4.1 Invasive Erreger
4.1.1 Campylobacter und Arcobacter
Bakterien der Gattung Campylobacter und Arcobacter sind gramnegative Spirillen mit starrer Zellwand. Die häufigsten enteropathogenen Campylobacter-Spezies sind C. jejuni (ca. 90%), gefolgt von C. coli (ca.10%). Seltenere darmpathogene Campylobacter/Arcobacter sind C. upsaliensis, C. jejuni ssp. doylei sowie C. lari und Arcobacter butzleri. Die Spezies C. fetus wird vereinzelt im Stuhl nachgewiesen; typisch sind extraintestinale Infektionen, insbesondere bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen oder chronischen Leukosen.
Campylobacter spp. nehmen in Deutschland seit 2007 unter den Erregern bakteriell bedingter Gastroenteritiden noch vor den Enteritissalmonellen die 1. Stelle ein [Robert Koch-Institut 2010], mit einer besonders hohen Frequenz in ländlichen Gebieten. Kinder im Schulalter sind am meisten betroffen; in dieser Altersgruppe werden 10–20% der akuten Durchfallkrankheiten durch Campylobacter verursacht. Ein Teil der enteralen Campylobacter-Infektionen sind aus dem Ausland, insbesondere Südeuropa und Südostasien, eingeschleppt. Die wichtigsten Infektionsreservoirs sind Geflügel, wilde Vögel, Rinder und Oberflächenwasser. Als Infektionsvehikel für den Menschen spielen Geflügelfleisch, Rohmilch sowie Wasser die größte Rolle.
Die krankheitsauslösende Infektionsdosis liegt bei ≥ 500 Keimen. Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 5 Tagen beginnt die schwer verlaufende enterale Campylobacter-Infektion mit Kopfschmerzen, Fieber und starken Abdominalkrämpfen, gefolgt von massiven, häufig blutigen Durchfallattacken. Die akute Erkrankung geht nach etwa 5 Tagen für weitere 3 Wochen in eine asymptomatische Ausscheidungsphase über. Spätkomplikationen sind das Guillain-Barré-Syndrom (ca. 1–3 ‰) sowie vereinzelt eine reaktive Arthritis. Leichtere bis asymptomatische Verläufe, insbesondere bei Erwachsenen, sind häufig.
4.1.2 Salmonellen
Salmonellen werden in die drei Spezies S. enterica, S. bongori und S. subterranea eingeteilt. S. enterica umfasst sechs Subspezies und etwa 2.500 Serovare. Die Subspezies I (ssp. enterica) besitzt als Ursache enteraler Infektionen des Menschen die größte Bedeutung. S. bongori findet sich in Kaltblütlern und ruft beim Menschen nur selten Infektionen hervor. Es wird zwischen der Gruppe der Enteritis-Salmonellen, mit breitem Wirtsspektrum, und der ausschließlich menschenpathogenen Typhus-Paratyphusgruppe unterschieden. Die Salmonella-Serovare sind keine Spezies und werden deshalb nicht kursiv geschrieben; die Typennamen beginnen mit Großbuchstaben, z.B. S. Typhimurium.
Salmonellen sind weltweit verbreitet. Die Übertragung auf den Menschen wird jedoch durch die industrialisierte Landwirtschaft (z.B. Massentierhaltung) begünstigt. Enteritis-Salmonellen sind in Deutschland nach Campylobacter die zweithäufigsten Erreger bakterieller Darminfektionen (jährlich etwa 20.000–60.000 gemeldete Fälle). Salmonellen verfügen über eine Vielzahl von Virulenzfaktoren, die ihnen das Eindringen in eukaryotische Wirtszellen und das intrazelluläre Überleben selbst in Makro-phagen sichern. Die Virulenzfaktoren gehören zu zwei verschiedenen Typ-III-Sekretionssystemen, deren genetische Information, ähnlich wie bei Shigellen und Yersinien, auf sog. „Pathogenitätsinseln” lokalisiert ist.
Enteritis-Salmonellen vermehren sich im lymphatischen Gewebe des terminalen Ileums und verursachen eine fieberhafte Gastroenteritis, meist mit gutartigem Verlauf. Septische Komplikationen mit und ohne Organbesiedlungen kommen vor, sind aber selten und betreffen dann meist Patienten mit geschwächter Abwehr. Die häufigsten Salmonellen-Serovare sind derzeit S. Enteritidis und S. Typhimurium. Tiere (Geflügel, Kälber, Schweine und Rinder) bilden das hauptsächliche Erregerreservoir für die Infektion des Menschen. Als derzeit bedeutendste Infektionsvehikel gelten Hühnereier und Geflügelfleisch. Eine allgemein gültige minimale Infektionsdosis für den Menschen kann nicht angegeben werden. Sie ist jeweils abhängig von Erregervirulenz, Alter und individueller Abwehr des Wirts sowie der Art des Infektionsvehikels und rangiert vermutlich zwischen 103–106 Salmonellen. Eine Voranreicherung in Lebensmitteln führt zu einer Zunahme der Infektionsdosis mit entsprechend erhöhter Erkrankungsrate. Klinische Leitsymptome sind Durchfall, Erbrechen und ggf. Fieber. Sie beginnen, abhängig von der jeweiligen Infektionsdosis, etwa 8–72 Std. (maximal 7 Tage) nach Aufnahme der Erreger. Die direkte Übertragung durch Schmierinfektion ist selten. Sie wird fast nur bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum 3. Lebensjahr beobachtet. Die mittlere Ausscheidungsdauer nach klinischer Gesundung beträgt etwa 4 Wochen. Eine antimikrobielle Therapie der unkomplizierten Salmonellen-Enteritis ist i.d.R. nicht erforderlich.
