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E-Book

Mein Leben

Autobiographie

AutorRichard Wagner
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl1270 Seiten
ISBN9783744882583
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Richard Wagner beschreibt in seiner Autobiographie »Mein Leben« die Zeit von seiner Geburt 1813 bis zum Jahr 1868. Wagner lebte bis 1883. Die Autobiographie zeigt einen schwierigen Aufstieg unter widrigen Bedingungen. Sein Vater verstarb sehr früh. Verschiedene Verwandte übernahmen die Erziehung. Wagner wechselte in seinem Leben sehr häufig den Wohnort. Einige Male nahm er in anderen Städten berufliche Chancen wahr, mitunter war auch auf der Flucht vor seinen Gläubigern. Sein bewegtes Leben führte ihn unter anderem nach Leipzig, Dresden, Riga, Paris, Bayreuth, Zürich, und Tribschen bei Luzern. Hinzu kamen zahlreiche mehrwöchige und mehrmonatige Auslandsaufenthalte, deren inspirierende Kraft Richard Wagner zur Vollendung seiner Kompositionen nutzte. Wagners unterhaltsame Autobiographie »Mein Leben« zeigt einen Menschen, der trotz zahlreicher Rückschläge stets weiter komponierte, mutig neue Chancen wahrnahm und schließlich mit dem ganz großen Durchbruch belohnt wurde.

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Leseprobe

Zweiter Teil - 1842–1850


Die Reise von Paris nach Dresden dauerte damals noch fünf Tage mit den dazwischenliegenden Nächten. An der deutschen Grenze bei Forbach gerieten wir in Schnee und rauhes Wetter, was uns nach dem bereits genossenen Pariser Frühling sehr unfreundlich anwehte. Wirklich wollte uns beim Weiterfahren durch die wiedergewonnene deutsche Heimat vieles gar nicht recht anmuten, und mir fiel ein, daß die französischen Reisenden, welche, wenn sie aus Deutschland zurückkehrten, beim Betreten des französischen Bodens leichter atmend sich die Röcke aufknöpften, als ob sie nun aus dem Winter in den Sommer kämen, doch nicht so ganz unrecht gehabt hätten, da wir im Gegenteil jetzt genötigt waren, uns mit künstlichster Benützung unsrer Kleidungsmittel gegen einen empfindlich auffallenden Temperaturwechsel zu schützen. Zur vollständigen Marter ward diese Ungunst der Witterung, als wir auf der Reise von Frankfurt nach Leipzig in den Strom der Meßreisenden gerieten, welche die Post um jene Zeit der Leipziger Ostermesse so stark in Anspruch nahmen, daß wir zwei Tage und eine Nacht über, bei unausgesetztem Sturm, Schnee und Regen, unaufhörlich die schlimmsten Beiwagen wechseln mußten, was diese Reise uns zu einem Abenteuer von fast ähnlicher Gattung wie unsre frühere Seereise gestaltete. Einen wirklichen Lichtblick gewährte mir die Begegnung der Wartburg, an welcher wir in der einzigen sonnenhellen Stunde dieser Reise vorbeifuhren. Der Anblick des Bergschlosses, welches sich, wenn man von Fulda herkommt, längere Zeit bereits sehr vorteilhaft darstellt, regte mich ungemein warm an. Einen seitab von ihr gelegenen ferneren Bergrücken stempelte ich sogleich zum »Hörselberg« und konstruierte mir so, in dem Tal dahinfahrend, die Szene zum dritten Akte meines »Tannhäuser«, wie ich sie seitdem als Bild in mir festhielt und später dem Pariser Dekorationsmaler Despléchin mit genauer Angabe meines Planes zur Ausführung anwies. Hatte es mich bereits sehr bedeutungsvoll gemahnt, daß ich jetzt erst, auf der Heimreise von Paris, den sagenhaften deutschen Rhein überschritt, so dünkte es mich eine weissagungsvolle Beziehung, daß ich die so geschicht- und mythenreiche Wartburg eben jetzt zum ersten Male leibhaftig vor mir sah, und war von diesem Eindruck gegen Wind und Wetter, Juden und Leipziger Messe so innig erwärmt, daß ich endlich mit meiner armen zerschlagenen und erfrorenen Frau glücklich und wohlbehalten wieder in demselben Dresden ankam (12. April 1842), von welchem ich zuletzt in so trauriger Trennung von Minna in mein nordisches Exil ausgezogen war.

