Im Jahr 1999 begann die Hessische Landesregierung unter Hans Eichel das Mediationsverfahren …
„Beim Ausbau des Frankfurter Flughafens zeigte sich Ende der neunziger Jahre sehr schnell, dass die Parteien nicht in der Lage waren, eine Lösung zu finden, die von breiten Teilen der Bevölkerung getragen wurde. Es galt, jenseits des parlamentarischen Willens- und Entscheidungsprozesses einen neuen Weg zu gehen. Die damalige, von mir geführte Hessische Landesregierung hat sich dann zu einem Mediationsverfahren entschieden. Sie verband dies mit der Hoffnung, einen Raum für kreative Lösungen zu öffnen.“
Hans Eichel, Ministerpräsident Hessen a. D.
... und nach dem Regierungswechsel 1999 setzte der neue Ministerpräsident Roland Koch das Verfahren fort
„Es ist bekannt, dass die Koalitionsfraktionen CDU und FDP nach ihren bisherigen Prüfungen eine Erweiterung der Landebahnkapazitäten für notwendig halten. Die Hessische Landesregierung wird sich aber eine abschließende Meinung erst nach Abschluss des Mediationsverfahrens bilden. Das Mediationsverfahren wird, wie angekündigt, ergebnisoffen zu Ende geführt. Das Ergebnis des Mediationsverfahrens wird erhebliches Gewicht für die politische Entscheidung über den weiteren Ausbau des Flughafens haben, die Anfang kommenden Jahres [Anmerkung der Redaktion: im Jahr 2000] fallen wird. Dann allerdings wird die Landesregierung zügig handeln.“
Roland Koch, Ministerpräsident Hessen a. D.; Regierungserklärung vom 22.04.1999
Die Vorgeschichte des Konflikts
Die Konfliktgeschichte rund um den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens Frankfurt reicht bis in das Jahr 1962 zurück, als die Planungen für eine neue Startbahn begannen. Sie leiteten einen der schwerwiegendsten öffentlichen Konflikte der Bundesrepublik Deutschland ein: Es folgten bis Ende der siebziger Jahre jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten und in den achtziger Jahren vornehmlich Auseinandersetzungen zwischen Behörden und Demonstranten um den Ausbau der Startbahn West. Der Tod zweier Polizisten am 2. November 1987 bildete dabei den tragischen Höhepunkt dieses traurigen Kapitels konfliktreichen Protestes. In den Jahren 1984 bis 1998 regierten in Hessen rotgrüne Landesregierungen (Ausnahme waren die Jahre 1991 bis 1995). Für die Grünen war die „Startbahn West“ eine Art Mythos, der eine hohe Aufmerksamkeit der politischen Führung auf sich zog. Nach dem Ausbau des Flughafens und während der ersten Betriebsjahre war die öffentliche Erregung hingegen gering – trotz stetigen Wachstums der Flugbewegungen.
Eine verstärkte öffentliche Kontroverse um den Frankfurter Flughafen zeichnete sich allerdings wieder seit Ende der neunziger Jahre ab. Befürworter eines geplanten weiteren Ausbaus argumentierten, dass man den weiteren Erhöhungen der Flugbewegungen gerecht werden und mit dieser Kapazitätssteigerung als internationales Drehkreuz konkurrenzfähig bleiben müsse. Der Bau neuer Start- beziehungsweise Landebahnen sei unbedingt erforderlich. Es wurde zudem auf die entstehenden zusätzlichen Arbeitsplätze hingewiesen, die durch das Festhalten am Status quo gefährdet seien. Kritiker betonten hingegen den zusätzlichen Waldverlust und – an erster Stelle – Schäden durch steigende Lärmbelästigung der Bevölkerung.
Einerseits hat die Erweiterung des Frankfurter Flughafens für die Rhein-Main-Region und das gesamte Land Hessen wirtschaftlich eine außerordentliche Bedeutung. Andererseits belastet sie die unmittelbaren Anwohner der Region durch erhöhten Flugverkehr mit zusätzlichem Fluglärm und durch schwerwiegende ökologische Nebenwirkungen.
Die Vorbereitung: Der „Gesprächskreis Flughafen“
Im Jahr 1998 wurden die Ausbaupläne der Flughafen Main AG (damals: FAG) öffentlich. Im Hinblick auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit wurden seit diesem Zeitpunkt bereits erste Vorbereitungen für einen Dialog um das Projekt in der Region begonnen.
Die kennzeichnende Idee eines Mediationsverfahrens um den Flughafen Frankfurt wurde im Frühjahr 1998 im „Gesprächskreis Flughafen“ entwickelt, der vom damaligen Hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel einberufen wurde. Um heterogene Interessen vertreten zu können, musste sich der Gesprächskreis bei der Wahl seiner Teilnehmer möglichst breit aufstellen. Die insgesamt 16 Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Gewerkschaft, Verbänden, Kirche und öffentlichem Leben sollten in drei ganztägigen Sitzungen unter der Leitung von Hans Eichel ein Papier zur weiteren Gestaltung des Verfahrens erstellen und gemeinsam abstimmen (komplette Teilnehmerliste siehe www.umwelthaus.org).
