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Mobility und Stretching mit dem Schlingentrainer
Vom Stellenwert eines Beweglichkeitstrainings konntest du dich schon überzeugen. Auch welche Methoden dazu eingesetzt werden und auf welche Strukturen das Training wirkt, hast du bereits erfahren. Weshalb eignet sich jedoch gerade der Schlingentrainer für das Mobility-Training und Stretching? Dies erfährst du in diesem Kapitel. Damit du dich später zudem voll und ganz auf die Umsetzung der Übungen konzentrieren kannst, gebe ich dir im Folgenden noch das nötige Wissen über den Schlingentrainer und dessen Handhabung mit auf den Weg.
Die fünf Elemente des Schlingentrainings
Das Schlingentraining verbindet man nicht unbedingt als Erstes mit Mobility und Stretching. Welche Gedanken gehen dir bei dem Stichwort »Schlingentraining« durch den Kopf? Vermutlich denkst du jetzt an ein schweißtreibendes Workout, das deine Muskeln effektiv kräftigt. Ganz gleich ob Gruppen-, Personal-, Athletik- oder Rehatrainer, jeder schätzt die Schlingen als effizientes Trainingsgerät in der Arbeit mit Kunden und Patienten. Das Schlingentraining wird dabei allzu oft nur auf das reine Kräftigungstraining reduziert. Es kann jedoch weitaus mehr. Kaum ein anderes Trainingsgerät bietet so vielseitige Trainingsmöglichkeiten wie die Schlingen. Aus diesem Grund ist der Schlingentrainer für mich das Tool, um den Körper ganzheitlich und funktionell zu trainieren.
Schöpft man das gesamte Potenzial aus, so kann man alle Bereiche der fünf motorischen Grundfähigkeiten ansprechen (siehe Abbildung). Ich zeige dir diese fünf Elemente des Schlingentrainings auf und erkläre, welche Eigenschaften des Schlingentrainers diesen zum perfekten Tool für dein Beweglichkeitstraining machen. Ich bin mir sicher, dass du die ersten vier Fähigkeiten bereits bewusst, aber eventuell auch unbewusst mit den Schlingen trainiert hast. Zusammen mit dem Beweglichkeitstraining aus Mobility und Stretching wird dein Schlingentraining nun komplett.
Kraft
Das Training an den Seilen ist eine hervorragende Möglichkeit, die Muskulatur zu kräftigen. Bezogen auf das Kräftigungs- und Stabilisationstraining ist der Schlingentrainer manch einem anderen Trainingsgerät weit überlegen. Im Gegensatz zu einem gerätegestützten Krafttraining erreichen wir durch die Instabilität der Seile nicht nur die globale Muskulatur, sondern auch die lokale Muskulatur. Die von der Bewegungsrichtung abhängige globale Muskulatur lässt uns in Bewegung kommen, die von der Bewegungsrichtung unabhängige lokale Muskulatur stabilisiert unsere Gelenke. Zum Anheben einer Getränkekiste vom Boden benötigst du deine globale Muskulatur, unter anderem den Beinstrecker, die Gesäß- und Rückenmuskulatur sowie die Armbeuger; bei der eigentlichen Hebebewegung arbeitet aber auch die gelenknahe, lokale Muskulatur mit, um deine Gelenke, beispielsweise die Wirbelsäule, zu stabilisieren. Gut funktionierende lokale Stabilisatoren sind die Basis für funktionelle, ökonomische Bewegungsmuster. Nur durch ein optimales Zusammenspiel globaler und lokaler Muskulatur ist eine bestmögliche Kraftentfaltung abrufbar. Dieses Zusammenspiel ist aber auch essenziell für langfristige Schmerzfreiheit und eine gute Körperhaltung.
Ausdauer
Ausdauer ist die physische und psychische Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Ermüdung bei lang andauernden Belastungen. Hast du schon einmal eine Schlingentrainer-Kursstunde besucht? Dann stimmst du mir sicherlich zu, dass genau diese Widerstandsfähigkeit in dieser Stunde gefragt ist. Je nach Aufbau des Trainings werden die Pausenzeiten zwischen den einzelnen Übungen kurz gehalten und auf diese Weise die Muskelpartien in schnellem Wechsel gefordert. Dieser Aufbau garantiert einen konstant erhöhten Pulsschlag und ein effektives Training deines Herz-Kreislauf-Systems. Obwohl der Schwerpunkt bei vielen Trainingseinheiten primär auf der Kräftigung liegt, kann durch eine derartige Trainingsgestaltung gleichzeitig die Ausdauer verbessert werden.
Schnelligkeit
Die Schnelligkeit bezieht sich auf die Fähigkeit, auf einen Reiz in kürzester Zeit zu reagieren und Bewegungen mit maximaler Geschwindigkeit durchzuführen. Bedingt durch den instabilen Charakter des Schlingentrainings muss unser Körper während des Trainings ständig schnellstmöglich Informationen verarbeiten und auf diese reagieren. Diese Reize können auch von außen kommen. Lasse dir im Seitstütz von deinem Trainingspartner oder Trainer mal einen Ball zuwerfen. Auf diese Weise trainierst du deine Reaktionsschnelligkeit. Mit den Schlingen lassen sich aber auch explosive Bewegungen wie Sprünge umsetzen, ein Training der Bewegungsschnelligkeit.
