Ravel verwendete für die Orchestrierung von Daphnis et Chloé einen üppigen Orchesterapparat. Mit nahezu allen Instrumentengruppen, die das spätromantische Sinfonieorchester zur damaligen Zeit hergab.
Neben dem riesigen Orchester auf der Bühne taucht auch noch ein gemischter, textloser Chor hinter der Bühne auf. Ebenfalls hinter der Bühne sollen sich eine Trompete und ein Horn platzieren.
So taucht in der Partitur folgende Zusammensetzung auf:
Holzbläser:
1 Piccoloflöte, 2 Flöten, 1 Altflöte, 2 Oboen, 1 Englisch-Horn, 1 kleine Klarinette in Es, 2 Klarinetten in B, 1 Bassklarinette in B, 3 Fagotte, 1 Kontrafagott
Blechbläser:
4 Hörner in F, 4 Trompeten in C, 3 Posaunen, 1 Tuba
Schlagwerk:
3 Pauken, kleine und große Trommel, Kastagnetten, antike Zimbel, 2 Becken, Äliophon, Tamtam, baskische Trommel, Celesta, Triangel, Glockenspiel, Xylophon
Streicher:
Erste und zweite Violinen, Violen, Violoncelli, Kontrabässe mit tiefer C-Seite, jede Streichergruppe werden zudem noch mal aufgeteilt (divisi), um vermutlich ein noch differenzierteres Klangspektrum zu erzeugen.
Die Streicher spielen in der Partitur bis auf wenige Ausnahmen (Ziff.83-88)[89] fast durchgehend und haben dabei recht vielfältige, anspruchsvolle Aufgaben zu erledigen. Mit Mischungen in den Spielweisen von Arco, Pizzicato, Flageoletts, Spielen auf bestimmte Saiten, auf dem Griffbrett, Tremoli oder Glissandi, zwei- oder dreifache Oktavierungen und Terzverdopplungen tragen sie enorm zur Erzeugung bestimmter Klangfarben, die bei Ravel generell eine wichtige Rolle spielen, bei.
Selten spielen die jeweils unterteilten Streichergruppen dasselbe wie zu Beginn des Danse générale bei Ziffer 21 oder beim Liebesmotiv bei Ziffer 53, kurz nach dem Tanzwettbewerb zwischen Daphnis und dem Rinderhirten Dorcon.
Zudem häufig die erste Geige solistisch eingesetzt wird, meist in Zusammenhang mit dem zarten Liebesmotiv von Daphnis und Chloé oder dem Thema der Nymphen (Ziff. 16). Die plötzliche Hervorhebung eines einzelnen Instrumentes innerhalb des großen Orchesterapparates vor allem bei den Hauptmotiven ist eine typische Art und Weise von Ravel, was immer ein Spannungszuwachs bedeutet und dem Orchester eine neue erfrischende Farbe verleiht, ihm gar deskriptive Züge einverleibt.
Ravel schreibt in der Partitur ebenfalls die Verwendung einer Piccoloflöte und einer kleinen Klarinette in Es auf der Bühne vor (sur la scène). Diese kommen solistisch zu Anfang des dritten Bildes (Ziff.159 +160) zum Einsatz und sollen den Ruf einiger Schäfer imitieren.
Des Weiteren fällt eine ungewöhnlich, reichhaltige Verwendung des Schlagwerks ins Auge. So verwendet Ravel hier ein Äliophon, eine Windmaschine in den Abschnitten Ziffern 73, 76, 78, 80 sowie zwei Takte vor Ziffer 146 und fünf Takte Ziffer 152. Dieses dient in erster Linie als klanglicher Effekt zum Verdichten der Atmosphäre, nicht für die Imitation des Windesrauschens. Besonders deutlich wird diese klangliche Komponente bei Ziffer 73.[90] Daphnis ist auf der Suche nach Chloé und findet nichts von ihr als einen ihrer Sandalen. Er bittet die Nymphen ihm zu helfen. Ein dunkles Licht liegt über der Szenerie. Die Windmaschine ergänzt die mysteriös wirkenden Tremoli der Streicher und die Pendelbewegung der Hörner und Holzbläser.
Ein anderes Klangbeispiel findet sich bei Ziffer 78, wo das Äliophon die Glissandi der zweiten Harfe und der Streicher subtil untermalt. Von wirklicher Imitation von Windgeräusch kann hier weniger die Rede sein.
Ein solches Äliophon wurde bereits 1897 erstmalig konzertant in Richard Strauß’ Don Quijote eingesetzt und sieben Jahre später in seiner Alpensinfonie. Auch in Ravels l’Enfant et les Sortilèges fand diese etwas sperrige Maschine Anwendung.[91]
Des Weiteren wählt Ravel den Einsatz von antiken Zimbeln.[92] Damit sind kleine aus Silberbronze gegossene Beckenpärchen gemeint, die einen recht hellen, scharfen Klang erzeugen. Jene sind bereits aus dem Altertum bekannt und waren im Raum Griechenland, Assyrien und dem alten Rom bekannt, ehe sie 400 n. Chr. bei den Kopten heimisch wurden. Erste Anwendung dieses Instruments finden wir bei Berlioz in Romeó et Juliette, später auch in Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune.[93] Sie gelten als antike Vorbilder für spanische Kastagnetten. Ihr Ton ist silbrig und hell.