Als Basis ihrer Diskussionen entwickelte der Gesprächskreis zunächst eine Analyse des Konfliktpotentials unter Einbezug der bisherigen und aktuellen Kontroversen um den Ausbau. Anschließend gaben die Teilnehmer gemeinsam das Grundanliegen des Mediationsverfahrens vor. Es sollte aus ihrer Sicht als eine zusätzliche breite und den formalen Verfahren vorgeschaltete Beteiligungsform innerhalb einer sachlichen und grundlegenden Diskussion des Ausbauvorhabens dienen.
Die Ziele beschreibt der Gesprächskreis als Kompromisslinien, die den heterogenen Interessen der Region gerecht werden. Es sollten als Ergebnis abgestimmte Empfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung des Frankfurter Flughafens gefunden werden, die gleichermaßen ökonomische, soziale wie ökologische Interessen integrieren. Natürlich konnten die Empfehlungen keine Verbindlichkeit im rechtlichen Sinne enthalten oder die vorgeschriebenen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren ersetzen. Durch die Selbstbindung der Landesregierung als Auftraggeberin, die Mediationsergebnisse als Grundlage der politischen Entscheidung anzuerkennen, entwickelte sich jedoch im Laufe des Verfahrens ein ausreichender Antrieb für alle Beteiligten, sich für einen erfolgreichen Prozess einzusetzen.
Schließlich legte der Gesprächskreis einvernehmlich die Teilnehmer des Mediationsverfahrens fest und wählte die Mediatoren aus.
Die Auswahl der Mediatoren
Der Gesprächskreis wählte als Mediatoren Dr. Kurt Oeser, den ehemaligen Umweltbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland aus der Nachbargemeinde des Flughafens Mörfelden-Walldorf, sowie Dr. Frank Niethammer, damals Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt. Diese beiden konnten einen dritten Mediator selbst bestimmen. Sie gewannen für diese Aufgabe den Düsseldorfer Professor Dr. Klaus Hänsch, Mitglied und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments. Jeder der drei Mediatoren hatte einen anderen gesellschaftspolitischen Hintergrund und einen anderen Bezug zur Ausbauthematik. Während sich Kurt Oeser klar gegen eine neue Bahn ausgesprochen hatte, Frank Niethammer dagegen zu den Befürwortern gehörte, hatte sich Klaus Hänsch weder für noch gegen die Pläne des Flughafens positioniert.
Der Auftrag an die Mediationsgruppe: Wirtschaftskraft, Ökologie und Gesundheit optimieren und Ausbauvarianten analysieren
Der Gesprächskreis gab der Mediationsgruppe den Auftrag, Empfehlungen zu erarbeiten, „unter welchen Voraussetzungen der Flughafen Frankfurt dazu beitragen kann, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsregion Rhein-Main im Hinblick auf Arbeitsplätze und Strukturelemente dauerhaft zu sichern und zu verbessern, ohne die ökologischen Belastungen für die Siedlungsregion außer Acht zu lassen“.
Darüber hinaus sollte die Gruppe verschiedene Ausbauvarianten untersuchen, einschließlich einer „Nullvariante“ (Einfrieren der Flugzahlen) sowie einer „Rückführungsvariante“, bei der von einem Rückgang des Flugverkehrs ausgegangen wurde.
Bildung der Mediationsgruppe
Der Gesprächskreis schlug auf der Grundlage dieses Arbeitsauftrages die Bildung einer sogenannten „Mediationsgruppe“ vor, die folgendermaßen besetzt sein sollte: vier Gemeindevertreter, vier Vertreter von Bürgerinitiativen, zwei Vertreter von Umweltverbänden in der Region, zwei Wirtschaftsvertreter sowie je ein Vertreter der Flughafen AG, der Deutschen Lufthansa AG, der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der hessischen Gewerkschaften, des Bundesverkehrsministeriums, des Hessischen Ministeriums für Umwelt und Energie, des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung sowie der in Deutschland ansässigen Luftverkehrsgesellschaften, vertreten durch das Board of Airline Representatives in Germany (Barig).
Schließlich beteiligten sich Vertreter betroffener Gemeinden und Städte, aus Wirtschaft, Bundes- und Landesministerien sowie einer Bürgerinitiative an dem Mediationsverfahren.
Teilnehmer am Mediationsverfahren
- Becker, Herbert, Vorstandsbeauftragter für externe Kontakte Flughafen Frankfurt Main AG
- Becker, Karl Eugen, Landesverbandsleiter Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Hessen
- Benz, Peter, Oberbürgermeister Stadt Darmstadt
- Bonneß, Rüdiger, Leiter Unternehmenskontakte DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
- Borretty, Ingrid, Stadträtin für Umwelt, Verkehr und Soziales der Stadt Offenbach
- Brehl, Bernhard, Bürgermeister Hessischer Städte- und Gemeindebund/Stadt Mörfelden-Walldorf
- Diehl, Hildebrand, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Wiesbaden
- Dott, Dr. Klaus Bernhard, Mitglied des Präsidiums Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände
- Engisch, Erhard, Bürgermeister Stadt Kelsterbach
- Gaebges, Martin, Generalsekretär Barig, Board of Airline Representatives in Germany e.V.
- Güttler,...