Neben den Fragen des Schadensersatzes ist auch zu klären, welche sonstigen individualrechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um den Komplex Mobbing zu bewältigen.
Es ist sinnvoll, den Fokus zunächst auf den Gemobbten zu legen, da diesen die Problematik schließlich unmittelbar betrifft. Anschließend soll erläutert werden, was der Arbeitgeber unternehmen kann. Nicht zuletzt ist in dem Zusammenhang auch die Frage interessant, inwieweit der gemobbte Arbeitnehmer entsprechende Maßnahmen vom Arbeitgeber verlangen bzw. auf diesen direkt einwirken kann.
Da unstrittig ist, dass Mobbing eine enorme psychische Belastung darstellt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Arbeitnehmer unter diesen Umständen seiner Arbeit nachgehen muss. D.h. ob er ein Recht hat, die Arbeit zu verweigern, solange er Mobbing im Betrieb ausgesetzt ist.
Man kann an dieser Stelle das allgemeine Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB in Erwägung ziehen, wonach der Schuldner seine Leistung verweigern kann, bis "die ihm gebührende Leistung bewirkt wird." Diese Norm ist auch in arbeitsvertraglichen Belangen anzuwenden.[58] Im Sinne der Norm müsste der Schuldner einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger haben. Bei Mobbinghandlungen ist dies in aller Regel unstrittig die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, welcher er nicht nachkommt.[59]
In der Theorie kann der Arbeitnehmer auch darauf vertrauen, dass ihm das Arbeitsentgelt weitergezahlt wird, da der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 BGB gemäß § 615 BGB in Annahmeverzug gerät.[60] Es ist aber aus praktischer Sicht darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Zurückbehaltungsrecht um eine Einrede handelt.[61] D.h. der Arbeitnehmer muss es auch aktiv gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen und kann nicht etwa stillschweigend die Arbeit niederlegen.
Es lässt sich zwar sagen, dass die Möglichkeit der Zurückbehaltung bei der Verletzung der Fürsorgepflicht in der Theorie zweifelsfrei besteht und der Arbeitnehmer auch davon Gebrauch machen kann. Dennoch ist zu sehen, dass dieses Vorgehen in der täglichen Praxis mitunter diverse Probleme mit sich bringen könnte. Es besteht vor allem die Gefahr, dass der Gemobbte unüberlegt und voreilig handelt, d.h. objektiv gar nicht zur Zurückbehaltung befugt war, was der Arbeitgeber mit einer ordentlichen oder gar außerordentlichen Kündigung quittieren kann.[62] Denn wie schließlich bereits angemerkt wurde, ist nicht jede Kritik oder jedes Fehlverhalten des Arbeitgebers oder der Kollegen sofort Mobbing und somit eine Verletzung der Fürsorgepflicht.
Zu beachten ist ferner auch hier die Verhältnismäßigkeit, welche sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB ergibt. Hierzu führte das BAG in einem diesbezüglichen Urteil aus, dass der Arbeitnehmer, wie bereits angemerkt, zum einen dem Arbeitgeber mitteilen muss, dass er das Zurückbehaltungsrecht ausübt und zum anderen konkret und klar darstellen muss, auf Grund welcher Mobbinghandlungen er sein Recht geltend macht. Eine pauschale Mobbingbehauptung reicht hier nicht aus.[63] Nur wenn er dies detailliert und auch begründet darlegt, könne vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht werden. Ansonsten läge ein unentschuldigtes Fehlen vor und somit eine erhebliche kündigungsrelevante Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.[64] Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte der Klägerin ordentlich gekündigt, da sie nicht zur Arbeit erschien und ihrer Meinung nach auf Grund Mobbing vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen könne. Zutreffend entschied das BAG jedoch, dass die ordentliche Kündigung im Ergebnis rechtmäßig ist, da aus o.g. Gründen eine erhebliche Pflichtverletzung vorlag.
Es zeigt sich also, dass dieses Recht in der Praxis riskant ist, insbesondere dann, wenn dem Arbeitgeber die Pflichtverletzung in Form der Fürsorgepflicht nicht oder nur schwer nachgewiesen werden kann.[65]
Desweiteren ist bei Mobbing auch an Unzumutbarkeit zu denken. Somit könnte nach § 275 Abs. 3 BGB der Arbeitnehmer die Leistung verweigern, "wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann."
