Rufen Sie Juchhu!
1. FEBRUAR
Ich schlüpfte in meinen Fallschirmspringeranzug und ging zum Flugzeug. Erneut hatte ich mich zum Absprung gerüstet. Meine Hände waren bereits feucht, und ich spürte das Zittern in meinen Lippen. Warum nur tat ich mir das alles immer wieder an?
In der Maschine begann ich meine routinemäßigen Vorbereitungen. Ich brauche das nicht zu tun, sagte ich mir. Ich springe freiwillig ab, niemand zwingt mich dazu. Da ich mir vor den anderen, erfahreneren Fallschirmspringern keine Blöße geben wollte, überspielte ich meine Angst durch nervöse Bewegungen. Ich fummelte am Höhenmesser und am Riemen meines Helmes herum.
Ich wollte meinem Trainer mitteilen, dass ich wegen eines Herzanfalls nicht springen könne, wusste aber, dass er mir nicht glauben würde. Meine Angst steigerte sich zu einer Panik, die ich nicht mehr im Griff hatte.
Ein Freund, der mir gegenübersaß, beobachtete mich. »Wie fühlst du dich, Mel?«, fragte er.
»Mir ist mulmig«, antwortete ich.
»Rufst du Juchhu!?«, fragte er.
»Was meinst du?«, fragte ich zurück.
»Wenn du zur Tür kommst und abspringst, rufst du Juchhu!, dann wirst du keinerlei Probleme haben.«
Ich ging zur Tür, lehnte mich nach vorn und wartete auf das Nicken meines Trainers, das mir zu verstehen gab, dass er bereit war für das Startkommando.
»Auf die Plätze«, sagte ich. »Fertig.« Dann schrie ich aus Leibeskräften »JUCHHU!« – so laut, dass die Fallschirmspringer im hinteren Teil des Flugzeuges mich hörten.
Mein Trainer sprang mir nach und brachte sich mir gegenüber in Stellung. Ich schaute ihn an und grinste, grinste noch mehr. Deshalb also tue ich das, dachte ich. Weil es so viel Spaß macht.
Es war der beste Sprung meines Lebens.
Wir springen ins Unbekannte – zum Beispiel, wenn wir ein Kind bekommen oder eine neue Arbeit beginnen.
Manchmal jedoch entscheiden wir uns nicht für eine bestimmte Erfahrung. Ich erinnere mich, wie ich nach Shanes Tod auf der Bettkante im Krankenhaus saß und wusste, dass die Reise, auf die ich mich nun begab, keinesfalls berauschend sein würde. Gott, ich will das nicht durchmachen, dachte ich. Es wird nicht nur drei Monate oder ein Jahr dauern. Damit werde ich für den Rest meines Lebens zurechtkommen müssen. Und ich erinnere mich auch, wie ich nach der Scheidung vom Vater meiner Kinder auf dem Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude stand. Ich holte tief Luft, fühlte mich erleichtert und frei. Der nächste Atemzug aber erfüllte mich mit Angst und Schrecken. Mein Gott, ich war jetzt eine schwache allein erziehende Mutter mit zwei Kindern.
Manchmal springen wir freiwillig aus der Tür, dann wieder werden wir hinausgestoßen.
Empfinden Sie Ihre Angst, und lassen Sie sie dann los. Sie bezeugt nur unsere Voreingenommenheit gegenüber der Zukunft. Nachdem wir alle Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten in Betracht gezogen haben, beschließen wir im Voraus, dass uns das Schlimmste widerfahren wird. Befreien Sie sich also von dieser panischen Angst.
Seien Sie unruhig, nervös, wenn Sie nicht anders können. Fragen Sie sich, was Sie hier eigentlich tun. Gehen Sie dann zur Tür und geben Sie das Startkommando. Entdecken Sie, wie vergnüglich es sein kann, ins Unbekannte zu springen und die Hochstimmung zu empfinden, die aus intensiver Lebendigkeit resultiert.
Hilf mir, Gott, tief durchzuatmen und Juchhu! zu schreien.
Lassen Sie unbegründete Ängste los
2. FEBRUAR
Wir hatten diesen Tag seit einem Monat geplant. Jetzt war es endlich so weit. Mein Freund und ich wollten in einem Kajak aufs Meer hinaus fahren – beide zum ersten Mal.
Wir hatten den Kajak und die Schwimmwesten besorgt. Mein Freund holte mich ab, bereit zum Aufbruch. Er trug einen Hut, ein Hawaiihemd und Sandalen. Die Sonne schien und der Wellengang war schwach genug, um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
Wir streiften die Schwimmwesten über. Der Lehrer zeigte uns, wie man Kajak fährt. Zuerst war ich an der Reihe. Ich hatte Angst, aber nicht allzu sehr. Ich wusste, dass wir, falls wir umkippten, einfach auf dem Wasser treiben würden.
Ich sprang ins Boot. Der Lehrer schob es hinaus, bevor eine große Welle nahte, und sprang ebenfalls hinein. Wir paddelten wie verrückt. Als die Welle kam, schrie ich »Ah!« und hob das Paddel hoch über den Kopf – so, wie der Lehrer es mir nahegelegt hatte. Wir durchquerten drei weitere solche Wellen. Sie türmten sich auf und ich erschrak jedesmal. Aber wir passierten sie und gelangten dann an eine ruhigere Stelle. So bewegten wir uns eine Weile übers Wasser. Schließlich war es Zeit, zum Strand zurückzukehren, damit mein Freund ebenfalls unterwiesen werden konnte. Ich war aufgeregt. Noch ein wenig mehr Training und dann würden wir zu zweit in See stechen können.
