Meine Verletzungen waren: Schwere Gehirnerschütterung, große Platzwunde an der Stirn, rechtes Wadenbein gebrochen, linkes Handgelenk und linker kleiner Finger verletzt. Der erste Eindruck der Menschen, die das aus nächster Nähe erlebten, war, das ist der erste Tote beim Moto-Cross. Die Platzwunde an der Stirn war so stark aufgequollen, dass es aussah, als hätte ich ein Loch im Schädel. Es soll sehr stark geblutet haben. Mein blauer Pullover (DKW Mannschaftsblau) wäre bis zur Hälfte mit Blut vollgesaugt gewesen. Von mir waren alle Geister gewichen, ich ließ alles hängen, der Arzt, der mich als erster untersuchte, hob meine Augenlider in die Höhe, die Augen waren total verdreht.
Wenn man die Tage danach mich fragte, wie ich heiße, ich wusste es nicht. Weil ich es nicht wusste, lief mir das Wasser aus den Augen. Vom Unfall wusste ich überhaupt nichts. Erst, als man nach drei Tagen mir alles erzählte, fing mein Hirn an, die einzelnen Begebenheiten wieder einzuordnen, sich daran wieder zu erinnern. Wegen der Gehirnerschütterung musste ich vierzehn Tage im Bett liegen, die Wunde wurde zugenäht, der Wadenbeinbruch heilte von selbst wieder zusammen. Weil man aber damals noch nicht die Technik hatte wie heute, die Knochenteile zusammenzuschrauben, sieht man diesen Bruch auf dem Röntgenbild heute noch ganz deutlich als dicken Knuppel, und es dauerte viel zu lange, bis er zusammengeheilt war.
In Ingolstadt wurde ich verwöhnt von allen Seiten. Aber bekam Fahrverbot für Mai und Juni. Man nahm mich sonntags mit zu den Rennen, durfte aber nur zusehen.
Als ich fast wieder fit war, lies man mich mit einer 250ccm Geländesportmaschine nach Rudersberg fahren. Unterwegs am Stadtanfang von Donauwörth nach einer Linkskurve stieß ich mit viel Geschwindigkeit gegen einen Mercedes 170 V. Dieser schlich mit Schrittgeschwindigkeit nach der Linkskurve auf der Straße dahin. Ich hatte ihn gesehen, meinen Blick aber schon nach weiter vorne gerichtet und stieß gegen seinen Kotflügel hinten links. Dass der Wagen so langsam fuhr, hatte ich nicht einkalkuliert. Und wieder mit Krankenwagen ins Krankenhaus, und wieder Röntgen.
Mitte Juli gab der Arzt mich wieder frei, durfte ein Rennen probieren, aber es war deprimierend. Mein Wadenbein machte sehr starke Schmerzen, so stark, dass ich nach ein paar Trainingsrunden rausfahren musste. Es deprimierte mich so, dass mir im Fahrerlager die Tränen flossen. Es schüttelte mich regelrecht. Im Betreuerwagen ließ ich meinen Tränen freien Lauf. »Sigi« Siegfried Wünsch setzte sich neben mich und versuchte mich zu trösten.
Wilhelm Maisch
Bei diesem Unfall in Erlangen, hatte es auch den Chef der Maico Werke, Herrn Wilhelm Maisch, schwer erwischt. Er wollte den heranrasenden Maschinen davonspringen, sprang aber voll in die Maschine eines Fahrers aus seinem Rennstall hinein. Resultat war ein komplizierter Oberschenkel-Knochenbruch. Damals fehlte den Ärzten noch das Wissen, wie man viele Knochenteile zusammenfügt, dass sie einwandfrei wieder zusammenwachsen. Er hatte noch jahrelang Probleme. Dazu kam, dass er zu früh wieder auf den Beinen war, der Knochen wurde nicht fest. Als Chef einer kleinen Fabrik musste er aber im Büro sein, besonders in dieser Umbruchzeit vom Motorrad zum Kleinwagen.
Ende Juli, Anfang August 1955 waren meine Schmerzen weg. Ich hatte sukzessiv, das heißt so gut es ging, die Zeit genützt und mit dem Krafttraining »Sport und Yoga« meinen Körper und Geist gestählt und trainiert.
Durch die Schmerzen im rechten Wadenbein änderte sich mein Fahrstil, das heißt, möglichst nie den Fuß von der Raste nehmen und alles im Stehen zu fahren. Das auch in schnellen Kurven. Es soll sehr elegant und leicht ausgesehen haben. Es wurde auch von den Fahrern, der Presse und den Zuschauern gewürdigt.
Siegerehrung in Esslingen: 1. Platz Dieter Haas, 2. Platz Willy Oesterle
»Flugschau« in Schwäb. Gmünd
Tettnang am Bodensee
175 und 250ccm, Erster Platz
350ccm, Dritter Platz
Sonderlauf Zweiter Platz.
Endlich sah die Welt wieder etwas rosiger aus.
Auf dem Rückweg von Tettnang auf einer Landstraße, wir Fahrer saßen in einem kleinen Bus, waren alle guter Laune, faxten so herum, sprachen mit dem Monteur »Icke«, der unser Fahrer war. Dieser schaute zurück zu uns, kam dabei zu weit nach rechts und schon fuhren die rechten Räder im Straßengraben entlang. Großes Geschrei, mit vielen Ratschlägen, was der Fahrer tun sollte. »Gib Gas«, »links einschlagen«, »bremsen«, »eine Einfahrt kommt«, »Halt.« Er bremste, der Wagen stand in Schräglage, und dann kippte er ganz langsam auf die rechte Seite. Juhu, war das eine Gaudi, ein Geschrei mit Freude vermischt. Es klapperte und schepperte. Alles, was wir als Preise erhalten hatten, die Pokale, Geschenke, Koffer purzelten durcheinander. Wir selbst hatten uns irgendwie festgehalten. Gurte gab es damals noch nicht.