 


Wir stiegen im Gasthof »Zur Stadt Gotha« ab. – Die Stadt, in welcher ich so bedeutungsvolle Kinder-und Knabenjahre verlebt, machte unter dem Eindrucke trüber, rauher Witterung einen kalten, toten Eindruck auf mich; wirklich schien mir alles, was an meine Jugend mich erinnern konnte, dort erstorben; kein gastliches Haus empfing uns; die Eltern meiner Frau trafen wir in ärmlicher, enger Wohnung und kümmerlichen Verhältnissen und mußten uns sofort nach einer kleinen Wohnung für uns selbst umsehen, welche wir denn in der Töpfergasse, für sieben Taler monatlich, fanden. – Nachdem ich wegen des »Rienzi« die nötigen Höflichkeitsbesuche gemacht und Minna für meine kurze Abwesenheit versorgt hatte, reiste ich am 15. April sofort nach Leipzig, wo ich seit sechs Jahren zum ersten Male meine Mutter und Geschwister wiedersah. In dieser für mich so verhängnisvollen Zeit hatte die Mutter durch Rosaliens Tod eine große Veränderung ihrer häuslichen Lage erfahren; sie lebte in einer freundlichen und geräumigen Wohnung nahe der Familie Brockhaus in behaglicher Sorglosigkeit ohne eigentlichen Hausstand, welchem sie früher bei starker Familie so rüstige Sorge jahrelang gewidmet hatte. Die Rührigkeit, ja Heftigkeit ihres Wesens war gänzlich der ihr eigenen Heiterkeit, mit welcher sie sich der Teilnahme an dem Gedeihen der Familien ihrer verheirateten Töchter hingab, gewichen. Das Glück eines so ruhigen und freundlichen Alters verdankte sie größtenteils der herzlich gewogenen Fürsorge ihres Schwiegersohnes Friedrich Brockhaus, welchem auch ich hierdurch zu gerührtem Dank mich verpflichtet bekannte. Sie hatte einen großen freudigen Schreck, als sie mich unvermutet ins Zimmer treten sah; jede Bitterkeit war vollkommen zwischen uns gewichen, und sie beklagte sich nur, daß sie mich nicht bei sich haben könnte, statt des verunglückten Goldschmieds, meines Bruders Julius, von dem sie gar nichts Rechtes für den Umgang habe. Sie hatte guten Glauben an den Erfolg meiner Unternehmung und fühlte sich in ihren Hoffnungen durch die letzten Voraussagungen der guten Rosalie gestärkt, mit welchen diese noch kurz vor ihrem Tode sich für mich ausgesprochen hatte.

 

