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Einleitung
Strategie und Marketing
Strategien zu erarbeiten – das fällt vielen Führungskräften schwer. Allein das Wort „Strategie“ ist für viele Ohren schwer verständlich, im Wesen gar rätselhaft. Zentral dürfte sein, dass es keine einheitliche Vorstellung davon gibt, was unter einer Strategie zu verstehen ist und wie sie erarbeitet werden soll. Eher wird ein Bogen um das Thema gemacht. Werden Praktiker nach den Gründen gefragt, wird meistens auf den Zeitmangel durch das tägliche Geschäft verwiesen – ein bekanntes Phänomen (vgl. Olivier 1991, S. 56ff.).
Strategie und Marketing (Strategisches Marketing) – für viele zu aufwändig, kompliziert, lästig. Manche Entscheider befürchten vermeintliche Fesseln „von Theoretikern“. Andere sind ahnungslos, blenden aber gerne Mitarbeiter und Vorgesetzte in schicken Vorträgen. Motto: Was man nicht genau kennt, aber eigentlich wissen müsste, wird schließlich als kompetent wirkender Begriff inflationär verwendet. Das geht dann mitunter bis zur Plattitüde, nach der alles was „wichtig“ ist, auch „strategisch“ sei (Hinterhuber 1991).
Dabei ist mit Strategie zunächst ein „Kampf“-Plan gemeint, mit dem ein militärisch-politisches Ziel erreicht werden soll (Duden 1963). Die Ziele heißen Sieg, Überleben, als Machtfaktor wahrgenommen zu werden usw. Erste Parallelen zur Welt der Wirtschaft werden deutlich. Zugespitzt heißt das „Schlachtfeld“ hier allerdings Markt. Nachfolgend soll ein kurzer Blick auf dieses Konstrukt geworfen werden, um den hieraus erwachsenen Kerngedanken des Marketing zu erkennen – was uns dann zur Strategie zurückführt.
Vom Markt zum Marketing
Der Markt ist Ausgangs-, Dreh- und Angelpunkt für Unternehmen. Auch hier bedarf es eines gründlichen Überblicks, will man einen Plan entwickeln. Der Markt ist zwar, vereinfacht ausgedrückt, das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage – in der Realität aber ein unübersichtliches Feld für den Austausch von Interessen, deren Ergebnisse sich meistens in Daten abbilden lassen. Er ist ein Kernthema der Ökonomie, mit dem sich sowohl die Volks- als auch die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt. Letztere im Rahmen ihrer Teildisziplin Marketing, deren primär absatzpolitischer Blickwinkel hier eingenommen wird. In der Praxis gibt es nicht nur einen Markt, sondern viele. Je nach Bereich existieren Teilmärkte, zum Beispiel für Konsum- oder Investitionsgüter oder Bildungsdienstleistungen. Und auch innerhalb dieser Teilmärkte gibt es immer weitere Unter-Teilmärkte – etwa zu den Konsumgütern des täglichen (Lebensmittel) und gehobenen Bedarfs (Kleidung, Möbel) sowie des Spezialbedarfs (Skiausrüstung), bis zur kleinsten Ebene verschiedener Brot-, Jeans- oder Skihosen- oder Couchtypen (Meffert 1986, S. 40).
Das „Hauen und Stechen“ beginnt wie in der Politik auch in der Wirtschaft bereits mit einer ersten Machtfrage: Wer darf/kann überhaupt als Anbieter (und manchmal auch als Nachfrager, etwa im Beschaffungsmarkt) auftreten?
Die Ökonomie spricht hier von Marktzugang und nennt die Akteure Marktteilnehmer. Allein der Eintritt in einen Markt erfordert in der Regel bereits das Überwinden aufgestellter Marktzugangs-Schranken und daher einen „Kampf“-Plan, also eine Strategie. Manchmal aber auch einen Wegweiser für das rechtzeitige und möglichst verlustminimierende Zurückziehen aus einem Markt (Marktaustritt).
Hürden und Verhaltensregeln setzen hier also die Marktteilnehmer. Dazu zählen besonders Käufer und Verkäufer, Groß- und Einzelhändler als Absatzmittler oder der Staat. Ist das Angebot letztlich größer als die Nachfrage wird von Käufermärkten gesprochen (zum Beispiel in den meisten Konsumgütermärkten), umgekehrt von Verkäufermärkten (etwa bei begehrten Luxusartikeln, bei denen die Zahl der Nachfrager das Angebot übersteigt). Die Positionen der einzelnen Marktteilnehmer dominieren die Struktur und damit die Spielregeln eines Marktes, die sich in Marktformen wie zum Beispiel Angebotsmonopolen ausdrücken.
Das grundlegende Beschäftigen mit dem Markt oder den Märkten (also die Analyse) ist nötig für eine Institution, um letztlich als solche zu überleben oder Gewinne zu erzielen. Sich die Markt-Gegebenheiten bewusst machen, in denen eine Organisation handeln muss und gleichzeitig selbst aktiv zum eigenen Vorteil auf diese Realitäten einzuwirken, sie nach eigenen Zielsetzungen zu verändern, dies soll hier als Marketing verstanden werden.
