1.1 Der Einsatzbereich von Exchange
Da Sie sich ein Buch über Microsoft Exchange gekauft haben, werden Ihnen der Einsatzbereich und die Funktionen zumindest in den Grundzügen schon bekannt sein. Trotzdem möchte ich kurz einen Überblick geben. Exchange ist Microsofts E-Mail- und Collaboration-Produkt. Als solches bietet es natürlich den Empfang, die Speicherung und den Versand von Nachrichten an. Sie können in den Postfächern der Benutzer aber noch andere Daten als E-Mails speichern: zum Beispiel Kontakte, Kalender, Aufgaben und Notizen.
Abb. 1.1: Ordner mit verschiedenen Objekten in Outlook
Diese anderen Objekte kann Outlook prinzipiell zwar auch ohne Anbindung an Exchange verwalten – aber genau hier liegen die Vorteile des Produkts: Sie können Kontakte, Kalender und andere Informationen teilen und gemeinsam verwalten. Ein paar Beispiele:
Sie können Kollegen zu einem Termin einladen und vorher die Verfügbarkeit in deren Kalendern überprüfen.
Kontakte von externen Partnern können Sie in öffentlichen Ordnern oder freigegebenen Postfächern ablegen statt in den individuellen Postfächern. Dadurch stehen sie allen Mitarbeitern zur Verfügung.
Wenn Sie Exchange mit Skype for Business zusammen verwenden, sehen Sie den Anwesenheits-Status eines Mitarbeiters in Outlook. Diese Information kann unnötige E-Mails vermeiden.
Freigegebene Postfächer können mehreren Benutzern angezeigt werden. Empfangene E-Mails können dann im Team bearbeitet werden.
Exchange bietet den Zugriff auf das Postfach nicht nur über Microsofts eigenen Client Outlook, sondern auch über Webbrowser, POP3- oder IMAP4-fähige Applikationen und Mobiltelefone. Außerdem erlaubt Exchange Web Services (EWS) den Zugriff auf Postfachdaten durch Applikationen, wie zum Beispiel Systeme für die Besetzt-Anzeige von Sitzungszimmern. Exchange Web Services erlauben auch den Skype-for-Business- oder Teams-Clients, anhand der Kalendereinträge in dem Postfach des Benutzers deren Anwesenheits-Status anzupassen.
Abb. 1.2: Anzeige von Kalendereinträgen und Status über Exchange Web Services
Ich werde in den folgenden Kapiteln dieses Buches darauf eingehen, welche Funktionen Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern.
1.2 Die Geschichte von Exchange
Um ein Produkt mit seinen Eigenschaften, seinen Vor- und auch Nachteilen zu verstehen, ist es hilfreich, die Geschichte dahinter zu kennen. Deshalb werfe ich in diesem Abschnitt einen kurzen Blick in die Vergangenheit.
Exchange 4.0
Die erste Version von Exchange wurde 1996 von Microsoft veröffentlicht. Zwar gab es ein Vorgängerprodukt namens Microsoft Mail, aber dieses war aufgrund der Limitationen noch kein konkurrenzfähiges Produkt für größere Kunden. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung begann auch die Entwicklung der Version 4.1 respektive 4.5. Das Protokoll für den Versand von Nachrichten war damals noch X400 und das Directory für Konfiguration und Empfängerobjekte X500.
Exchange 5.x
In den zwei folgenden Jahren nach dem ersten Wurf kamen Exchange 5.0 und 5.5 auf den Markt. Herausragende Funktionen waren der »Internet Mail Connector«, der die Kommunikation mit dem heute vorherrschenden Protokoll SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) erlaubte und die Einführung des webbasierten Zugriffs, der damals noch Exchange Web Access hieß und heute als OWA (Outlook Web Access) bekannt ist. Die Version 5.5 brachte außerdem Support für Datenbankgrößen über 16 GB.
Exchange 2000
Die im Jahr 2000 veröffentlichte Version verwendete Active Directory als Speicherort für die Konfiguration, anstatt auf einen eigenen Verzeichnisdienst zu setzen. Der Preis dafür war natürlich auch die Abhängigkeit von Active Directory. Interessant war auch die Einführung einer Instant-Messaging-Funktion, die später aber in ein eigenes Produkt überging, den Live Communication Server – Vorgänger von Lync respektive Skype for Business.
Exchange 2003
In der Version 2003 integrierte Microsoft den Zugriff von mobilen Telefonen erstmals in Exchange. Vorher war ActiveSync clientseitig implementiert und erforderte eine Synchronisation zwischen den Endgeräten des Benutzers, also zum Beispiel Computer oder Notebook mit dem Mobiltelefon. Einen weiteren Meilenstein stellte der Cache-Modus für Outlook dar, der es mobil Arbeitenden möglich macht, ohne Netzwerkverbindungen auf die Postfachdaten zuzugreifen, und zusätzlich auch den Server entlastet. Dazu kam ein neues Protokoll für die Anbindung der Clients über das Internet ohne zusätzliche VPN-Verbindung: RPC/HTTP, später auch als Outlook Anywhere bekannt. Ebenfalls neu war die Möglichkeit, rudimentäre Anti-Spam-Filter einzusetzen.
