13Einleitung oder: Eine neue Ära der Markenpositionierung
Vor genau 50 Jahren, also im Jahr 1969, veröffentlichten Al Ries und Jack Trout erstmals ihr bahnbrechendes Positioning-Konzept, das die Welt der Markenführung für immer veränderte. 1972 gelang mit einer dreiteiligen Artikelserie „The Positioning Era Cometh“ in Advertising Age der Durchbruch in den USA. Im Jahr 1981 erschien dann der Klassiker „Positioning: The Battle for Your Mind“, der heute mit über vier Millionen verkaufter Exemplare mit großer Sicherheit das meistverkaufte Marken- und Marketingbuch weltweit ist. So gibt es heute wahrscheinlich kein Strategie-, Marken- oder Marketingpapier, in dem dieses Wort nicht vorkommt.
Auf dem Papier ist heute so gut wie jede Marke positioniert. Aber nur wenige Marken haben wirklich im Sinne von Al Ries und Jack Trout eine echte mentale Spitzenstellung in der Wahrnehmung der Kunden erreicht. So gesehen verkaufen sich viele Marken heute immer noch weit unter ihrem möglichen Potenzial. Das sollte nicht sein, denn speziell im globalen und digitalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts entscheidet die angestrebte Positionierung mehr denn je über den Erfolg von Marken und damit auch von Unternehmen.
Um aber besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir einen Blick zu den Anfängen dieses Konzepts werfen. Als Al Ries und Jack Trout Positioning entwickelten, sahen sie dieses Konzept als Antwort auf die überkommunizierte Gesellschaft. Sie schrieben damals: „Positioning ist das erste Konzept, das sich mit den Problemen der Kommunikation in einer kommunikationsüberfluteten Gesellschaft auseinandersetzt.“
Nur was Al und Jack damals als überkommunizierte oder kommunikationsüberflutete Gesellschaft sahen, war maximal das Aufwärmtraining für heute. So gesehen leben wir aktuell in der ersten über-überkommunizierten Gesellschaft. Aus Kundensicht betrachtet haben wir heute viel zu viele Produkte und Dienstleistungen, viel zu viele Marken und Unternehmen, viel zu viele Medien und viel zu viel „Marketinglärm“, sprich PR und Werbung in unzähligen analogen und digitalen Kanälen und Formen. Nur genau das be14deutet auch, dass das Thema Positionierung heute für den Marken- und Unternehmenserfolg nicht nur noch sehr viel wichtiger wird, es bedeutet auch, dass es noch schwieriger wird, in diesem Umfeld diese eine Erfolgsposition für die eigene Marke zu finden und zu besetzen.
Drei fundamentale Veränderungen
Dabei sind es vor allem drei fundamentale Veränderungen oder Entwicklungen, die man im Wettbewerb des 21. Jahrhunderts unbedingt beachten sollte:
(1) | Die rapide zunehmende Globalisierung, |
(2) | das Auftauchen des Internets, also die zunehmende Digitalisierung und |
(3) | die damit verbundene Zunahme an disruptiven Geschäftsmodellen. |
Diese drei Entwicklungen oder Veränderungen beeinflussen heute jede Marken- und Marketingstrategie, egal ob das eigene Unternehmen global, national oder nur regional tätig ist. Speziell interessant dabei ist, dass die Digitalisierung vor allem die analogen Marken vor enorme Herausforderungen stellt. Ist das Internet für „Digital Natives“ ein Feld der großen Chancen, ist es für viele analoge Unternehmen mehr eine Art „Minenfeld“, das nicht nur bestehende Geschäftsmodelle und Marken extrem fordert, sondern oft sogar in ihrer Existenz bedroht.
So gesehen erfordern diese drei oben genannten Veränderungen auch, dass wir noch strategischer als bisher über Markenführung im Generellen und Markenpositionierung im Speziellen denken sollten. Aber sehen wir uns diese drei Veränderungen, die sich auch gegenseitig beeinflussen, einmal näher an:
(1) Die Globalisierung
Globalisierung an sich ist nichts Neues. So schrieben bereits Al Ries und Jack Trout 1972 in ihrer bereits erwähnten Artikelserie und später in ihrem Buch „Positioning“ über die zunehmende Bedeutung der Globalisierung und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Positionierung und vor allem auch für die Namensgebung.