Ich stieg aus dem Kajak. Der Lehrer hielt ihn fest, so dass mein Freund einsteigen konnte. Genau in diesem Augenblick kam die Welle. Er wurde nervös, zitterte und schrie. Das Boot kippte um und er fiel hinaus.
Er zappelte in der Brandung. Das Boot trieb auf seinen Kopf zu. Er schrie noch lauter.
»Es ist doch nur ein Stück Plastik«, sagte ich ruhig. »Du musst es nur wegstoßen.«
»Ich ertrinke«, stieß er hervor, den Mund voll Wasser.
»Nein, du ertrinkst nicht«, beschwichtigte ich ihn. »Du bist immer noch am Ufer. Durch das Schreien hast du Wasser geschluckt. Du brauchst dich nur aufzusetzen.«
Er tat es. Der Lehrer sagte höflich, dass die Wellen jetzt doch ein wenig zu hoch seien und dass er deshalb meinen Freund heute nicht weiter unterrichten könne. Dann verabschiedete er sich. In aller Ruhe räumten mein Freund und ich den Kajak weg.
Manchmal bedeutet Juchhu! zu rufen, dass wir uns mit den eigenen Ängsten auseinandersetzen. Angst kann etwas Positives sein, indem sie uns auf Gefahren hinweist und beschützt. Manchmal jedoch ist sie größer als das Leben und größer als notwendig.
Viele von uns leiden unter Panikattacken. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Aber oft können wir uns dadurch beruhigen, dass wir die Dinge wenigstens ein bisschen realistisch sehen. Vielleicht ertrinken wir ja gar nicht. Vielleicht müssen wir uns nur aufsetzen, um unser Leben zu retten.
Machen Sie sich klar, dass Ihre Ängste unrealistisch sind und es keinen Grund für übertriebene Sorgen gibt. Statt um Hilfe zu schreien und völlig aus der Fassung zu geraten, sollten Sie sich selbst zur Ruhe bringen.
Gott, hilf mir, dass ich unbegründete Ängste loslasse, die mich daran hindern, mein Leben zu leben.
Setzen Sie sich mit Ihrer Panik und Ihren Sorgen auseinander
3. FEBRUAR
An jenen Tag kann ich mich noch gut erinnern. Es war kurz nach meiner Scheidung. Ich war eine allein erziehende Mutter ohne Geld und mit zwei kleinen Kindern. Plötzlich, aus heiterem Himmel, überkam es mich: Ich konnte nicht mehr atmen. Meine Brust schmerzte. Mein Herz tat weh. Ich war völlig machtlos dagegen und geriet in Panik. Je größer meine Panik wurde, desto schlechter ging es mir.
Ich wählte die Nummer des Notrufs. Der Krankenwagen kam. Sie verabreichten mir Sauerstoff und forderten mich behutsam auf, unbesorgt zu sein; es handele sich lediglich um eine Panikattacke. Vor langer Zeit hatte ich schon einmal eine solche Attacke erlebt. Unmittelbar nach meiner Heirat mit dem Vater meiner Kinder hatte ich vor lauter Angst einfach zugemacht. Ich bekam keine Luft mehr, war aufgrund meiner Angst unfähig zu sprechen.
Viele Menschen erleiden Panik- und Angstattacken – möglicherweise auch Sie. Vielleicht ist Ihnen das bisher nur ein- oder zweimal passiert, vielleicht auch sind Sie immer wieder davon betroffen. Die meisten Menschen, die ich kenne, haben jedenfalls Erfahrung mit der Angst.
Im Folgenden gebe ich Ihnen einige kleine Fingerzeige, die mir geholfen haben, mit meinen Attacken fertig zu werden.
- Atmen Sie tief durch. Sobald Sie panisch werden, kommt der Atem in flachen, seltsamen Stößen. Indem Sie bewusst langsam und ruhig atmen, können Sie Ihre Panik reduzieren. Atmen Sie dagegen schnell, verstärken Sie sie nur; dann versetzen Sie Ihren Körper in die höchste Alarmstufe. Wenn Sie so atmen, als wären Sie entspannt, wird der Körper sich allmählich beruhigen.
- Reagieren Sie auf Ihre Panik nicht mit noch mehr Angst. Manchmal verdoppeln wir unser Leid, indem wir auf die anfängliche Reaktion noch eine emotionale Reaktion folgen lassen. Das heißt: Wir bekommen noch mehr Angst, weil wir Angst empfinden. Empfinden Sie nur das ursprüngliche Gefühl, ohne noch zusätzlich auf Ihre Reaktion zu reagieren.
- Anstatt sich auf die Angst zu konzentrieren, sollten Sie sich Ihre Angst einfach nur bewusst machen und dann gezielt etwas tun, das Sie beruhigt. Sie werden das nicht wollen. Die Panik wird Ihnen nahelegen, etwas zu unternehmen, das sie noch vergrößert. Versuchen Sie trotzdem, sich zu besänftigen, auch wenn Ihnen das unvorstellbar erscheint; lesen Sie beispielsweise eine Meditation, lauschen Sie einer...