1 Traumpaar Spiraldynamik & Yoga
Kraft und Beweglichkeit, Dynamik und Ruhe, Spannung und Entspannung, Atmung und Achtsamkeit, Herausforderung und Routine – all das umfasst Yoga, eines der ältesten und intelligentesten „Fitness-Systeme“ der Welt. Damit ist Yoga heute so aktuell wie zur Zeit seiner Entstehung vor mehr als 3000 Jahren.
Bis vor 100 Jahren gingen in unseren Breiten nahezu 100 % der Bevölkerung einer beruflichen Tätigkeit nach, die mit Bewegung verbunden war – als Bauer, Handwerker, Kutscher, Briefträger. Heute arbeiten über 80 % der Menschen in sitzender Position und verbringen einen Großteil ihres Lebens sitzend vor dem Bildschirm im Büro, zu Hause vor dem Fernseher oder unterwegs im Auto. Die Herausforderung für den Körper ist enorm: Statische Haltearbeit stresst die Muskulatur viel mehr als dynamisch-rhythmische Bewegungsarbeit. Verspannungen und Schmerzen sind programmiert. Dabei bestätigen die moderne Neurowissenschaft und die Psychologie den Wert von Bewegung und Achtsamkeit auf ganzer Linie. Bewegung ist essenziell für die Gesundheit – das Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, Übergewicht und Krebs lässt sich direkt mit regelmäßiger körperlicher Aktivität verringern. Bewegung ist essenziell für die normale Entwicklung des Kindes, für das Lernen auf allen Altersstufen und für den Erhalt der Selbstständigkeit im Alter. Achtsamkeit ist eine viel zu selten genutzte Wunderwaffe gegen Stress, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und öffnet das Tor zu Menschlichkeit und spiritueller Entwicklung. Genau hier setzt Yoga an: bei Achtsamkeit in Bewegung.
1.1 Medical Yoga – Anleitung für den Körper
Medical Yoga verbindet das jahrtausendealte Wissen der Yogis mit den Erkenntnissen der modernen Medizin. Wie wirkt eine bestimmte Asana, welche anatomischen Strukturen spricht sie konkret an? Jeder Yoga-Praktizierende beginnt den Yoga-Weg mit seinen eigenen individuellen Voraussetzungen – viele wollen raus aus der Gedankenspirale, abschalten, zu sich kommen, andere schmerzt oft der Rücken, das viele Sitzen am Schreibtisch verspannt den Nacken oder es liegt sogar eine handfeste Erkrankung des Bewegungsapparats vor. Dann stellt sich die Frage: Aus der Vielzahl der existierenden Yoga-Übungen – welche wähle ich aus? Und wie verändert sie meinen Körper? Was kombiniere ich, damit ich „mein Thema“, also z. B. Knieschmerzen oder verspannte Schultern, bearbeiten kann? Medical Yoga gibt darauf Antworten.
Aber Yoga ist ein ganzheitlicher Weg, der Schwerpunkt liegt auf der Praxis, dem Erleben. Daher bietet das medizinische Basiswissen nur den theoretischen Hintergrund für die eigene Yoga-Praxis. Es soll den Blick öffnen für neue spannende Körpererfahrungen – auch jenseits der gerade aktuellen Themen und Beschwerden.
Im Medical Yoga geht es darum, die Gesetze der Natur im eigenen Körper nachzuvollziehen und zu erleben. Wer die Prinzipien natürlicher Bewegungsabläufe kennt, bewegt sich mit der Anatomie – und nicht gegen sie. Ein Blick auf die Evolution erweitert das Wissen um die natürlichen Bewegungsabläufe und zeigt: Intelligente, also anatomisch richtige Bewegung ist uns in die Wiege gelegt – wir haben sie nur verlernt. Ein Gespür für diese archaischen Bewegungsprogramme zu entwickeln ist das Ziel. Nur so wird es Ihnen gelingen, die Essenz der Yoga-Übungen zu erfahren. Ohne Blick fürs Ganze bleiben Sie an den technischen Details der Bewegungsausführung kleben. Kurzum: Medical Yoga liefert Ihnen eine Anleitung für den Körper – und nicht tausend Anleitungen für noch mehr Übungen. Medical Yoga zeigt Ihnen, wie Sie anatomisch richtig in die Yoga-Haltung kommen oder wie Sie sich natürlich in den Yoga-Flows bewegen.
Medical Yoga verbindet jahrtausendealtes Wissen mit Spiraldynamik.
1.1.1 Spiraldynamik – intelligente Bewegungslehre
Die Spirale – auch Helix genannt – ist ein Grundbaustein des Universums: Spiralgalaxien, Wirbelwind und Wolkenwirbel, Wasserstrudel und Pflanzenwachstum, Muscheln und Geweihe – Spiralen, wohin das Auge schaut. Auch in der menschlichen Anatomie ist die Spirale das Grundprinzip: Muskelfasern, Bindegewebe, Haut – alles besteht aus einfachen oder komplexen Spiralstrukturen. Die Forschergruppe der Spiraldynamik – ein Team von Ärzten, Therapeuten, Bewegungsforschern und Yogalehrern – hat sich in den letzten 25 Jahren intensiv mit der Frage nach dem Bauplan des Menschen beschäftigt: Wie hat die Evolution den menschlichen Körper konzipiert? Und wie hat sich das Spiralprinzip in den verschiedenen Gelenken und Muskeln manifestiert? Dieses Wissen lässt sich in der Yoga-Praxis nutzen: als anatomische Gebrauchsanweisung für präzise Haltung und Bewegungsausführung.
