TYPISCHE HUNDEPROBLEME UND MÖGLICHE LÖSUNGEN
Mein Hund kommt nicht, wenn ich ihn rufe!
Für viele Hundehalter ist der sichere und zuverlässige Rückruf des Hundes eine der wichtigsten Übungen im Alltag. Das wiederum macht Sinn, denn lässt sich der Hund jederzeit von allen Dingen und aus allen Tätigkeiten heraus abrufen, schrumpft eine Vielzahl anderer Probleme automatisch. Ein Hund, der körperlich und geistig beim Besitzer ist, kann gleichzeitig schlecht andere Menschen anspringen, Wild hetzen oder Hunde anbellen.
Aus Hundesicht ist diese Übung allerdings eine der schwersten. Ein Hund möchte in vielen Situationen nicht beim eigenen Menschen sein, sondern andere lustige Dinge tun. Es gibt in der Umwelt viel zu entdecken und zu erleben, was dem Hund einfach Spaß bringt, und daher entsteht eine gewisse Konkurrenzsituation: Mensch oder Umwelt?
Wofür sich Hunde freiwillig entscheiden, lässt sich bei vielen an unterschiedlichen Reizen hervorragend trainieren. Trotzdem möchte ich davor warnen zu glauben, dass Rückruftraining allein bei jedem Hund in jeder Situation zu einem hundertprozentigen Erfolg führen wird. Ein echter Jagdhund wird für die Aussicht auf ein Leckerli kein kreuzendes Reh stehen lassen. Bei einem solchen Problem können noch viele weitere spezielle Techniken nötig sein, um insgesamt das Jagdverhalten unter eine Form der Kontrolle zu bekommen, die für alle Beteiligten ausreichend ist. Trotzdem sind folgende Übungen für Hund und Mensch sehr nützlich, da sie eine solide Basis auch für weitere Trainingsschritte schaffen und die Bindung zwischen Hund und Mensch vertiefen.
Solange Sie mit Ihrem Hund noch keinen zuverlässigen Rückruf trainiert haben, gilt immer das Gebot, den Hund abzusichern! Sie werden Ihres Lebens nicht mehr froh, wenn Ihr Hund auf die Straße läuft und er selbst oder andere Verkehrsteilnehmer zu ernsthaftem Schaden kommen! Ihr Hund darf zu keiner Zeit irgendjemanden gefährden, weil er im Freilauf noch nicht optimal trainiert ist. Zum Absichern hat sich eine Kombination aus einem gut sitzenden Brustgeschirr und einer mindestens zehn Meter langen Schleppleine bewährt. So haben Sie im schlimmsten Fall immer noch Ihren Anker am Hund.
Gern arbeite ich mit zehn Meter langen Leinen, da diese Länge meist ein guter Kompromiss für Hund und Mensch ist. Sie ist für den Menschen noch relativ problemlos zu benutzen, und der Hund hat zumindest etwas mehr Spielraum als an einer kurzen Führleine. Material und Beschaffenheit sind individuell zu wählen: rutschfest, Wasser abweisend, leicht zu reinigen, leichter oder schwerer, eben ganz so, wie Sie es mögen.
AUFMERKSAMKEITSSIGNAL
Das Aufmerksamkeitssignal ist der erste Baustein im Rückruftraining. Es soll dem Hund sagen: „Orientier dich an mir (und schau, ob ich etwas von dir möchte)!“ Viele Trainer und Hundehalter verbinden dieses Umorientieren ganz einfach mit dem Namen des Hundes, aber es ist durchaus möglich, ein eigenes Signal, zum Beispiel „Schau“, dafür einzuführen.
Im ersten Schritt wird Käthes Blick mithilfe von Futter in Richtung von Frauchens Gesicht gelockt.
Basisübung 1 – Blickkontakt
Schritt 1: Erste Idee entlocken
Machen Sie Ihren Hund heiß auf ein Leckerchen, indem Sie es über den Boden ziehen oder vor der Hundeschnauze damit wedeln. Ist der Hund aufmerksam, führen Sie die Futterhand in Richtung Ihres Gesichtes, am besten direkt neben Ihre Augen. Folgt der Hund dem Leckerchen mit seinem Blick und schaut zu Ihnen hoch, und zwar möglichst, ohne Sie anzuspringen, markieren Sie mit dem Clicker oder dem Markerwort, und geben Sie dem Hund das Leckerchen. Idealerweise führen Sie es von oben nach unten entlang Ihrer senkrechten Körpermitte direkt zur Hundeschnauze. Diesen Trainingsschritt brauchen Sie in der Regel nicht sehr häufig zu wiederholen. Klappt er ein paarmal, geht es direkt mit Schritt 2 weiter.
Schritt 2: Indirektes Locken
Machen Sie Ihren Hund auf ein Leckerchen in Ihrer Hand aufmerksam, genau wie in Schritt 1. Ist der Hund aufmerksam, ziehen Sie die Leckerli-Hand hinter Ihren Rücken, sodass das Leckerchen für den Hund nicht mehr sichtbar ist. Versucht Ihr Hund nun, ebenfalls hinter Ihren Rücken zu gelangen, drehen Sie sich immer wieder mit Ihrer Front zum Hund hin. Sobald der Hund in Richtung Ihres Gesichtes schaut, dürfen Sie unverzüglich markieren und ausgiebig belohnen. Füttern Sie auch hier immer von oben nach unten aus Ihrer senkrechten Mitte heraus (dafür nehmen Sie die Futterhand nach dem Click vor den Körper) und freuen Sie sich über die gelungene Übung! Idealerweise wird Ihr Hund schon nach wenigen Versuchen schnell den Blickkontakt zu Ihnen suchen. Wenn dieses Ziel erreicht ist, dürfen Sie direkt mit Schritt 3 weitermachen. Wenn Ihr Hund auch nach mehreren Wiederholungen nicht sofort zu Ihnen hochschaut, sondern immer wieder hinter Ihren Rücken läuft, verteilen Sie das Training auf einige kurze Trainingseinheiten, bis es klappt.
