Geleitwort
In dem von den beiden Herausgebern im gleichen Verlag 2012 herausgegebenen Buch Beschaffung in Gesundheitseinrichtungen lautete der Untertitel noch Sachstand, Konzepte, Strategien. Das jetzige Buch Modernes Beschaffungsmanagement in Gesundheitseinrichtungen fokussiert auf den Dreiklang von Qualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit. Zweifellos ist darin auch ein gewisser Wandel im Grundverständnis modernen Beschaffungsmanagements erkennbar. Es geht nicht nur um strategische Werkzeuge, um das, was wir früher bei Konzentration auf Preise von Waren und Dienstleistungen unter „Einkauf“ verstanden haben, möglichst günstig gestalten zu können. Neben der Suche nach zukunftsweisender Technologie sind heute Partner gefragt, mit denen Strategien, Organisationsstrukturen und Prozesse bei gestiegenen und geänderten Herausforderungen gemeinsam neu gestaltet werden können.
Die Zahl der aufgenommenen Patienten steigt, Indikation und Ablauf von Behandlungen werden ausgeweitet. Die Prozessabläufe im Krankenhaus werden aufgrund fortschreitender Spezialisierung sowie eines zunehmenden Angebots an diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen immer komplexer und schwerer überschaubar. Bei einer Zunahme an medizinischen Leistungen erweitert sich das Spannungsfeld zwischen Bedarf und limitierten Ressourcen. Ökonomisches Denken und Handeln spielt damit in der Medizin eine zunehmende Rolle.
Versorgungsqualität, Patientensicherheit, klinisches Prozessmanagement auf der Basis von evidenzbasierten Leitlinien und Behandlungspfaden, Versorgungsforschung, Kosten-Nutzen-Bewertungen unseres Handelns und Ansätze einer qualitätsorientierten Vergütung im Sinne von Pay for Performance sind längst Themen, die verstärkt in den Blickpunkt auch der medizinischen Professionen gerückt sind. So gilt es heute mehr denn je, bei allen Versorgungsentscheidungen in unserem Gesundheitssystem eine werteorientierte Abwägung vorzunehmen. Das betrifft Ärzte und Patienten gleichermaßen wie politische Entscheidungsträger, Krankenversicherungen und die Gesundheitsindustrie. Diese Herausforderungen werden bisher nur unzureichend reflektiert, weshalb Entscheidungsfindungen häufig auf einer ungenügenden rationalen Grundlage ablaufen. Machbares und Sinnvolles, Gesichertes und Finanzierbares müssen mit den Handlungs- und Entscheidungsprozessen in der täglichen Praxis in Einklang gebracht werden.
Lag früher die Entscheidungskompetenz für die Beschaffung von medizinischen Investitions- oder Verbrauchsgütern in erster Linie bei den leitenden Ärzten, hat sich dies heute nahezu ausschließlich auf das kaufmännische Management der Kliniken verlagert. Umso größer ist die Herausforderung, in neuen Kooperationsmodellen zu denken und sich dort auch einzubringen. Modernes Beschaffungsmanagement bestimmt heute die Qualität und die Ergebnisse der erbrachten Leistungen wesentlich mit und trägt entscheidend zur Prozesssicherheit und Risikominimierung und damit vor allem zur Patientensicherheit bei. Zweifellos gibt es in vielen Kliniken in manchen Bereichen noch immer große Potenziale, um ohne Qualitätsverluste für die medizinische Versorgung Kosten zu sparen. Der Dreiklang des Untertitels von Qualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit sollte aber zum Leitgedanken werden, der ein modernes Beschaffungsmanagement aktuell prägen sollte.
In den meisten Kliniken besteht großer Nachholbedarf in der Steuerung der innerbetrieblichen Logistik. Eine erste Analyse der Bestellprozesse von medizinischen Artikeln zeigt häufig, dass diese stationsübergreifend uneinheitlich organisiert sind und sich je nach Artikelklasse (zum Beispiel Implantate, Arzneimittel, Verbandsmaterialien) deutlich unterscheiden. Hier gilt es, Bestellklassen festzulegen, in denen die passenden Bestellprozesse und vor allem die Freigaberegelungen klar definiert sind. So lässt sich ein großer Teil der Bestellungen als „Standard“ etablieren, in denen Pflegepersonal oder Ärzte zwar den Bestellrahmen vorgeben, die eigentliche Bestellung und Lagerung aber von erfahrenem Logistikpersonal abgewickelt wird. Der Einkauf muss seinen Verantwortungsbereich auf die gesamte Lieferkette von der Materialanforderung bis zur Auslieferung auf Station – einschließlich des Zentrallagers – erweitern. Damit vergrößert sich auch sein Aufgabenspektrum: Die Einkäufer legen etwa regelmäßig die Bevorratungsmengen in Abstimmung mit den Anwendern fest, um hohe Lagerbestände zu vermeiden. Außerdem erfasst und misst der Einkauf als Verbrauchsmanager in seiner Schnittstellenfunktion gemeinsam mit dem Controlling die Bestellentwicklung in der Klinik und leitet bei Bedarf Maßnahmen zur Kostensenkung ein.