Codename Kodiak
Nachdem Exchange 2003 veröffentlicht worden war, wurden viele Ideen für den Nachfolger geboren und wieder verworfen. Eine davon war die Abkehr von der bewährten ESE-Datenbank-Engine zugunsten von SQL. Nach vielen Tests kam das Team aber zum Schluss, dass sich dieser Schritt nicht lohnte: ESE war schon zu sehr für die Anwendung in Exchange optimiert und brachte deshalb bessere Leistung. Das Gerücht, Microsoft wolle Exchange auf SQL portieren, hält sich aber seit damals hartnäckig.
Exchange 2007
Highlights in Exchange 2007 waren die neuen Optionen für höhere Verfügbarkeit: Local Continuous Replication (LCR), Standby Continuous Replication (SCR) und Cluster Continuous Replication (CCR). Dabei wurde im Gegensatz zu den Vorgängern, die nur herkömmlichen Microsoft Cluster unterstützten, der Storage als Single Point of Failure eliminiert. Mithilfe von Replikation der Transaktionsprotokoll wurden unabhängige Datenbankkopien geschaffen – damit war diese Funktion der Vorläufer der heute noch verwendeten Database Availability Group (DAG).
Exchange 2007 war auch die letzte Version, die noch auf 32-Bit-Betriebssystemen lauffähig war – wenn auch nur für Testing. Produktive Installationen wurden nur auf 64-Bit-Windows-Servern unterstützt.
Exchange 2010
Was im direkten Vorgänger als guter Ansatz für bessere Verfügbarkeit erkennbar war, wurde in Exchange 2010 stark verbessert. Die Database Availability Groups und die RPC-Clientzugriffsdienste, die den Zugriff auf das Postfach über eine abstrahierende Schicht ermöglichten und damit das Loadbalancing vereinfachten, machten Hochverfügbarkeit auch für kleinere Umgebungen praktikabel.
Da Exchange als sehr anspruchsvoll im Bereich Storage galt, unternahm Microsoft Anstrengungen, die Anforderungen an das Disk-Subsystem zu reduzieren. Änderungen in der Datenbankstruktur und dem Cache ermöglichten eine Einsparung von IOPS von ca. 70% gegenüber der Version 2007 und sogar 90% gegenüber Exchange 2003. Allerdings fiel der Single Instance Store (Deduplizierung der Datenbank auf Mail-Ebene) diesen Verbesserungen zum Opfer.
In Exchange 2010 wurde auch das missverstandene Feature In-Situ-Archivierung eingeführt. Ursprünglich gedacht zur Verkleinerung der lokalen OST-Datei auf dem Client, wollten viele Kunden damit teuren SAN-Speicherplatz einsparen.
Exchange 2013
In Exchange 2013 wurde mehrheitlich an der Architektur von Exchange 2010 festgehalten. Eine maßgebliche Änderung war die Reduktion der Rollen – die Hub-Transport- und die Unified Messaging-Rolle lassen sich nicht mehr dediziert installieren. Ebenfalls wurden die öffentlichen Ordner modernisiert und Data Loss Prevention eingeführt.
Der Clientzugriff wurde für alle Protokolle weiter vereinfacht, was auch Planung und Konfiguration des Loadbalancings simpler gestaltet.
Exchange erhielt einen Service, der nicht nur eine Selbstüberwachung erlaubte, sondern auch Recovery-Aktionen ausführen konnte – vom Restart einzelner Anwendungspools in IIS bis hin zum Reboot eines Servers.
Exchange 2013 ist auch die erste Exchange-Version mit integriertem Virenschutz. Dieser ist aber äußerst einfach gehalten und lässt wenige Konfigurationsoptionen zu. Erwähnenswert ist die Einführung von sogenannten kumulativen Updates oder kurz CU (von engl. cumulative updates). Dabei handelt es sich um vierteljährlich erscheinende Aktualisierungen, die immer eine komplette Installation darstellen und sowohl bekannte Probleme beheben als auch neue Funktionen beinhalten. Sie ersetzen das System von kleinen, häufigeren Rollup-Updates und großen Service Packs.
Exchange 2016
Oft als Service Pack für Exchange 2013 betitelt, handelt es sich bei Exchange 2016 jedoch um ein eigenständiges Produkt. Die Reduktion der Rollen wurde weiter vorangetrieben und lässt nur noch zwei Optionen zur Installation zu: den Postfachserver und den Edge-Transport-Server, der als Mailgateway dienen kann.
Weitere Verbesserungen betreffen das Benutzerinterface für den Webzugriff, der auch mit Outlook on the Web einen neuen Namen erhalten hat. Statt Outlook Anywhere ist nun MAPI over HTTP das standardmäßig von Outlook-Clients verwendete Protokoll für den Zugriff auf Postfachdaten.