Marketing-Auftrag und Strategie-Sicht
Die Kernbotschaft des Marketing ist die bewusste „marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten“ (Meffert 1986, S. 29) in einer Institution.
Gemeint ist damit in erster Linie ein Orientieren an den Wünschen/Bedürfnissen der Kunden als Endabnehmer der betrieblichen Leistungen.1 Daraus resultieren Verhaltensweisen des Unternehmens, die letztlich hinauslaufen auf das
- Gewinnen,
- Halten (Stammkunden schaffen, Verlust/Abwandern vermeiden) oder
- Wiedergewinnen von Kunden.
Ebenso entscheidend ist in zweiter Linie aber auch das Fokussieren der Konkurrenten, was letztlich auf
- Abwehr,
- Angriff/Verdrängung oder
- Nachahmung
hinausläuft.
Schließlich kommt das Beobachten und Reflektieren der sonstigen Unternehmensumwelt hinzu, etwa ob und wie der Staat die Spielregeln des Marktes verändert.
Das Orientieren am Markt im eben genannten Sinne erfordert also – nach der Analyse der Gegebenheiten –
- das Setzen eines Ziels,
- das Planen einer Vorgehensweise,
- deren Durchführung und
- Kontrolle.
Der grundsätzliche Plan einer Vorgehensweise, um ein Ziel zu erreichen, soll hier nach BECKER (2006, S. 137 ff.) als Strategie im Rahmen des Marketing verstanden werden. Um es bildhaft zu formulieren: So wie der Autofahrer bei einem Navigationssystem den Bestimmungsort als Endpunkt eintippt, gibt die Unternehmensleitung das Ziel vor. Die Strategie ist dann also die „Festlegung der Route“ (Becker), um zum Ziel zu kommen.
Folgen für die Praxis
Schwierig ist die Frage, wie weit in der Praxis Marketing-Strategien als abgehobener und quasi über den Dingen schwebender Bereich eigener Art anzusehen sind. Oder ob es nicht effizienter ist, diese von vornherein pragmatisch und für alle betrieblichen Ebenen verständlich bis hinunter zu einzelnen Marketing-Mix-Instrumenten (also Produkt-/Sortiments- oder Leistungspolitik; Preispolitik; Distributions- oder Standortpolitik sowie Kommunikationspolitik einschließlich persönlichem Verkauf) als (Teil-)Strategien zu planen. Dies ist überlegenswert, weil erfahrungsgemäß die umsetzenden Personen in einzelnen Abteilungen – besonders diejenigen an der so genannten Verkaufsfront – einerseits wertvolle praktikable Verbesserungsanstöße beim Finden und Formulieren von Strategien geben. Andererseits sollten gerade die für das Umsetzen zuständigen Bereiche unterhalb der Unternehmensleitungsebene nicht faktisch planlos agieren, beispielsweise weil die Haupt-Strategie zu allgemein formuliert ist, auch wenn sie eine begrenzte Flexibilität2 zum Aufgabenerfüllen brauchen.
Strategien sollten daher möglichst nicht nur von oben (top down) oktroyiert, sondern es sollten von Anfang an Rückkopplungen (bottom up) ermöglicht und einbezogen werden. Dazu im folgenden Kapitel mehr, wenn es um das Einleiten eines Strategieprozesses geht.
Im Praxisalltag ist es entscheidend, dass sich die einzelnen Handlungsstränge in die große Linie oder die Haupt-Strategie einpassen. Auf keinen Fall dürfen Widersprüchlichkeiten entstehen, die bei den Kunden oder Geschäftspartnern zu Verwirrung oder Ablehnung und damit letztlich zu sinkenden Renditen führen können. Als Beispiel seien hier hochwertige Qualitätsprodukte genannt, die in niedrigpreisorientierten Verkaufsräumen „verramscht“ werden.
Für die mit der strategischen Planung beschäftigten Führungskräfte sollten auch die Grenzen des strategischen Vorgehens klar sein: Das detaillierte Umsetzen der Teil-Strategien ist grundsätzlich keine strategische Vorgehensweise mehr, sondern eine operative. Diese sollte möglichst anderen überlassen werden. Das setzt allerdings – wie bereits erwähnt – klare Vorgaben voraus, die die operative Ebene umzusetzen hat. Die ausführende Ebene muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Ist beispielsweise nach einer umfangreichen Marktanalyse als klare Vorgabe eine Erlebnis-Strategie für die Marke x beschlossen, sollte das Umsetzen der dafür zuständigen Führungskraft und den von ihr beauftragten Profis (Werber, Grafiker, Visual Merchandiser etc.) überlassen werden. Sich als strategischer Marketing-Manager hier zurückzunehmen hat sich in der Praxis bewährt. Denn sonst kann sich die Führungskraft schnell im Dickicht der Einzelheiten verlieren oder es kommt wegen mangelnder Detailkenntnisse meist zu keinem qualitativ hochwertigen Umsetzen. Verzetteln und mangelnde Qualifikation bringen jedoch Verzögerungen mit sich, erschweren die...