Beispiel Standfestigkeit: Damit der Fuß beim Stehen nicht nach außen kippt, müssen Sie die Großzehe gut am Boden verankern. Hierfür ist ein ganz bestimmter Muskel zuständig, der lange Wadenbeinmuskel: Er zieht spiralig um die Sprunggelenkaußenseite über die Fußsohle zur Großzehe – so entsteht das gesunde Fußlängsgewölbe. Die Spirale setzt sich nach oben hin fort: Indem Sie in der Tiefe der Gesäßmuskulatur den Hüftaußenroller aktivieren, dreht der Oberschenkel tendenziell nach außen, während der Unterschenkel nach innen rotiert. Spiralprinzip pur!
In der Evolution haben sich bestimmte Lebens-, Bewegungs- und Strukturprinzipien durchgesetzt. Dabei hat es die Natur meisterhaft vollbracht, Fortbewegungsmuster und Körperbau in Übereinstimmung zu bringen. Fische beispielsweise bewegen ihre Wirbelsäule nach rechts und links und erzeugen so mithilfe ihrer Schwanzflosse den nötigen Vorwärtsschub. Pferde beugen und strecken ihren Rücken, wenn sie galoppieren. Menschenaffen trotten im Passgang, und wir Menschen tragen die bahnbrechende Innovation einer dreidimensionalen spiraligen Drehfähigkeit in unserer Wirbelsäule. Ein weiterer Clou: Durch den aufrechten Gang haben wir die Hände frei und können sie gewinnbringend einsetzen. All das spiegelt sich in den Asanas wider: Beugung und Streckung, Seitneigung, Drehung und Stützhaltungen. Diese anatomische Ordnung – Spiralprinzip, Evolution und Fortbewegung – stellt eine verbindliche Grundlage menschlicher Bewegung dar. Es ist genau wie in der Musik: Das Instrument muss gestimmt sein, bevor Sie darauf spielen. Wenn Sie Hatha-Yoga praktizieren, spielen Sie persönliche Bewegungs- und Übungsmelodien auf dem Instrument Ihres Körpers. Die Gesetze, nach denen Sie das Instrument stimmen, sind so alt wie der aufrechte Gang. Es gilt, sie wiederzuentdecken.
1.1.2 Dem Neugeborenen abgeschaut
Das Französische hat einen treffenden Ausdruck: „marche archaique“ – was so viel bedeutet wie „archaisches Schreiten“. Gemeint ist das Reflexschreiten der Neugeborenen: Nimmt der Kinderarzt ein Neugeborenes in beide Hände und stellt es aufrecht auf seine Beinchen, marschiert der kleine Erdenbürger automatisch los. Dieses genetisch vererbte Bewegungsprogramm ist tief im Innern des Gehirns, im Hirnstamm, abgespeichert. Säuglinge sind sozusagen die geborenen Experten, an ihrem Beispiel können wir beobachten, wie die Evolution über Jahrmillionen hinweg den optimalen Bewegungsablauf erprobt hat. Wenn das Neugeborene „losmarschiert“, zeigen die Zehen nach unten, zum Boden, während die meisten Erwachsen die Zehen beim Gehen aus unerfindlichen Gründen permanent nach oben in den Himmel strecken und sich dann wundern, warum die Schuhe ausbeulen und die Zehen Krallenform annehmen. Neugeborene bewegen sich „nach Programm“: Sie nutzen den Abstoßimpuls im Vorfuß, verschrauben ihre Füße spiralig, spannen die Wirbelsäule in die Länge und ziehen die Schultern in die Breite, greifen mit der ganzen Hand statt nur mit den Fingern usw. Im Medical Yoga geht es darum, an diese archaische Bewegungsintelligenz der Natur anzudocken, damit die Bewegungen mit den anatomischen Strukturen, also Gelenken, Bändern, Muskeln, übereinstimmen. Das ist wie bei einem Computer: Hardware und Software müssen zueinander passen, sonst läuft das System nicht fehlerfrei.
Yoga:
Definition: ganzheitliches geistig-körperliches Übungsprogramm aus Indien
Begriff: „Yoga“ ist Sanskrit und bedeutet „Vereinigung“ oder „Integration“.
Ziel: Yoga verbessert die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit und bietet Zugang zu den spirituellen Dimensionen des Lebens.
Spiraldynamik:
Definition: modernes, ganzheitliches anatomisch-funktionelles Bewegungs- und Therapiekonzept
Begriff: „Spiraldynamik“ setzt sich zusammen aus „Spirale“ (Spiralprinzip in der Natur) und „Dynamik“ (Wissenschaft von der Bewegung).
Ziel: Spiraldynamik ist ein Konzept für anatomisch richtige Bewegung, eine Art Gebrauchsanweisung von Kopf bis Fuß – im Alltag wie im Yoga.
1.2 Des Glückes Schmied
Glück und Gesundheit sind das erklärte Ziel der meisten Menschen – heute mehr denn je. Glück und...