Problemzonenpost:
Briefe an angehörige Körperteile
Liebe Hüftknochen,
seit Jahren haben wir uns nicht gesehen. Um genau zu sein, seit etwa 1997. An mir, ihr kleinen scharfkantigen Knochen-Klippen, liegt es nicht. Ihr habt Schuld. Denn ihr versteckt euch. Unter Bergen von Speck haltet ihr euch geschickter verborgen als der tasmanische Wolf in den Weiten Australiens, und fast könnte man glauben, dass ihr wie das scheue Tier längst ausgestorben seid. Ein Irrtum. Ich weiß nämlich, dass es euch gibt, und ich werde es beweisen, euch wieder zum Vorschein locken und der Welt zeigen, dass auch ich mit ein paar fabelhaften Hüftknochen ausgestattet bin. Auch wenn es sicher nie mehr so wird wie in jenem herrlichen Sommer vor 20 Jahren. In Sardinien (damals war Urlaub in Sardinien noch erschwinglich). Ich lag am Strand. Und ihr habt dafür gesorgt, dass ich mir selbst im Liegen in die Bikinihose gucken konnte. Die Hose lag quasi auf euch auf. Wie ein Steg auf zwei herrlich grazilen Brückenköpfen. Wow. Nicht, dass die Aussicht dauerhaft aufregend war. Man kennt sich schließlich, und außerdem gibt es auf Sardinien auch noch andere Sehenswürdigkeiten. Aber dieses Staksige, diese Zartheit, dieses Fohlengleiche, das hatte schon was. Okay, heute müsste ich mir eher Sorgen um meine Gesundheit machen, würdet ihr mir den gleichen Anblick wie damals präsentieren und mich damit für einen Calista-Flockhart-Ähnlichkeitswettbewerb qualifizieren. Dennoch: Ich will wenigstens sehen, dass es euch gibt. Schließlich gehört ihr doch zu meinen nächsten Angehörigen, und außerdem seid ihr zu jung, um euch auf euren Sardinien-Lorbeeren auszuruhen. Und deshalb: Achtung Hüftknochen! Jetzt ist es vorbei mit eurem Backstage-Leben, ich werde euch Pfund für Pfund aus eurem gemütlichen Moppel-Panzer schälen und somit beweisen, dass ihr nicht nur in meiner Erinnerung existiert.
Liebe Oberarme,
ja, bald werde ich euch wieder an das Licht der Öffentlichkeit lassen. Es besteht Hoffnung, dass euer 24-Stunden-Vermummungsgebot aufgehoben wird und ihr wieder einmal frei durchatmen könnt. Es gibt nur eine klitzekleine Bedingung für die Stofffreiheit. Ihr müsst vorher einen lächerlich winzigen Test bestehen, wirklich eine Lappalie – jedenfalls gemessen an den 30 000 Kakerlaken, die Daniel Küblböck über sich ergehen lassen musste – und das vor Kameras. Nein, die Aufgabe, die ihr bewältigen müsst, ihr lieben Oberarme, die könnt ihr ganz allein daheim im Badezimmer angehen, ohne dass RTL oder die Bildzeitung dabei zugucken. Geht ganz einfach. Man stellt sich vor den Spiegel, hebt den Arm und winkt sich selbst im Spiegel zu. Sollte sich dabei zeigen, dass nicht nur die Hand, sondern auch der Oberarm unaufgefordert winkt und zwar auch dann noch, wenn die Hand längst damit aufgehört hat, und bei diesem hässlichen Schwabbeln so eine Zugluft entwickelt, dass man sich dabei die Haare föhnen kann, dann ist der Winktest leider nicht bestanden und ihr müsst eure Undercover-Existenz noch eine Weile weiterführen – jedenfalls so lange, bis der Trizeps (ein Muskel) eurem unzulässigen Bewegungsdrang endlich straffe Zügel anlegt. So lange heißt es leider weiterhin: keine ärmellosen Tops, keine ärmellosen Kleider. Das habt ihr davon, dass ihr Dinge tut, die mit mir nicht abgesprochen sind und die ich auch nicht gutheißen kann. Denn schwabbelige Oberarme sehen so aus, als würde man hauptberuflich als Seismograph arbeiten, weil sie jede noch so kleine Erschütterung sofort in Bewegung umsetzen. Nicht gerade sexy. Außerdem machen sie definitiv alt und wirken ziemlich unsportlich. Nonverbale Botschaften, auf die ich gut verzichten kann. Also Arme, es geht euch an den Speck. Ich wünsche mir so muskulöse und hübsch geformte Oberarme, wie sie all diese sportlich trainierten Fitnessstudiomädels haben. Genau solche. Jawohl! Winkt nochmal tüchtig und verabschiedet euch von eurem alten, schwabbeligen Ich – bald ist es nämlich vorbei mit den eigenmächtigen Bewegungen. Dafür werdet ihr endlich mal wieder Tageslicht sehen und durchatmen dürfen.
