2. Was man hat, gerne hätte und sonst
noch so brauchen kann
Die Einrichtung eines eigenen Studios scheitert bei den meisten zunächst an der finanziellen Seite. Das mag aber zum Teil auch daran liegen, dass die Vorstellung von dem, was ein Einsteigerstudio ausmacht, doch häufig sehr undefiniert ist. Klar - ohne Moneten lässt sich kaum etwas bewegen, und du musst dir auch darüber im Klaren sein, dass die ernsthaftere Beschäftigung mit der Tonstudiomaterie quasi ein Fass ohne Boden ist. Die Anfangsinvestitionen sind nicht ohne und danach hört das Geldausgeben mit Sicherheit nicht auf, wenn man auf der Höhe der Zeit bleiben und sich auch weiterentwickeln möchte.
Mit dem Wort „Tonstudio“ verbindet man auch heute noch die Vorstellung von riesigen Mixerkonsolen, diversen Aufnahmeräumen, Schränke voller Mikrofone und einer Handvoll Leute, die das Ganze dann bewirtschaften. Sicher, so oder ähnlich trifft das ja auch auf die Branchenriesen zu. Allerdings ist es wohl kaum drin, als Neueinsteiger so etwas aus dem Boden zu stampfen. Ein Projektstudio, wie es vielleicht eher dein Ziel ist, sieht demzufolge auch gänzlich anders aus. Und eigentlich müsste man „Hurra“ schreien, denn wir leben in einer Zeit, in der es mit relativ wenig Aufwand möglich ist, eine studiotaugliche Basisausstattung einzurichten, und das sogar, ohne in größere monetäre Konflikte mit der Haushaltskasse zu geraten.
Dreh- und Angelpunkt in dieser Frühphase ist, dass du dir klarmachen musst, in welchem Studiobereich du dich hauptsächlich siehst, wofür du das Ganze eigentlich tust und was deine kurzbis langfristigen Ziele sind. Wenn du Alleinbestreiter des Unternehmens werden möchtest, musst du auch für alle Arbeitsgänge fit sein (materiell wie arbeitstechnisch). Das heißt, du bist dann sozusagen Aufnahmeleiter, Produzent, Mischassistent und Strippenzieher in einer Person.
Was die einzelnen Arbeitsgänge angeht, so gibt es auch hier natürlich diverse Möglichkeiten. Möchtest du nur Material mischen, was schon anderweitig aufgenommen wurde (beispielsweise in Richtung Remix)? Willst du auch im Aufnahmebereich tätig werden und Gesangsaufnahmen machen oder aber ganze Bands simultan verewigen? Oder vielleicht möchtest du eher rein elektronische Musik mit Synthesizertechnik produzieren? Eventuell soll es ja auch von allem ein bisschen sein. Auf jeden Fall bestimmt dein Ziel maßgeblich den Aufwand in Bezug auf Räumlichkeit und technische Einrichtung. Deshalb sollen nachfolgend für beide Seiten einmal die wichtigsten Notwendigkeiten genannt werden - abgestuft nach möglichen Zielen des Projektstudios.
2.1. Räumlichkeiten
Der Neueinsteiger in die Studiomaterie wird in den seltensten Fällen gleich ein Grundstück kaufen, um darauf seinen Soundtempel zu errichten. Eher spielen sich die ersten Gehversuche nur allzu oft in den eigenen vier Wänden ab. Das heißt, dein spießiges Arbeitszimmer wird plötzlich zum „Production Room“ oder du richtest fernab der Familie in deinem Keller einen Studiobereich ein, insofern es deine bessere Hälfte gestattet und auf die eigentlich geplante Sauna verzichtet.
Wir gehen im Moment mal von einem einzigen Raum aus, in welchem sich das gesamte Geschehen abspielen soll. Egal, ob nun nur gemixt werden soll oder auch eine aufwändige Mikrofonierung ihren Platz finden muss - du brauchst auf jeden Fall einen Raum, der einige grundlegende Eigenschaften aufweisen muss:
- ausgewogene Raumakustik
- ausreichende Schalldämmung
- Bequemlichkeit
Kümmern wir uns zunächst um die Raumakustik. Für ein relativ neutrales Klangbild beim Abhören ist ein Raum ohne zu viele Verfälschungen notwendig. So einen Raum wirst du allerdings im normalen Wohnbereich kaum finden. Zumeist sind die Räume rechteckig angelegt, das heißt, die Wände stehen parallel zueinander. Die Folge daraus kennt jeder, der sich schon mal beim Umzug oder beim Renovieren in einem leeren Raum Applaus gespendet hat: Der Schall wird zwischen den Wänden hin- und hergeworfen, was man auch als Flatterecho bezeichnet und im Studio auf keinen Fall brauchen kann. Abhilfe schafft hier meist schon eine geschickte Anordnung der Einrichtungsgegenstände, die dem Schall den direkten Weg von Wand zu Wand verbauen. Da reicht oft bereits einfaches Probieren verschiedener Anordnungen. Materialien aus Stoff fangen ebenfalls einen Teil des Schalls ein. Mit einem Perserteppich kannst du zwar deine Studiogäste beeindrucken, aber ein normaler Flausch bringt es auch und Gardinen am Fenster tun ihr Übriges. Es muss auch nicht unbedingt die legendäre Eierpappe herhalten, obwohl die Ergebnisse in Bezug auf die Echos damit durchaus brauchbar sind. Allerdings büßt du meist im mittleren bis hohen Bereich auch Klangpräsenz ein. Die professionelle Bekämpfung der Raumreflexionen geschieht meist mit Diffusoren, die den Schall in unterschiedliche Richtungen streuen. Wenn du Geld im Überfluss hast, kannst du natürlich auch dazu greifen, aber erschrecke nicht vor den aufgerufenen Preisen.