Das digitale Zeitalter beschleunigt die Marktpenetration mit Innovationen. Daten können Zusammenhänge verständlich machen, doch sie sind noch kein Wissen. Die menschliche Komponente, die Bedeutung von Beziehungen muss verstärkt in den Fokus rücken. Der „beste Preis“ ist eben nicht das Resultat einer harten Verhandlung, sondern guter Bedingungen, des richtigen Zeitpunkts und einer guten Vorbereitung. Und nochmal: Entscheidendes Kriterium einer optimalen Sachkostenstruktur ist die Abstimmung zwischen medizinischen Bedürfnissen und der Ökonomie – im Dreiklang Preis, Qualität und Patientensicherheit.
Das wird von namhaften Sachkennern unterschiedlicher Profession im Kontext des heutigen Gesundheitswesens und der aktuellen Trends sowie wesentlichen Einflussfaktoren des Beschaffungsgeschehens nicht nur als praktische Handreichung für die in der Beschaffung unmittelbar Tätigen vermittelt, sondern richtet sich auch und gerade an die Führungskräfte in den Gesundheitseinrichtungen. So, wie z. B. Chirurgie mehr ist als Operieren und es darauf ankommt, nicht nur die Dinge richtig, sondern auch die richtigen Dinge zu tun, so ist Beschaffung mehr als Einkauf und Preisverhandlung. Die Qualität eines Produktes ergibt sich aus seinen physikalisch-chemischen Qualitäts-Testverfahren, seiner Einsatzfähigkeit unter klinischen Bedingungen, seiner Anwenderfreundlichkeit und seiner Fehlertoleranz, nachgewiesen in Studien, Anwendungsbeobachtungen und Registern, am besten auch mit überzeugenden Langzeitergebnissen. Für die Qualität eines Produktes steht aber auch ein Patient ohne Schmerzen oder Nebenwirkungen, der langfristige Behandlungserfolg und nicht zuletzt die Finanzierbarkeit über das Sozialsystem.
Die Frage, wie sich ein Krankenhaus für die Zukunft richtig aufstellt, sollte getragen sein von gemeinsamen Entscheidungen darüber, ob Qualitätsverbesserung, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit ausgewogen gewährleistet sind. Strukturierte Leistungserbringung erfordert bei hoher Transparenz in allen Bereichen enge Zusammenarbeit von Management, medizinischem Personal und Einkauf. Oder, um einen Kapitelbeitrag aufzugreifen: Es geht um „Teambildung und Systemspiel im Beschaffungssport“.
Neuötting, im August 2018 Prof. Dr. med. Hartwig Bauer
Vorwort der Herausgeber
Nur wenige Jahre sind vergangen, seit wir im Jahr 2012 die Herausgabe des Buchs „Beschaffung in Gesundheitseinrichtungen“ verantworteten. Damals verfolgten wir die Absicht, in erstmalig gebündelter Form diverse einschlägige Themen und Aufgabenstellungen des Beschaffungswesens bezogen auf seine Entwicklung, Ausgestaltung und Organisation zu beschreiben.
Die Reflexion über eine nur weitere Auflage der damaligen Publikation zeigte jedoch, dass dem Fortgang des Beschaffungsgeschehens in den Einrichtungen des Gesundheitswesens damit nicht mehr Rechnung getragen werden kann: zu dynamisch erfolgt der Wandel im Gesundheitswesen, zu komplex sind Beschaffungsvorgänge geworden, als dass der Anspruch erhoben werden kann, das gesamte Beschaffungswesen noch in überschaubarer, „handlicher“ Form beschreiben zu können. Im Übrigen hat Beschaffung schon lange die Eigenschaft abgelegt, auf den einfachen Akt des preisgünstigen Kaufs von Produkten reduziert werden zu können – wenngleich diese Auffassung verschiedenen Orts immer noch vorzuherrschen scheint. Solche Gründe haben uns folglich veranlasst, in dieser Publikation den Akzent auf wichtige Aspekte eines modernen Beschaffungsmanagements zu legen. Die Notwendigkeit, sie bei Beschaffungsvorgängen zu beachten, ergibt sich dabei insbesondere aus Entwicklungen im Gesundheitswesen, die diese Aspekte gerade in den letzten Jahren – auch gesetz- und vorschriftenbezogen – deutlich in den Vordergrund geschoben haben: Güte, Qualität und Effizienz von Beschaffung und seiner Organisation, Risikominimierung beim Einsatz von Produkten, Sicherheit von Patientinnen und Patienten, Nachhaltigkeit, prozessorientierte und -integrierte Betrachtung von Beschaffung sowie gerade Letztgenanntes in Verbindung mit Informationstechnologie und Digitalisierung.
Unsere Autorinnen und Autoren waren deshalb gebeten, zu diesen Aspekten aus ihrer jeweiligen Expertise heraus Problemstellungen zu skizzieren, Lösungsvorschläge zu formulieren und Handlungsempfehlungen zu geben. Dabei ging es auch hier nicht darum, abschließende oder letztgültige Antworten zu finden, angesichts der heutigen Komplexität von Beschaffung wäre dieser Anspruch auch überzogen. Im Vordergrund der einzelnen Beiträge steht deshalb, auf Aufgabenstellungen und Themen hinzuweisen, die Strukturen, Abläufe und Merkmale eines zeitgemäßen Beschaffungswesens in seinen verschiedenen Bereichen und Zuständigkeiten heute kennzeichnen bzw. die beachtet werden sollten.
Da Beschaffungsvorgänge heute von Einzelnen nicht mehr allein zu bewältigen sind, sondern Beschaffung...