Im zweiten Schritt muss Käthe ohne Futter auf die Idee kommen, Frauchen ins Gesicht zu schauen.
Im letzten Schritt wird erst markiert, wenn Käthe sich selbstständig vom Futter abwendet und Frauchen ansieht. (Fotos: Karoline Schröder)
Schritt 3: Vom Leckerchen wegarbeiten
Zuerst machen wir den Hund wieder aufs Leckerli in der Hand heiß. Sobald er aufmerksam ist, geben wir unser Signal und nehmen den Arm hoch. Nun führen wir den Arm aber nicht hinter den Rücken, sondern halten die Futterhand seitlich weg vom Körper, sodass der Hund nicht herankommt. Er könnte auch hier zuerst versuchen, auf direktem Wege an die Futterhand zu gelangen, aber erst in dem Moment, in dem er sich vom Futter abwendet und in Ihr Gesicht schaut, wird wieder markiert und aus der Mitte heraus mit dem Futter und zusätzlich mit der Stimme belohnt.
Info:
Signal einführen
Bei jedem einzelnen Trainingsschritt lässt sich das neue Wortsignal hervorragend einbauen. Sie üben den jeweiligen Schritt so lange, bis Sie wissen, dass der Hund sehr zuverlässig und schnell Blickkontakt zu Ihnen aufnimmt. Von da an sollten Sie Ihr Signal jedes Mal direkt vor dem Blickkontakt geben. In Schritt 1: kurz bevor Sie Ihre Hand zum Gesicht führen. In Schritt 2: kurz nachdem Sie die Hand hinter Ihren Rücken gehalten haben. In Schritt 3: kurz nachdem Sie Ihre Hand seitlich ausgestreckt haben.
Zum Generalisieren dieser Übung sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Nehmen Sie spannende Dinge in die Hand als Ablenkung oder üben Sie an immer aufregenderen Orten, bis Ihr Hund schrittweise seinen Blick auf Ihr Signal hin aktiv von einem spannenden Geschehen abwendet und Sie ihn dafür fürstlich belohnen können.
Auch als „Bingo“-Variante lässt sich die Übung hervorragend trainieren: Legen Sie sichtbar für den Hund ein Leckerli unter Ihren Fuß und warten Sie, bis der Hund auf die Idee kommt, sich an Ihrem Gesicht zu orientieren. Genau in diesem Moment geben Sie mit dem Marker „Bingo“ das Leckerchen unter dem Schuh frei. Kommt der Hund innerhalb mehrerer Wiederholungen zügig auf die Idee, sich an Ihnen zu orientieren (um den Keks zu bekommen), geben Sie bei dieser Variante das Signal direkt nach dem Unterlegen des Leckerlis.
Einmal auf diese Weise aufgebaut, können Sie Blickkontakt als Bedingung für vieles, was der Hund möchte, einsetzen. Ihr Hund möchte an der Lieblingsmarkierstelle schnüffeln? Kein Problem! Lassen Sie ihn kurz Blickkontakt aufnehmen, und anschließend wird er mit „Bingo“ freigegeben. Blickkontakt ist eine echte Allroundübung!
RÜCKRUF TRAINIEREN
Sobald Ihr Hund ein Aufmerksamkeitssignal gelernt hat, geht es direkt mit dem Rückruftraining los. Ist das alte Rückrufsignal Ihres Hundes zu stark verbraucht und falsch belegt, erfinden Sie lieber ein neues. Solange das neue Kommando noch nicht gut trainiert ist, gestalten Sie Ihren Alltag wie bisher: im abgesicherten Modus (Schleppleine) und mit dem alten Kommando.
Je intensiver Sie das neue Signal in kleinen Trainingsphasen aufgebaut haben, desto öfter und länger können Sie es in Ihren Alltag einbauen – immer unter der Prämisse, dass der Hund eine Chance hat, die Anforderungen zu bewältigen. Zuerst wird das neue Kommando zum Beispiel nicht beim Abrufen aus dem Freispiel benutzt, sondern in „langweiligen“ Situationen eingeführt, in denen der Hund sowieso gern von Ihnen bespaßt werden möchte. Der Hund sollte in allen Trainingsphasen möglichst keine Fehler machen können. Oberste Priorität hat damit eine vorerst ablenkungsarme Umgebung, also zum Beispiel Ihr Wohnzimmer oder der Garten. Steigern Sie die Anforderungen nur langsam.
Rückruf in kleinen Schritten neu trainiert
Schritt 1: Erste Idee entlocken
Bringen Sie Ihren Hund in Arbeitslaune. Zeigen Sie ihm ruhig, dass er sich ein Leckerli oder ein Spielzeug verdienen könnte, und reden Sie fröhlich mit ihm. Geben Sie Ihr neues Signalwort. Anschließend laufen Sie rückwärts von Ihrem Hund weg, sodass er freudig hinter Ihnen herläuft. Markern Sie die ersten Schritte in Ihre Richtung, auch...