Salmonellen der Typhus- und Paratyphus-Gruppe führen nach Vermehrung im lymphatischen Gewebe des Darms zu einer septikämischen Erkrankung mit Befall zahlreicher Organe. Zur Übertragung genügen geringere Keimzahlen als bei den Enteritis-Salmonellen. Die Inkubationszeit schwankt zwischen 3–60 Tagen (gewöhnlich 8–14 Tagen). Erregerreservoir ist der Mensch. In seltenen Fällen können Haustiere (z.B. Rinder) Überträger von S. Paratyphi B sein. S. Paratyphi B kann sowohl enteritische als auch systemische Verlaufsformen hervorrufen. Daher werden enteritische (früher S. Java) und systemische Pathovare unterschieden, die sich biochemisch und molekularbiologisch voneinander abgrenzen lassen. Die in den letzten Jahren zunehmend beobachteten S. Paratyphi-B-Stämme aus Geflügelbeständen gehören zu den enteritischen Pathovaren. Typhus und Paratyphus sind in der Bundesrepublik jedoch selten (0,1–0,2/100.000 EW), also weniger als 200 gemeldete Fälle pro Jahr. Die Mehrzahl der Typhus- und Paratyphus-Fälle (über 80%) wird aus dem Ausland eingeschleppt. Autochthone Infektionen sind meist auf asymptomatische Dauerausscheider zurückzuführen.
4.1.3 Yersinien
Bei der Gattung Yersinia werden 10 Spezies unterschieden, von denen drei Krankheitserreger des Menschen sind: Y. pestis (nicht in Mitteleuropa vorkommend), Y. pseudotuberculosis (in Mitteleuropa selten) und Y. enterocolitica. Neben einigen, bisher weitestgehend auf Nordamerika beschränkte pathogene Serogruppen von Y. enterocolitica (z.B. O:8) sind weltweit und in Mitteleuropa die Serogruppen O:3, O:9 und O:5,27 als Krankheitserreger vorherrschend.
Die übrigen Y. enterocolitica-Stämme sowie die Yersiniaspezies Y. frederiksenii, Y. intermedia, Y. kristensenii, Y. rohdei, Y. mollaretii, Y. bercovieri (bisher insgesamt 71 Serogruppen) und Y. aldovae kommen in Wasser, Erdboden, Lebensmitteln sowie als symptomlose Infektionen bei Mensch und Tier vor. Ein humanpathogenes Potenzial ist bisher bei diesen Stämmen nicht gesichert worden.
Y. pseudotuberculosis (in Deutschland die Serogruppen I, II und III) und Y. enterocolitica führen zu mesenterialer Lymphadenitis mit krampfartigen Unterbauchschmerzen, die insbesondere bei Kindern eine Appendizitis vortäuschen können. Bei Y. enterocolitica-Infektionen können Durchfälle mit und ohne Fieber hinzukommen. Die Inkubationszeit beträgt 1–11 Tage, die Bakterienausscheidung persistiert nach enteritischem Krankheitsbild 14–90 Tage. Bei Resistenzminderung, Überangebot von Bluteisen (z.B. hämolytischen Erkrankungen) oder bei Desferrioxamin-Therapie können septische Krankheitsbilder auftreten. Reaktive Arthritiden werden insbesondere bei HLA B27-positiven Patienten beobachtet; bei insgesamt guter Prognose kann die Erkrankung über Wochen bis Monate persistieren.
Die Infektionen werden fäkal-oral durch Lebensmittel und Wasser sowie seltener durch direkten Kontakt übertragen. Die höchste Inzidenz wird während der kalten Jahreszeit beobachtet. Die Pathogenität beider Arten wird durch eine Vielzahl von Virulenzfaktoren bestimmt. Enteropathogene Yersinien tragen ein Virulenzplasmid (pYV), welches für ein Typ-III-Sekretionssystem (u.a. Yops) und für ein wichtiges Membranprotein (YadA) kodiert. Sowohl Plasmid- (z.B. YadA, Yops) als auch chromosomal kodierte Faktoren (Eisenaufnahme, Inv, Ail, Myf, Yst) sind hierbei beteiligt. Während Y. pseudotuberculosis (I, II, III) als obligat pathogen gilt, unterteilt man Y. enterocolitica-Stämme in die pathogenen Biotypen (1B, 2, 3, 4 und 5) und den im Allgemeinen als apathogen angesehenen Biotypen 1A. Biochemisch unterscheiden sich die pathogenen von den apathogenen Biotypen...