Biene, Beute, Betriebsform
Allgemeines
Meines Erachtens ist die Betriebsweise eine unerlässliche Vorbedingung, die jedem Volk in den gegebenen Verhältnissen die günstigsten Möglichkeiten zur besten Entwicklung und höchsten Honigleistung verschafft. Jede Betriebsweise muss allerdings auf die Eigenschaften und Besonderheiten der verwendeten Biene abgestimmt sein. Die Beute spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Die Zucht bildet jedoch die eigentliche Grundlage, auf der unser Erfolg beruht.
Es ist nun meine Aufgabe, die vier Hauptfaktoren, wie sie in unserem Imkereibetrieb in jedem gegebenen Fall in Betracht kommen, im Einzelnen ausführlich zu erörtern, vor allem das Warum, Für und Wider hervorzuheben.
In England – wie in allen englischen Sprachgebieten – wird der Betriebsweise heutzutage wenig Bedeutung zugemessen. Sie wird in der Tat als eine selbstverständliche Sache angesehen. In unserer Literatur werden die jahreszeitlichen Arbeiten unter dem Titel »Management« erwähnt. Eine hervorstechende Betriebsmethode ist jedoch heute kaum irgendwo zu finden. Das war nicht immer so, aber all die vielversprechenden Betriebsweisen starben in den Wogen der Zeit einen stillen Tod. Die erfolgreichen Imker, hauptsächlich die Erwerbsimker, kamen langsam zur Einsicht, dass alle jene Betriebsweisen, die sich mehr oder weniger auf krasse Eingriffe stützen, oft weit mehr Unheil verursachten als Nutzen erzielten. Man kam allgemein zur Erkenntnis, dass ohne weitgehende Rücksicht auf die wunderbare Organisation und die Instinkte der Bienen die Vorbedingungen zu höchsten Ertragsergebnissen für ein Volk nicht geschaffen werden können.
Jede erfolgreiche Betriebsweise muss überdies weitgehend angepasst sein an die jeweiligen Klima- und Trachtverhältnisse sowie an die Art der Beute, mit der geimkert wird, und nicht zuletzt an die Eigenheiten der Biene selbst. Der Erwerbsimker muss überdies den Arbeitsaufwand pro Volk, den diese oder jene Maßnahme bedingt, scharf in Betracht ziehen. In der Tat ist der wirtschaftliche Erfolg, die Rentabilität einer Erwerbsimkerei weitgehend davon bestimmt. Jede technische Einrichtung, welche die Betriebsweise vereinfacht und Zeit erspart, ist für den Erwerbsimker entscheidend.
Es kommen also nicht nur die jahreszeitlichen Maßnahmen unserer Betriebsweise in Betracht, sondern auch die technischen Einrichtungen, auf denen sie beruht, wie auch die Biene, mit der wir arbeiten. Ehe ich zu diesen Themen komme, möchte ich ein Erlebnis aus meiner frühesten Imkererfahrung erwähnen – ein Erlebnis, das in den nachfolgenden Jahren eine bedeutende Wirkung auf unsere Bienenhaltung sowie deren Erfolg ausübte. Es sind oft unscheinbare Geschehnisse, die einen nachhaltigen, entscheidenden Einfluss ausüben und zugleich den Anstoß zu neuen, wertvollen Erkenntnissen geben.
Ein Erlebnis
Als mir im Herbst 1919 die Verantwortung über unsere Imkerei übergeben wurde, stand ich vor einer Fülle von Problemen. Infolge der Milbenepidemie, die nach amtlichen Angaben 90% der Bienenvölker hinwegraffte, musste sich die Imkerschaft in England neu orientieren, sich auf neue Verhältnisse umstellen. Ein Imkern nach alten Vorschriften und Ideen, die vor dem Verlust der einheimischen Biene teilweise gerechtfertigt waren, musste wohl oder übel über Bord. Man konnte mit der ltalienerbiene, die nun hauptsächlich in Erwägung kam, weil sie sich als resistent gegen die Milbe bewährte, nicht imkern wie einst mit der dunklen, bodenständigen Biene. Wie es oft der Fall ist, konnten sich ältere Imker nur schwer in die neuen Verhältnisse fügen. Die Argumente, die heutzutage in diesem oder jenem Land gegen alles Fremde vorgebracht werden, erwecken in mir Erinnerungen an jene Zeit. So wurde vor mehr als 50 Jahren die Ansicht vertreten, fremde Rassen sowie fremde Beuten und Betriebsweisen seien für unsere Umweltbedingungen absolut ungeeignet. Diese Ansichten, die man damals mit tiefster Überzeugung äußerte, erwiesen sich als falsch und irreführend. Allerdings konnten sich auch die fortschrittlichsten Imker von damals keine Vorstellung von den Entwicklungen machen, die ihnen bevorstanden.
Bis 1920 imkerten wir mit einem Brutraum pro Volk, der zehn Rahmen im englischen Vereinsmaß fasste. Das lichte Maß dieser Rahmen beträgt 34,3 x 21,6 cm. Wir waren uns jedoch schon längere Zeit bewusst, dass diese Wabengröße für den Fall der weit fruchtbareren Italienerbiene und deren Kreuzungen die maximale Volksstärke zu sehr beschränkte. Überlieferung und Voreingenommenheit aber sprachen gegen eine Verwendung von zwei Bruträumen je Volk. Im Herbst 1920 überließ ich jedoch einem Volk versuchsweise zwei Brutkästen mit annähernd 40 Pfund Wintervorräten. Im folgenden Frühjahr erwies sich dieses Volk bei weitem als das stärkste. Die Frühjahrsentwicklung war tadellos, und ohne irgendein Zutun war das Volk bei Beginn der Obstblüte aufsatzbereit. Es verursachte uns den ganzen Sommer keinerlei Arbeit, außer dem Zufügen jeweils eines weiteren Aufsatzes, deren es insgesamt sechs benötigte. Am Ende der Tracht überragte dieses Versuchsvolk mit all den Aufsätzen den Bienengarten wie ein Leuchtturm. In der Tat erwies es sich als ein Leuchtturm, nicht bloß in symbolischer Form, sondern auch in streng praktischer Hinsicht – es zeigte mir nicht nur den richtigen und kürzesten Weg zum wirtschaftlichen Erfolg, sondern warnte mich zugleich vor den Klippen und Sandbänken gewisser Betriebseingriffe, die allzuoft zum wirtschaftlichen Schiffbruch führen.