Liebe Oberschenkel,
seid ihr siamesische Zwillinge? Oder was soll das ständige zusammenkleben? Liebt ihr euch so, dass ihr gar nicht voneinander lassen könnt? Womit beschäftigt ihr euch nur die ganze Zeit? Erfindet ihr Namen für meine Schwangerschaftsstreifen? Wisst ihr nicht, dass zu viel Nähe für eine wirklich gute Beziehung ziemlich schädlich ist, weil man irgendwann zu viel voneinander weiß, jede Pore kennt und voraussagen kann, was der andere in zwei Stunden sagen wird? Ich weiß, wovon ich spreche, schließlich habe ich zwei Beziehungsratgeber geschrieben und kann nur raten, auch mal auf Abstand zu gehen, um sich auf Dauer nahe sein zu können. Und außerdem: Denkt doch mal an Thomas Anders und Nora oder Naddel und Dieter – auch sie waren wie zwei zu dicke Oberschenkel und sprechen heute bloß über ihre Anwälte miteinander. So weit wollt ihr es doch nicht kommen lassen? Am Ende trennt ihr euch im Bösen, und ich sehe dann aus wie eines dieser Magermodels, die so dünn sind, dass man in der Lücke zwischen ihren Beinen mühelos einen Airbus parken könnte. Außerdem: Bei der durch euer enges Zusammensein entstehenden Reibung werde ich irgendwann Flammen schlagen und das ganz ohne Feuerzeug oder Streichhölzer. Das mag für Survival-Aufenthalte im Dschungel extrem praktisch sein, in meinem Alltag sind kleine Lagerfeuer nicht weiter von Bedeutung. Ich habe nämlich einen Elektroherd und eine Mikrowelle daheim. Also: Geht lieber freiwillig etwas auf Abstand – und zwar gleich!
Liebe Waden,
»stramm« ist noch das netteste, was man über euch sagen kann. Denn eigentlich seid ihr, so wie ihr ausseht, als Oberschenkel von Kate Moss gedacht oder als Oberarme von Lisa Fitz geplant gewesen. Aber bei der Lieferung muss irgendetwas schief gegangen sein. Nun hängt ihr an mir, und ich muss damit leben, dass ich wenigstens knieabwärts so aussehe, als würde ich regelmäßig bei der Tour de France mitradeln. Okay, ich will nicht jammern, zumal es sicher Schlimmeres gibt als zu viel Wade – gar keine beispielsweise, also Unterschenkel, die so schmal sind, dass man zwei Beine in einen Stiefel stecken könnte und noch genügend Platz hätte, Sabrina Setlur im Schaft unterzubringen. Das mag sehr praktisch sein. Aber schön ist es nicht. Damit tröste ich mich, wenn ich – getrieben von grundlosem Optimismus – mal wieder in einem Schuhgeschäft einen Stiefelreißverschluss über die Wade bringen will, was in der Regel so erfolgreich ist wie der Versuch, einem Blumenkohl ein Kondom überzuziehen. Das bringt einen garantiert wieder auf den Boden der Tatsachen, also in jene Regionen, in denen man lernt, was wirklich zählt: dass ihr brav eure Arbeit tut, mir beim Joggen dufte Dienste leistet und vielleicht nicht perfekt, aber sicher hübsch muskulös und damit gar nicht übel seid.
Liebe Brüste,
keine Frage, natürlich ist die Schwerkraft auch an euch nicht spurlos vorbeigegangen. Das ständige Zu- und Abnehmen macht euch zusätzlich wenig Freude. Dennoch habt ihr euch ganz gut gehalten. Ihr ward eine der wenigen Körperzonen, die vom Fett durchaus profitiert haben, und so seid ihr mir auch zu meinen moppeligsten Zeiten ein echter Trost gewesen. Denn ihr wart die Einzigen, die die paar Pfund mehr optimal genutzt haben und mir ein paar zusätzliche Schauwerte bescherten. Dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank! Schon deshalb würde ich euch niemals eintauschen, auch weil ich nicht aussehen möchte wie die Heimat von Jim Knopf: eine Insel mit zwei Bergen, die sich auch im Liegen noch wie zwei umgestülpte Plastiksandeimerchen unnatürlich starr nach oben strecken und sich so sexy anfühlen wie ein Stapel Ziegelsteine. Nein, ich habe den Ehrgeiz, eine der wenigen Frauen im deutschen Fernsehen zu bleiben, die noch ihre Erstausstattung trägt. Obwohl es zunehmend mehr Frauen gibt, die den Gedanken anscheinend reizvoll finden, dass wenigstens ihre Silikoneinlagen einen Atomkrieg überstehen und vielleicht den Grundstein für neues Leben legen könnten, gemeinsam mit Einzellern und Kakerlaken. Ich persönlich lege allerdings keinen gesteigerten Wert darauf, meine Brüste zum Teil einer neuen Lebensform zu machen. Außerdem schreckt mich die Vorstellung, schon zu Lebzeiten eine Art Sondermülldeponie in meinem Körper herumzutragen, und auch deshalb bin ich ziemlich froh, dass meine natürlichen Brüste so kooperativ sind, mir wenigstens zwei gute Gründe zu liefern, den Versuchungen der plastischen Chirurgie weiterhin zu widerstehen.
Lieber Bauch,
du bist wahrscheinlich das strapazierteste Körperteil und warst den schwersten Belastungen ausgesetzt. Zwei Schwangerschaften sind natürlich eine mittlere Zumutung für dich gewesen. So weit sind wir uns einig. Auch ein Luftballon sieht, nachdem man ihn mehrfach aufgeblasen hat, um dann, kurz bevor er platzt, plötzlich alle Luft wieder herauszulassen, nicht mehr aus wie neu, sondern neigt dazu, etwas an Elastizität zu verlieren. Ich war nach jeder meiner Schwangerschaften erstaunt, dass sich mein persönlicher körpereigener Medizinball überhaupt wieder zurückgezogen hat. Danke Bauch, das war ziemlich nett von dir, mich nicht mit einem Hautfutteral von der Größe eines Zweimannzeltes zurückzulassen, sondern dich zur gegebenen Zeit vornehm zurückzuziehen. Schließlich hättest du dich auch bis zum Knie hängen lassen können. Nein, du warst gnädig und hast dich darauf beschränkt, mir bloß ein kleines Reliefmuster zu...