In diesem Kapitel soll ein Überblick über die Entwicklungen des Onlinelebensmittelhandels gegeben werden. Um einen tieferen Einblick in das umfangreiche Themenfeld des Onlinehandels zu erlangen wird in Kapitel 3.1. der aktuelle Stand des Onlinehandels für alle Produktgruppen näher behandelt. Darauf aufbauend wird in der Geschichte des Onlinehandels zurückgegangen und es werden die Anfänge des Onlinehandels von Lebensmittel in Kapitel 3.2. näher analysiert. Den Abschluss bilden Fallstudien über gescheiterte und erfolgreiche Onlinelebensmitteleinzelhändler und die Analyse der angewendeten Geschäftsmodelle.
In weitere Folge ist es interessant die Entwicklung der Internetnutzung näher zu analysieren. Waren im Jahr 2006 insgesamt 1,17 Milliarden oder 18% der Erdbevölkerung mit dem Internet verbunden so waren es im Jahr 2011 bereits rund 2,45 Milliarden bzw. 35 % der Weltbevölkerung. Dieses Wachstum konnte vor allem durch eine zunehmende Verbreitung von Internetzugängen in wirtschaftlich schwächeren Ländern erklärt werden (vgl. www.itu.int 2011).
Aufbauend auf die Definition von Heinemann kann die Entwicklung des allgemeinen Onlinehandels in fünf unterschiedliche Phasen gegliedert werden. Die ersten Onlineshops die einen größeren Kundenkreis ansprachen wurden rund um das Jahr 1993 gelauncht. Zu ihnen gehört beispielsweise der namhafte Vertreter Amazon. Das wesentliche Merkmal bei den ersten Onlineshops lag auf Einfachheit der Bedienung und somit die Erzeugung von Kundennachfrage. In der zweiten Evolutionsstufe des Onlinehandels von 1999 bis 2005 folgte die zunehmende Intensivierung des Wettbewerbes. Diese Entwicklung wurde maßgebend durch rasantes Wachstum der Onlinehändler als auch der Preisvergleichsportale vorangetrieben. Zwischen 2005 und 2008 wurden die KonsumentInnen in Anbetracht ihrer Erwartungen bei Besuch eines Onlineportales immer anspruchsvoller. Diese Zeitspanne stand somit im Zeichen der Verbesserung des Einkaufserlebnisses der KonsumentInnen. Seit dem Jahr 2008 mit bis dato anhaltender Tendenz wird der Onlineeinkauf sehr stark geprägt durch das sukzessive erweitern kollaborativer Elemente zwischen Händlern und KonsumentenInnen. Als Beispiel kann die Ermöglichung des Erfahrungsaustausches der Nutzer in den Onlineshops genannt werden. Mit steigender Verbreitung von Smartphones und Tablets wurde in den letzten Jahren ein zusätzlicher Trend hin zum Einkauf via mobiler Endgeräte eingeleitet (vgl. Heinemann 2012, S. 19 f.).
In Abbildung 4 wird weiterführend näher auf die weltweit erzielten Umsätze durch den Onlinehandel von Gütern eingegangen. Im Durchschnitt liegt das jährliche Umsatzwachstum im Zeitraum von 2006 bis 2011 bei 13%. Im Jahr 2011 lag der Umsatz der durch den Onlinehandel von Gütern erzielt wurde bei rund $ 399 Milliarden (vgl. Ben-Shabat et. al 2012, S. 3).
Abbildung 4: Weltweiter Umsatz Onlinehandel in Milliarden Dollar
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ben-Shabat et. al 2012, S. 3
Wechseln wir nun zu einer etwas lokaleren Betrachtung und beobachten die Internetnutzung in Deutschland und Österreich. Insgesamt waren im Jahr 2011 rund 61 Millionen oder 74,4% der deutschen Gesamtbevölkerung mit dem Internet verbunden (vgl. www.de.statistica.com 2013c) (vgl. www.de.statistica.com 2013d). Im März 2011 nutzten 46 Millionen deutsche NutzerInnen das Internet bereits täglich. Dies entspricht 66% der über 15-jährigen EinwohnerInnen Deutschlands (vgl. Krewinkel et. al. 2011, S. 395). In Österreich nutzten im Jahr 2011 insgesamt 4,9 Millionen Personen über 15 Jahren bzw. 75% der in diese Altersgruppe fallenden Personen die Möglichkeiten des Internets (vgl. Gittenberger/Vogl 2011, S. 13). Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Umsätze des Onlinehandels in Deutschland. Das durchschnittliche jährliche Wachstum zwischen 2006 und 2011 betrug in Deutschland rund 10,6% (vgl. www.de.statista.com 2013b).
Abbildung 5: Umsatz Onlinehandel Deutschland in Milliarden €
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an www.de.statista.com 2013b
In Österreich betrug im Jahr 2010 der Umsatz im Onlinehandel rund 1,9 Mrd. Euro bzw. 3,6% des gesamten Einzelhandelsvolumens in Österreich. Im Jahr 2006 hatte der Onlinehandel in Österreich noch ein Volumen von rund 600 Millionen Euro. Dieser Wert hat sich somit innerhalb von 5 Jahren mehr als verdreifacht (vgl. Gittenberger/Vogl 2011, S. 11).