Sieg in Tettnang, hinter mir Rennmonteur Icke
Der Monteur Icke schrie als Erster: »Ist jemandem etwas passiert?« »Nein.« Er schrie: »Nicht auf die Fenster treten.« Wir schrieen: »Fenster aufmachen«, »Aussteiga lassa, das Zügle fährt ab.« Wie in dem Bayrischen Lied: »Der Wagen von der Linie acht, in die Mitte gehen bitte… « Der Monteur drehte an seiner Türe das Fenster herunter und wir stiegen alle durch diese Öffnung raus. Wie aus einem U-Boot. Weil die Schiebetüre auf der Seite war, auf die sich der Bus gelegt hatte, konnte man diese nicht öffnen. Wir standen um das Auto herum und gaben mehr oder weniger gescheite Äußerungen von uns, bis dann das Kommando kam, »Alle anfassen« und »Hau Ruck«. Das Auto stand wieder auf den Rädern, zwar mit Schräglage, aber es stand. Jetzt festhalten, dass es nicht wieder umfällt. »Monteur Icke reinsitzen«, »Motor anlassen«, alle anderen schieben und aus dem Graben raus fahren. Es klappte problemlos. Auf der Straße den Motor wieder aus und rundum den Wagen begutachten. Man sah nichts, war er doch langsam und weich in die Wiese gekippt. Dem Monteur fiel ein Stein vom Herzen, weniger wegen des Wagens, vielmehr, dass uns, den Fahrern, nichts passiert war.
Schwäbisch Gmünd
zwei erste Plätze
Immenstadt
175ccm, Erster Platz
250ccm, Zweiter Platz
im schönen Allgäu. Dort entfachte ich einen Hexenkessel bei den Zuschauern. Mir war in der zweiten Runde in der Klasse bis 175ccm, an vierter Stelle liegend, wegen eines Kuhfladens die Maschine weggerutscht und ich ging als Letzter wieder ins Rennen. In der vorletzten Runde überholte ich den bis dahin an erster Stelle liegenden. Die Zuschauer vom Sprecher, dem Kommentator des Rennens, Theo Esser, auf mich aufmerksam gemacht, begleiteten mich mit einem Beifallssturm auf meiner Fahrt bis an die Ziellinie.
Den Sonderlauf hätte ich gewonnen, wenn, ja, wenn mir nicht der Motor zu heiß geworden wäre. Ein Loch im Kolbenboden! Warum?
Es war nun schon das dritte Mal, dass der 175-ccm-Motor ein Loch im Kolben hatte. In der Zeit, in der ich wegen des Unfalls nicht fahren konnte, hatte ich die Kanäle in meinem Zylinder genau und sauber nachgearbeitet. Mit der Erfahrung aus der dreckigen Arbeit im Januar hatte ich die Überström- Einlassund Auslasskanäle nachgearbeitet und poliert. (Hört der Leser etwas? Manchmal hat dreckige Arbeit auch etwas Gutes.) Zusätzlich hatte ich mir noch einen Ansaugtrichter vor den Vergaser gemacht, anstatt des simplen Luftfilters mit Metallgitter. Seit dieser Korrektur ging mein Motor viel besser, er nahm das Gas besser an, lief in allen Lagen viel giftiger. Das sagte ich allerdings niemandem.
Dieses Rätsel, dass der Motor nur ein Training und ein Rennen hielt, löste ich erst etwas später. Unser erster Monteur, den ich mal händeringend um Rat fragte, meinte: »Probier’s doch mal mit einer größeren Hauptdüse im Vergaser.« – Das war‘s. – Der Motor lief seit meinen Nacharbeiten zu mager. So sagt man in Fachkreisen. Die Anteile von Luft und Kraftstoff hatten nicht mehr das richtige Verhältnis. Man sagt, Lambda 0,9 ist die ideale Einstellung bei Volllast.
Nach den verschiedenen kleineren Rennen, alle in der Wertung als württembergische oder bayrische Meisterschaftsläufe, kam der vorletzte deutsche Meisterschaftslauf in
Stgt. Bad-Cannstatt Burgholzhof
175ccm, Erster Platz
250ccm und 350ccm, Fünfter Platz.
Die anderen hatten in den vorhergehenden Rennen die Punkte eingefahren. Hier stieß die ganze deutsche Elite aufeinander. Inzwischen war mir meine 175er Maschine sehr ans Herz gewachsen. Die 250-ccm-Maschine fuhr ich nur noch als Ausfüller. Mit dieser drehte ich in der Hauptsache die Trainingsrunden, um die Kleinere zu schonen. In der Klasse bis 175ccm hatte Dieter Haas auf Maico schon so viel Punkte, dass er nicht mehr einzuholen war. Er war ein sehr junger Mann, gemanagt von seinem Vater. Diese beiden hatten mit Moto-Cross Rennen schon so viel Geld verdient, dass sie davon leben konnten und er war offizieller Maico-Werksfahrer.
1955 Moto Cross in Schwäbisch Gmünd 3. v.li.: Ing. Widmann, Monteur Scheurer, Willy Oesterle, Reinhold Vetter, Herbert Ott, Gretel Biehlmaier, Ausweisfahrer Bitzer
1955 Start in Immenstadt v.li.: Willi Bauer, Manfred Ziegler, Rolf Müller, Otto Walz alle Maico, Willy Oesterle DKW
Von Rudersberg waren meine Clubkameraden mit Kind und Kegel angereist. Beim Training hatte ich...