Ravel setzt dieses Instrument im Daphnis recht spärlich ein (Zif.128-129) und auch nur dann, wenn Leichtigkeit, Graziösität oder Zauber ausgedrückt werden soll. So zum Beispiel in Zusammenspiel mit den beiden Harfen bei Ziffer 23 als Tupfer zwischen den gesanglichen Linien der Streicher und Holzbläser. Auf Grund ihres sehr leisen, feinen Klanges kann sie eigentlich nur an Stellen zu Geltung kommen, an denen das übrige Orchester im Piano spielt. Wie bei Ziffer 130 am Schluss des Zwischenspiels. Ob der Zuhörer die Crotales überhaupt wahrnimmt, ist fraglich. Im Unterschied zum normalen Becken, erzeugen die Crotales (oder antiken Zimbeln) definierbare Töne, wenn auch der Frequenzbereich der erzeugten Töne, vereinfacht gesagt, nicht immer den exakten Grundstimmungen der üblichen Melodieinstrumente entspricht.
Daneben fällt auch die Verwendung der baskischen Trommel ins Auge. Diese etwas größere Version der herkömmlichen Schellentrommel, wie sie im Deutschen oft genannt wird, ist wie der Name bereits anklingt die baskische Variante. Das Tamburin ist seit der Antike bekannt. Vermutlich kommt es aus Ägypten.[94] Warum Ravel gerade diese Version des Tamburins wählte und nicht die herkömmliche französische Variante Tambourin bleibt reine Spekulation auf seine baskische Herkunft und seine Vorliebe für spanische Musik insgesamt.
Sehr effektvoll eingesetzt ist auch stets die Verwendung des Tam Tam und der großen Trommel (Gran Cassa). Ab Ziffer 81 z.B. kündigen beide Perkussionsinstrumente durch leise Wirbel im Pianissimo die Ankunft des Gottes Pan an. Durch Tremolieren in den Streichern und einer überraschenden Kadenzierung mit trugschlussartiger Wirkung.
Ähnliches ist bei Ziffer 103 zu beobachten, wo beide Instrumente zu einem gewaltiges Crescendo eingesetzt werden, dass den ersten musikalisch, dramatischen Höhepunkt der zweiten Szene im Lager der Piraten bilden soll.
Nachdem Chloé gerettet und die Heraufbeschwörung Pans vollzogen wurde, verschwindet auch wieder seine Silhouette, nach dem er alle Piraten vertrieben hat. Ein gewaltiges Crescendo bei Ziffer 132, kurz vor Ende des zweiten Teils und dem Beginn des Sonnenaufgangs ist zu vernehmen. So schließt Ravel hier den Kreis der Erzählung.
Die Verwendung der Altflöte ist ebenfalls eine Besonderheit. Sie ist in der normalen Dotierung mittlerer Orchester weniger gebräuchlich, sticht aber durch ihren vollen, im Vergleich zur normalen Querflöte, etwas lauteren, sonoreren Klang hervor. Gebräuchlich ist die Stimmung in G. Im Strawinskys Sacre taucht dieses Instrument ebenfalls auf. Insgesamt ist die Altflöte ein recht herausforderndes Instrument auf Grund ihres hohen Luftverbrauchs. Ravel benutzt die Altflöte allerdings in derselben anspruchsvollen Weise, wie es bei der normalen Querflöte und der kleinen Flöte der Fall ist. Ein Beispiel dafür ist das dritte Bild, der Sonnenaufgang. Hier hat die Altflöte anfangs mit zusammen mit den Violinen, den Oboen und den Klarinetten beispielsweise dieselbe 32-tel Bewegung zu vollziehen (Ziff. 156).
Die Altflöte verleiht dieser Stelle in der verwendeten Instrumentenkombination einen warmen, sonoren Charakter.
Generell hebt Ravel die Flöten im Daphnis etwas hervor. Dies mag vor allem mit der Hirtenidylle zusammenhängen, die Ravel darzustellen versucht. Die Flöte stellt gewissermaßen das typische Instrument des Schäfers dar. So wird auch die normale Querflöte mehrmals solistisch eingesetzt. Insbesondere dann, wenn die Hirtenidylle auf Lesbos dargestellt werden soll und die Musik zärtlichen, pastoralen Anklang haben soll. Die Hirten bringen die Flöte immer wieder mit ihrem Gott Pan in Verbindung. Dieser war einst verliebt in die Nymphe Syrinx. Allerdings verschmähte Syrinx seine Liebe und verwandelte sich in ein Schilfrohr. Um seiner Geliebten nah zu sein, schnitt Pan Teile dieses Schilfrohres von ungleicher Länge ab und bastelte daraus eine Flöte:[95] Die heutige Panflöte; so sagt es jedenfalls die griechische Mythologie. Um seine Geliebte zu würdigen spielte Pan häufig auf eben...