Dieses Volk war gewiss ein Idealfall, aber dennoch kein an den Haaren herbeigezogener. Unser Durchschnittsertrag im Jahr 1921 betrug rund einen Zentner, der jedoch viel unnötige Mühe und Arbeit kostete; von dem einen Volk wurden dagegen eineinhalb Zentner geerntet, ohne besondere Mühe und Arbeitsaufwand. Ein Reinertrag von anderthalb Zentnern war damals ein beinahe unerhörtes Ereignis. Indessen haben wir in guten Jahren diese Leistung als Durchschnittsertrag stark übertroffen mit Spitzenerträgen, die weit über drei Zentnern lagen.
Man muss sich nun fragen: Was waren die Vorbedingungen zu diesem überraschenden Erfolg? Ohne Zweifel in erster Linie die geräumige Beute oder, genauer: ein unbeschränkter Brutraum, versehen mit dem nötigen Quantum Wintervorrat. Diese beiden Faktoren zusammen ermöglichten eine ununterbrochene, ungehemmte Entwicklung im Frühjahr, ohne Reizfütterung irgendeiner Art. Drittens eine Raumerweiterung nach Bedarf, ohne wesentliche Eingriffe und Störungen. Zuletzt der allerwichtigste Faktor zu jedem imkerlichen Erfolg: eine hochwertige Königin von leistungsfähiger Rasse und Abstammung. Dieses Volk hätte ohne die erwähnten Vorbedingungen bestimmt kein Pfund Honig mehr gesammelt als die anderen auf diesem Stand, trotz der guten Königin. Dagegen wissen wir aus bitterer Erfahrung, dass all die genannten Vorbedingungen zwecklos sind – sich in Wirklichkeit als Nachteil erweisen – ohne eine fruchtbare Königin von bester Abstammung. Wir wissen weiter, dass ein Volk, mit diesen Vorbedingungen versehen, nicht nur die höchsten Erträge liefert, sondern gleichzeitig den minimalsten Arbeits- und Zeitaufwand unsererseits verlangt.
Ein Hinweis ist noch angebracht: Es waren noch weitere 80 Völker mit Schwesterköniginnen vorhanden, aber keines davon erreichte einen Ertrag wie das erwähnte. Der Grund liegt auf der Hand.
Kurz gefasst: Unser wirtschaftlicher Erfolg beruht in erster Linie auf einer Biene, die den Anforderungen einer modernen Imkerei vollauf entspricht; die Beute, oder genauer die Größe des Brutraums, spielt auch eine wesentliche Rolle. Diese beiden Faktoren, verbunden mit einer Betriebsweise und alles zusammen angepasst an die vorhandenen Trachtverhältnisse, bilden die Grundlagen unseres Erfolges. Der Imker hat keine Macht über Wetter und Tracht, dagegen stehen ihm die anderen entscheidenden Faktoren vollständig zu Gebot.
Die Biene
Die Biene stellt den Mittelpunkt einer jeden Imkerei dar. Rasse und Herkunft bestimmen weitgehend jede imkerliche Maßnahme und auch den wirtschaftlichen Erfolg. Folglich sind hier einige Worte angebracht über die Biene, mit der wir arbeiten, sowie über ihre Herkunft.
Die Buckfast-Biene entstammt einer Kreuzung zwischen der Ligustica und der einstigen einheimischen Mellifica Großbritanniens. Es handelt sich hier um eine Kunstrasse, die im Lauf von etwa 50 Jahren entwickelt wurde. In der Farbe ähnelt sie der dunklen, lederbraunen Ligustica. Gegenüber dieser ist die Buckfast-Biene fleißiger, sparsamer, schwarmträger, widerstandsfähiger gegen Krankheiten, vor allem gegen die Milbenseuche und die Nosema. Sie sammelt beinahe kein Kittharz, bleibt ruhig im Winter, entwickelt sich rasch, jedoch nicht vorzeitig im Frühjahr und unterhält aus eigenem Antrieb und ohne Reizfütterung trachtstarke einsatzfähige Völker den ganzen Sommer über. Sie ist wohl noch sanftmütiger als die Ligustica und erlaubt eine schnelle Behandlung, auch bei ungünstiger Witterung, was in unseren klimatischen Verhältnissen sehr wichtig ist. Sie verfliegt sich stark, wie die Mehrzahl der Rassen, was bei Einzelaufstellung keine nachteiligen Folgen hat. Doch eignet sie sich nicht für einen Bienenhausbetrieb, außer es kommen nur Buckfast-Völker zur Aufstellung.
Alle Eigenschaften, die mit der Honigleistung zu tun haben, sind ohne ausgeprägte Schwarmträgheit von geringem Vorteil, sie können sich ohne diese nie voll entfalten. Eine hoch entwickelte Schwarmträgheit ermöglicht nicht nur eine maximale Entfaltung aller Leistungseigenschaften, sondern aus ihr folgt zugleich ein minimaler Kosten-, Zeit- und Arbeitsaufwand. Sie ist die unerlässliche Grundlage, die die Rentabilität einer neuzeitlichen...