Nur zwei Punkte haben sich dabei massiv verändert. (1) War Globalisierung früher vor allem eine Spielwiese für die großen Konzerne, egal ob ABB, GE, IBM, Microsoft, Nestle, Procter & Gamble, Sony, Unilever oder Xerox, so wird heute Globalisierung immer mehr zur Spielwiese der digitalen Start-15up-Unternehmen. (2) Gleichzeitig wird durch das Internet aber auch die globale Expansionsgeschwindigkeit enorm verändert. So wäre es etwa vor dem Internet unmöglich gewesen, eine Handelskette in der Geschwindigkeit von Amazon zu internationalisieren und zu globalisieren.
(2) Das Internet oder besser die drei Internets
Aus Marken- und Positionierungssicht betrachtet, ist es gefährlich, pauschal von einem Internet zu sprechen. Vielmehr sollte man zwischen drei Internets unterscheiden, die verschiedene Auswirkung darauf haben, wie wir strategisch und operativ heute und vor allem in Zukunft über Markenführung denken sollten:
(1) | Das Internet als Informationsmedium oder die große digitale Visitenkarte |
(2) | Das Internet als erstes interaktives Massenkommunikationsmedium |
(3) | Das Internet als Basis für komplett neue Geschäftsmodelle |
Die ersten beiden „Internets“ betreffen vor allem die operative Seite der Markenführung und hier vor allem die der Kommunikation. Speziell die Themen Mundpropaganda im Sinne von Word of Mouth und Word of Web und die PR bekommen dabei eine ganz neue Bedeutung. Dies hat vor allem einen massiven Einfluss darauf, wie man heute und in Zukunft neue Marken, neue Produkte und neue Dienstleistungen einführen wird.
Das dritte „Internet“ betrifft vor allem die strategische Seite der Markenführung und damit natürlich ganz besonders die Aufgabenstellung Positionierung, egal ob man dies aus defensiver oder offensiver Sicht betrachtet. So bietet das Internet enorme Chancen, neue, vor allem auch neue globale Geschäftsmodelle und Marken zu bauen. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass das Internet bzw. die Digitalisierung generell auch eine enorme Bedrohung für bestehende Geschäftsmodelle und Marken darstellen kann.
Die für viele brutale Folge: Immer öfter treffen im Wettbewerb globale Geschäftsmodelle auf nationale oder sogar nur regionale Geschäftsmodelle. Nehmen Sie etwa die Welt der Medien als nur ein Beispiel. Klassisches Fernsehen und klassisches Radio waren bisher vor allem nationale oder sogar nur regionale Geschäftsmodelle, wie alleine die vielen Fernseh- und Radiosender in Deutschland und Österreich beweisen. Ganz anders die Welt des Strea16mings. Hier dominieren heute globale Marken wie Netflix oder Spotify. Und damit kommen wir auch zu einer neuen Ära der Disruption.
(3) Die neue Ära der disruptiven Geschäftsmodelle
An sich ist auch Disruption kein neuer Begriff und wird von vielen automatisch mit dem Namen Clayton M. Christensen und dem Buch „The Innovator’s Dilemma“, das im Original bereits im Jahr 1997 erschienen ist, verbunden. Das heißt: Rein thematisch gesehen ist Disruption nichts Neues. Was sich aber massiv verändert hat, ist die Dynamik der Märkte. So waren noch nie zuvor so viele Unternehmen und Marken gleichzeitig von disruptiven Geschäftsmodellen und Innovationen bedroht. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite eröffnet sich so eine komplett neue Welt der unendlichen Möglichkeiten, um neue Geschäftsmodelle und Marken zu bauen.
Nur wird das auch erfordern, dass es dem Management im...