die Entstehung seines Messias durch das Wirken des Heiligen Geistes gefunden, und in Jesus Christus, geboren aus der Jungfrau Maria, findet das Wort Gottes seine Vollendung.

Nachdem Maria ihr Jawort gegeben hat, ist die Sendung des Engels erfüllt. Er geht leise, so wie er auch bei Maria eingetreten ist, indem er ihr das letzte Wort lässt, ja, indem er jetzt alles Gott selbst überlässt. Danach verließ sie der Engel (Lukas 1,38b).

Obwohl der Engel sie verließ, bewahrte Maria ihren starken Glauben bis unter das Kreuz ihres geliebten Sohnes und weit darüber hinaus.

Können wir aus tiefem, gläubigem Herzen auch in den Stunden, wo uns das Licht des Engels zu verlassen scheint, lebenswahrhaftig folgende Worte beten? Mir geschehe, wie du es gesagt hast. Herr, gib mir die...

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