Koordination
Das Schlingentraining stellt hohe koordinative Anforderungen an den Trainierenden, da es immer instabil ist und das Trainingsgerät freie Bewegungen im Raum zulässt, sodass die gesamte Stabilisierungsarbeit selbst aufgebracht werden muss. Im Vergleich dazu bietet zum Beispiel die sitzende Brustpresse durch das Rückenpolster und den Sitz sehr viel Stabilität. Das Gerät lässt auch nur eine vorgegebene Bewegung zu. Beim klassischen Bankdrücken im Liegen erspart die Liegefläche ebenfalls viel Stabilisationsarbeit. Im Vergleich zur Brustpresse ist dagegen die eigentliche Bewegung – das nach oben Wegdrücken der Stange – deutlich freier. Am koordinativ anspruchsvollsten ist der Liegestütz an den Schlingen, da die gesamte Stabilisation durch den Trainierenden selbst aufgebracht werden muss. In diesem Fall gibt es keinerlei Unterstützung durch eine Sitz- oder Liegefläche. Alle drei Übungen haben grundsätzlich den gleichen Bewegungsablauf sowie die gleiche Zielmuskulatur. Die erforderlichen koordinativen Fähigkeiten und somit der neuromuskuläre Anspruch (»Neuromuskuläres Training«, Seite 42) nehmen jedoch vom Liegestütz an den Schlingen über das Bankdrücken bis hin zur sitzenden Brustpresse an der Maschine ab.
NEUROMUSKULÄRES TRAINING
Eine funktionelle und ökonomische Bewegung basiert auf einer funktionierenden Kommunikation zwischen Gehirn und Muskulatur. Erst seit den letzten Jahren erhält dieses neuromuskuläre Zusammenspiel erhöhte Aufmerksamkeit in der Bewegungslehre. Bis dato hatte der Fokus vielmehr auf den Befehlsempfängern, der Muskulatur, gelegen. Nur eine Ansteuerung zur richtigen Zeit und mit der passenden Intensität führt zu einer perfekt koordinierten Bewegung. Bei einem Tennisspieler, der gerade zum Schlag ansetzt, beginnt der Kraftfluss am Boden, fließt durch den gesamten Körper und endet in der bestmöglichen Beschleunigung des Schlägers. Nur wenn jede einzelne Muskelfaser zum richtigen Zeitpunkt und mit der richtigen Intensität angesteuert wird, kommt es zu einer präzisen Beschleunigung des Tennisballs in der gewünschten Geschwindigkeit. Das ideale Nerv-Muskel-Zusammenspiel eines einzelnen Muskels, die sogenannte intramuskuläre Koordination, und das Zusammenwirken verschiedener Muskeln innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufes, die intermuskuläre Koordination, ermöglichen uns letztendlich eine funktionelle und ökonomische Bewegung.
Das Schlingentraining ist eine der besten Möglichkeiten, dieses Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Muskulatur zu optimieren. Jede Bewegung, ganz gleich welcher Qualität, erfordert eine neuronale Ansteuerung der Muskulatur. Soll die neuromuskuläre Kontrolle verbessert werden, muss das Training gewisse Kriterien erfüllen. Letztendlich geht es im Training darum, einen hohen sensorischen Input zu erzeugen, um daraus resultierend einen motorischen Output zu erhalten. Das Training sollte instabil sein, in der geschlossenen kinetischen Kette (siehe Foto) stattfinden und Bewegungen im dreidimensionalen Raum zulassen, um einen hohen sensorischen Input zu erzeugen.
Wie kaum ein anderes Trainingsgerät erfüllt das Schlingentraining jedes dieser Kriterien: Beim Schlingentraining handelt es sich um körpergewichtstragende Übungen, die ganze Muskelketten ansprechen. Dadurch kommt es zu einer Kontraktion von Agonisten und Antagonisten, Spieler und Gegenspieler stabilisieren das Gelenk. Die Instabilität der Schlingen erfordert eine dynamische Stabilisierung, aktiviert Mechanorezeptoren und verbessert motorische Abläufe. Die Schlingen erlauben eine freie Bewegung im Raum, dies erfordert Koordination, Gleichgewicht und Körperwahrnehmung (siehe auch »Jede Bewegung beginnt im Gehirn«, Seite 14).
Beim Training in der geschlossenen Kette trägt das von der Körpermitte entfernte Körpersegment – hier das linke Bein – Teile des Körpergewichts.
Durch die Instabilität der Seile wird bei jeder Übung automatisch auch die Gleichgewichtsfähigkeit trainiert, die eine wichtige Komponente der koordinativen Fähigkeit darstellt. So muss beim Trainieren...