Ein zweites akustisches Problem sind sogenannte stehende Wellen, die es im Grunde in jedem Raum gibt. Diese Raumresonanzen, die durch Länge, Breite und Höhe des Raumes vorgegeben sind, liefern uns eine Überbetonung bestimmter Einzelfrequenzen, was sowohl beim Abhören als auch beim Aufnehmen einfach nur nervig ist und ein professionelles Arbeiten eigentlich unmöglich macht. Die Lösung hierfür sind Absorber, die die Schallenergie zum Teil in sich aufnehmen. Einerseits können dies die schon oben beschriebenen Teppiche oder auch größere Vorhänge leisten. Gepolsterte Sitzmöbel (vor allem in Sofa-Dimension) funktionieren ebenso gut. Man kann natürlich auch spezielle Absorber einsetzen, die auf die Raumdimensionen abgestimmt sind. Solche Absorber gibt es sowohl als regalartige Module als auch für die Studioecken, wo sie besonders den Bassbereich bereinigen. Billiger geht es, wenn du ein wenig handwerklich begabt bist. Im Internet kursieren diverse Bauanleitungen für wirklich professionelle Absorber, die man aus ein bisschen Holz, Mineralwolle und Stoffbespannung selbst herstellen kann. Auch für die Bass-Fallen in den Ecken gibt es einen beliebten Trick unter den Studioleuten, die in eher kleineren Studios produzieren: Hole dir einfach aus dem Baumarkt einige große Kunststoffeimer (so im Bereich um 50 Liter), fülle diese mit Mineralwolle und spanne einen nicht zu dichten Stoff darüber - fertig sind deine Eckabsorber, die du nur noch in den Studioecken aufstellen musst.
Bei all diesen Maßnahmen solltest du aber im Auge behalten, dass auch hier zu viel des Guten eher Schlechtes bewirkt. So kannst du einen Raum ganz fix schalltot machen und nimmst ihm dabei jeden eigenen Charakter. Das macht sich besonders bei Mikrofon-Aufnahmen bemerkbar, denen so quasi jegliche Rauminformation fehlt, welche du dann wiederum komplett künstlich hinzufügen musst. Überhaupt gilt, dass ein Raum nicht klinisch rein, sondern einfach nur gut klingen muss. Alles andere muss man im Nachhinein nur wieder mühselig ausbügeln.
Einige der beschriebenen Maßnahmen kannst du auch deshalb in Grenzen halten, weil im kleineren Studio wahrscheinlich mit Nahfeldmonitoren gearbeitet werden soll. Bei richtiger Aufstellung reduziert sich beim Abhörprozess automatisch der eventuell negative Raumeinfluss [siehe Kapitel 6]. Auch für Mikro-Aufnahmen musst du nicht gleich das komplette oben beschriebene Programm abarbeiten. Probiere doch erst einmal, wie dein Raum eigentlich auf einer Aufnahme klingt. Hierzu solltest du allerdings ausnahmsweise mal mit Kopfhörern kontrollieren, da sich ansonsten der Raumcharakter der Aufnahme mit dem der Wiedergabe überlagert. Falls Handlungsbedarf besteht, dann teste doch mal (falls vorhanden) verschiedene Mikrofone mit unterschiedlichem Charakter [siehe Kapitel 4]. Das wirkt manchmal schon Wunder. Weiterhin kannst du versuchen, den Raumeinfluss auf deine Mikrofonposition zu reduzieren. Zwar gibt es im Handel dafür halbkreisförmige Absorber (Mic-Screens), die man hinter das Mikro stellt, aber ich bin davon nur teilweise begeistert, da meiner Meinung nach der Frequenzgang der Aufnahme leidet und die Aufnahmen verwaschener klingen im Vergleich zu den Aufnahmen ohne Absorber. Bei manchen Modellen kombiniert mit ungünstiger Aufstellung (Mikro zu weit innerhalb des Schirms) kann der Sound regelrecht verfälscht werden! Einfacher geht es, wenn du nur mal mit der Position des Mikros experimentierst und dich nicht gerade in eine basslastige Ecke stellst.
Ohne jetzt meine eigenen Ausführungen zur Notwendigkeit einer guten Raumakustik in Frage stellen zu wollen, muss ich noch folgendes bemerken: Es gibt durchaus professionelle und auch auf Tonträger erschienene Aufnahmen, die in keinerlei Studio gemacht wurden. So werden manchmal bewusst Wohnräume, Garagen, Badezimmer oder Treppenhäuser genutzt, um der Aufnahme einen eigenen Charakter zu geben. Weiterhin sind mir Beispiele bekannt, wo Bands auf ihrer Tour quasi nebenbei ein neues Album produzieren wollten und die Aufnahmen dazu im Hotelzimmer durchgezogen haben.
Kommen wir zum Bereich der...