Für jetzt weilte ich jedoch nur wenige Tage in Leipzig, um zunächst nach Berlin zu reisen, wo ich mit dem Grafen von Redern wegen der Aufführung des »Fliegenden Holländers« mich in ein bestimmtes Vernehmen zu setzen hatte. Wie schon angedeutet, hatte ich hier sogleich zu erfahren, daß der Graf von der Intendanz abzutreten im Begriffe stehe, und wurde daher von diesem für alle weiteren Bestimmungen an den neuen Intendanten, Herrn von Küstner, welcher aber noch nicht in Berlin eingetroffen war, gewiesen. Ich verstand nun plötzlich, was dieser seltsame Umstand zu bedeuten habe, und fand, daß ich der Berliner Angelegenheit wegen getrost hätte in Paris bleiben können. Dieser Eindruck bestätigte sich im wesentlichen auch durch meinen Besuch bei Meyerbeer; ich fand, daß ich diesem mit meiner Reise nach Berlin mich offenbar zu feurig erwiesen hatte. Immerhin zeigte er sich mir freundlich und geneigt, nur bedauerte er, soeben »auf der Abreise« begriffen zu sein – ein Zustand, in welchem ich ihn später stets antraf, sooft ich ihn in Berlin wieder besuchte. – Auch Mendelssohn hielt sich um diese Zeit in Berlin, wohin er durch den König von Preußen als einer der Generalmusikdirektoren berufen war, auf. Ich suchte ihn, dem ich mich bereits früher in Leipzig vorgestellt hatte, ebenfalls auf; von ihm erfuhr ich, daß er an ein Gedeihen seiner Wirksamkeit in Berlin nicht glaube und sich lieber wieder nach Leipzig zurückwenden möchte. Nach dem Schicksal der Partitur meiner großen, in früher Zeit schon in Leipzig aufgeführten Symphonie, welche ich ihm vor so viel Jahren einigermaßen aufdringlich zugestellt hatte, frug ich ihn nicht; wogegen auch er in keiner Weise mir verriet, daß er sich dieses sonderbaren Geschenkes erinnere. In seiner reichlichen häuslichen Umgebung machte er einen kalten Eindruck auf mich, jedoch stieß er mich weniger ab, als ich vielmehr von ihm abglitt. – Nun besuchte ich auch Rellstab, an welchen ich einen Brief von seinem treuen Verleger, meinem Schwager Brockhaus, mit mir führte. Hier traf ich weniger auf Glätte, fühlte mich aber abgestoßen, worauf es ihm gewiß auch ankam, da er keinerlei Miene machte, als könne es ihm beikommen, sich für mich zu interessieren. – Mir wurde in Berlin sehr wehe zumute; fast hätte ich mir den Commissionsrat Cerf wieder herbeigewünscht. Eine so widerwärtige Zeit ich auch vor Jahren hier verlebt hatte, so war ich damals doch auf einen Menschen gestoßen, der bei aller Schroffheit seines Äußeren mit wahrer freundschaftlicher Sorge sich mir zugewandt hatte; ich suchte vergebens mir das Berlin zurückzurufen, durch welches ich damals mit Laube, jugendlich erregt, spazierenging. Nachdem ich London und namentlich Paris kennengelernt, machte die Stadt mit ihrer dürftigen Länge, die sie für Größe ausgibt, einen wahrhaft herabstimmenden Eindruck, und ich sagte mir, wenn ich es in meinem Leben durchaus zu nichts bringen sollte, so möchte ich dies doch lieber in Paris als in Berlin erfahren.

 

Von diesem gänzlich vergeblichen Ausfluge zurückkehrend, wendete ich mich zunächst noch auf einige Tage nach Leipzig, wo ich diesmal bei meinem Schwager Hermann Brockhaus, welcher jetzt als Professor der orientalischen Sprachen der Leipziger Universität angehörte, einkehrte. Seine Familie hatte sich noch um zwei Mädchen vermehrt, und der Inbegriff des ungetrübten Behagens, verklärt durch geistige Regsamkeit und gemächlich belebte Teilnahme an allem, was auch den höheren Lebensrichtungen angehört, wirkte auf mich Heimatlosen, unruhig Umhergejagten ergreifend. Als meine Schwester eines Abends die artigen Kinder versorgt und mit freundlicher Ermahnung zur Ruhe gebracht hatte, und nun in dem geräumigen, reichlich versehenen Bibliothekzimmer das Nachtmahl uns zu langem traulichem Gespräch vereinigen sollte, brach ich in heftiges Weinen aus und schien von meiner guten Schwester, welche vor fünf Jahren in Dresden mich in der höchsten Bedrängnis meiner jugendlichen Ehe kennengelernt hatte, verstanden zu werden. Andrerseits kam, namentlich auf Anregung meines Schwagers Hermann, meine Familie mir mit dem Anerbieten eines Darlehens entgegen, welches mir die Zeit des Abwartens der Aufführung meines »Rienzi« in Dresden zu überstehen helfen sollte. Es geschah dies mit dem Beteuern, daß man dies einfach für Pflicht halte und ich gegen die Annahme keinerlei Bedenken zu hegen hätte. Es waren 200 Taler, welche mir in monatlichen Raten während eines halben Jahres ausgezahlt werden sollten. Da ich auf irgendwelche andre Einnahme in keiner Weise zu rechnen hatte, lag es zwar nah, daß für unser Auskommen an das Wirtschaftlichkeits-Talent Minnas stark berufen werden mußte; dennoch war es möglich zu machen, und ich durfte mit dem Gefühle großer Genugtuung nach Dresden zurückkehren. – Bei meinen Verwandten hatte ich auch zum ersten Male den »Fliegenden Holländer« zusammenhängend vorgespielt und gesungen; mir schien, als ob ich damit ziemliches...

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