Weiterführend ist es interessant zu evaluieren welche Unternehmen den größten Einfluss auf den Umsatz im Onlinehandel in Deutschland im Jahr 2011 hatten. Wie Abbildung 6 zeigt sind bei Betrachtung der zehn umsatzstärksten Onlinehändler auf Platz zwei und drei mit Otto[4]und Neckermann zwei historisch offline tätige Versandhändler wieder finden (vgl. www.de.statista.com 2013e).
Abbildung 6: Umsatz der 10 größten Onlinehändler in Deutschland im Jahr 2011 in Millionen Euro
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an www.de.statista.com 2013e
Wie bereits zu Beginn erwähnt ist ein globaler Rückstand der Zustellung von Lebensmittel erkennbar. In dem folgenden Kapitel werden die Ursachen und Gründe für den Rückstand des Onlinekanales des Lebensmitteleinzelhandels näher benannt.[5]
Die ersten Lebensmitteleinzelhändler, die sich auf das zur damaligen Zeit noch sehr neue Feld der Onlinebestellung und Zustellung von Lebensmittel wagten, traten in den 90er Jahren auf. Bereits kurz nach den ersten Erfolgen waren sich viele ExpertInnen einig, dass in der Onlinebestellung von Lebensmitteln eine große Zukunft liegt (vgl. Weitz 2010, S. 357).
Rund um die Jahrtausendwende wurden große Investitionen in neue Konzepte getätigt. Allen voran kann an dieser Stelle das Unternehmen Webvan genannt werden, dass im folgenden Kapitel eingehend analysiert wird. Getrieben von den positiven ExpertInnenmeinungen zur Entwicklung des Onlinekanals und der entstehenden dot.com Blase drängten immer mehr Anbieter in das neue Segment. Es war zu diesem Zeitpunkt relativ leicht Investitionskapital zu
akquirieren. Die angewendeten Geschäftsmodelle waren dabei sehr unterschiedlich (vgl. Weitz 2010, S. 357).
Es kann grob zwischen einzig über den Onlinekanal tätige Unternehmen (pure-player) und Unternehmen, die ein kombiniertes Geschäftsmodell (clicks-and-bricks) anwenden, unterschieden werden. Die strikte Umsetzung einer pure-player Strategie via Onlinekanal würde somit eine Singlechannel Strategie darstellen. Im Gegensatz dazu stellt das Geschäftsmodell des click-and-bricks Anbieters eine Multichannel Strategie dar, weil der Absatz sowohl online als auch in offline Formen erfolgt. (vgl. Janson et al. 2007, S. 59-62) (vgl. Shea/Zivic 2003, S. 23 ff.). In Kapitel fünf wird näher auf Singlechannel- sowie Multichannel Strategien eingegangen.
Aufschlussreich sind in dem Zusammenhang die Erkenntnisse zur Rentabilität und Nachhaltigkeit der beiden Geschäftsmodelle rund um die Jahrtausendwende. Wie bereits kurz angeführt wurden in den späten 90er Jahren hohe Investitionen in beide Geschäftsmodelle von diversen Betreibern getätigt. Bereits im Jahr 2002 hatten viele vielversprechend gestartete Unternehmen den Markt wieder verlassen. Besonders das Geschäftsmodell des pure-player schien rund um das Jahr 2003 wenig zukunftsträchtig zu sein. Die pure-player Strategie die von Unternehmen wie Webvan, Streamline und Shop link umgesetzt wurde, stellte im Vergleich zum clicks-and-bricks Ansatz, der beispielsweise von Tesco und Ahold weiterhin erfolgreich umgesetzt wird, die wesentlich aggressivere Umsetzung der Onlinestrategie dar.[6]Die angestrebten Nutzer- und finanziellen Kennzahlen konnten bei der pure-player Strategie allerdings nur selten erreicht werden. Alles in allem wurde mit zu optimistischen und kurzfristigen Erwartungen kalkuliert. Auch die Unternehmensprozesse waren auf kurzfristigen enormen Anstieg der NutzerInnen ausgelegt. Nach den Erkenntnissen, die in dem Zeitraum der späten 90er und dem Jahr 2002 in Bezug auf Onlinehandel von Lebensmittel gewonnen wurden, kann von dem Übergang der ersten zur zweiten Generation des Internethandels von Lebensmittel gesprochen werden. Wesentliche Erkenntnis war, dass ein Übergang von einer strikt umgesetzten pure-player Strategie die die Wünsche des Kunden nur am Rande beachtete und sich mehr auf die Erzielung von Skaleneffekte fokussierte, auf eine stärkere Ausrichtung auf die Kundenwünsche und somit eine Zentrierung und Anpassung des Geschäftsmodelles auf die Wünsche und Vielseitigkeit der KundInnen stattfinden musste (vgl. Shea/Zivic 2003, S. 23 ff.).
Wie bei der Fallstudie Freshdirect in Kapitel 3.4.2. analysiert wird, ist die pure-player Strategie durchaus nachhaltig umsetzbar. Nichtsdestotrotz konnte in den späten 90er Jahren bis zum Jahr 2002 fundamentale Erkenntnisse zur Verbesserung der...