Persönlich zu erbringen hat er sie in der Regel gemäß § 613 Satz BGB. Fraglich ist lediglich, ob ihm die (Arbeits-)Leistung unzumutbar ist, wenn Mobbing vorliegt. Kollmer etwa vertritt generell diese Ansicht.[66] Sicherlich ist dem im Grunde zuzustimmen, jedoch sollte auch hier auf die Umstände des Einzelfalls Rücksicht genommen werden. Es erscheint beispielsweise fraglich, ob Unzumutbarkeit an der gesamten Arbeitsleistung vorliegen kann, wenn sich die Mobbingsachverhalte lediglich auf bestimmte Personen zurückführen lassen, mit denen das vermeintliche Mobbingopfer nur partiell, etwa zwei Stunden pro Tag, zusammenarbeiten muss und dem Rest des Arbeitstages keinem Mobbing ausgesetzt ist.
Dass aber prinzipiell die Ausübung psychischen Drucks die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar machen kann, stellte schon auch die Rechtsprechung fest.[67] Zutreffenderweise weist Benecke aber auch auf die Tatsache hin, dass das Leistungsverweigerungsrecht nur dann greifen kann und soll, wenn eben wie schon angemerkt die gesamten Arbeitsbedingungen betroffen sind und daraus eine erhebliche Gesundheitsgefährdung folgt. Es muss ein schwerer Fall der Verletzung des Persönlicheitsrechts vorliegen, der nicht nur einzelne Situationen betrifft.[68]
Als letzte Konsequenz steht es natürlich dem Arbeitnehmer frei, das Arbeitsverhältnis niederzulegen. Sicherlich sollte dies die letzte Maßnahme sein, bewirkt sie ja im Grunde exakt das, was die Mobbinghandlung wohl zum Grunde hat. Eine ordentliche Kündigung ist stets ohne Begründung möglich, lediglich müssen die Kündigungsfristen nach § 622 BGB Abs. 1, Abs. 6 beachtet werden.[69] Da diese mit in der Regel mindestens vier Wochen anzusetzen sind und es je nach Einzelfall womöglich für den Mobbingbetroffenen eine enorme Belastung sein mag, am Arbeitsverhältnis festzuhalten, ist auch an eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers nach § 626 Abs. 1 BGB zu denken.
Auf Grund der praktischen Bedeutung soll an dieser Stelle lediglich auf die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers bei einer wirksamen außerordentlichen Kündigung[70] hingewiesen werden. Dieser würde dann nach § 628 Abs. 2 BGB bestehen, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig gehandelt hat. Dies ist etwa anzunehmen bei andauernder Verletzung seiner Fürsorgepflicht oder bei permanenter Beleidigung durch den Arbeitgeber selbst. Hier ist zu beachten, dass dem Arbeitnehmer dann der Schaden zu ersetzen ist, der ihm wegen der außerordentlichen Kündigung entstand, also etwa Aufwendungen für Bewerbungskosten und Zahlung entgangenerVergütung.[71]
Wenn der Arbeitgeber von ernstzunehmendem Mobbing in seinem Betrieb erfährt, sollte er in seinem eigenen Interesse in jedem Fall sofort der Sache auf den Grund gehen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Die nächstgelegene Möglichkeit wäre hier wohl, den Mobbingtäter zunächst zu ermahnen.
Zwar ist dies die schwächste Variante der Handlungsmöglichkeiten, da sie arbeitsrechtlich im Grunde irrelevant ist und mit ihr keine weiteren Sanktionen angedroht werden.[72] Dennoch kann sie unter Umständen als erste Maßnahme sinnvoll sein:
Zum einen zeigt der Arbeitgeber hiermit, dass er Kenntnis von den
Aktivitäten in seinem Betrieb erlangt hat und die Situation nicht hinnehmen wird. Er macht somit unmissverständlich klar, dass er kein Mobbing in seinem betrieblichen Umfeld dulden möchte. Dies kann etwa den vermeintlichen Mobbingtäter abschrecken, sodass weitere Handlungen unterbleiben. Schließlich wird der Mobber damit rechnen, dass bei weiteren Handlungen auch ernsthafte Konsequenzen folgen können. Sinn wird dieses Vorgehen dann machen, wenn sich der Arbeitgeber nicht absolut sicher sein kann, ob die entsprechenden Vorwürfe auch der Realität entsprechen.
Zum anderen setzt er sich somit nicht der Gefahr aus, eine eventuell ungerechtfertigte Abmahnung auszusprechen. Denn für eine solche gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wonach keine geringfügige Pflichtverletzung abgemahnt werden darf.[73]
Stellt sich ferner im Nachhinein heraus, dass die Mobbingvorwürfe nicht begründet waren, so wäre auch die Abmahnung unzulässig. Enthält sie unrichtige Tatsachenbehauptungen (hier also unwahre Mobbinghandlungen des Abgemahnten), so ist sie weiterhin auch rechtswidrig, was zur Folge hätte, dass der Arbeitnehmer als letzten Schritt mit einer Leistungsklage gerichtlich durchsetzen kann,...