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E-Book

Mozart und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit

AutorHelmut Reinalter
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl122 Seiten
ISBN9783706558013
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dieser Band der renommierten Reihe 'Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei', herausgegeben vom Historiker Univ.-Prof. Helmut Reinalter, beschäftigt sich in wegweisenden Beiträgen mit den Geheimgesellschaften zur Zeit Mozarts. Erstmals werden in einer wissenschaftlich fundierten Zusammenschau sowohl freimaurerische als auch andere Geheimgesellschaften analysiert. Weit über den biografischen Ansatz hinausgehend, dokumentieren die Beiträge die umfassenden kultur- und sozialgeschichtlichen Einflussnahmen der Geheimbünde im josephinischen Österreich. Basis des Bandes bildete eine im Sommer 2006 stattgefundene Tagung der Freimaurer-Akademie der Großloge von Österreich, die in Kooperation mit dem Privatinstitut für Ideengeschichte in Innsbruck und dem Da Ponte-Institut in Wien durchgeführt wurde.

Der Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Helmut Reinalter, geboren in Innsbruck 1943, Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Innsbruck, Dr. phil. 1971, Habilitation aus Geschichte der Neuzeit 1978, Forschungsaufenthalte in Frankreich, England, Italien, Deutschland, Tschechien, Russland und Polen, Gastprofessor in Aix-en-Provence, Salzburg und Luxembourg, Univ.-Prof. an der Universität Innsbruck seit 1981, Leiter der Internationalen Forschungsstelle 'Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850' an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, Vorsitzender des Senatsarbeitskreises Wissenschaft und Verantwortlichkeit. Mitglied der 'Commission Internationale d'Histoire de la Révolution francaise' an der Sorbonne in Paris, des Akademischen Rates der Humboldt-Gesellschaft sowie der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.

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Leseprobe

Helmut Reinalter


Einführung


Die Aufklärung wird in der neueren Forschung häufig als bürgerliche Emanzipations- und Bildungsbewegung mit der höfisch-aristokratischen Kultur des Barock verglichen und davon abgegrenzt. Dabei wird offenbar übersehen, dass im 18. Jahrhundert noch die Aristokratie politisch und kulturell dominierte. Allerdings erhöhte sich die Zahl der bürgerlichen Gelehrten, Schriftsteller und Künstler, die alle von einer spezifischen Welt- und Lebensanschauung geprägt waren, die als bürgerliche Mentalität bezeichnet wurde. Darunter verstand man vor allem die Betonung der Persönlichkeit, die nicht durch Geburt und Zugehörigkeit zu einem Stand und Verband, sondern durch die unveräußerliche Menschenwürde, durch Leistung und Verdienst bestimmt war. Die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander unterlagen einem Rationalisierungs- und Funktionalisierungsprozess. Sie wurden nicht mehr als gegeben hingenommen, sondern als Aufgabe und Chance der Gestaltung im Interesse der Menschen aufgefasst.

Die bürgerliche Welt- und Lebensanschauung manifestierte sich auch in neuen Geselligkeits- und Vergesellschaftungsformen. Zu ihnen gehörte eine Vielzahl unterschiedlicher Sozietäten, wie Akademien, Gelehrten- und Lesegesellschaften, ökonomische und patriotische Sozietäten und die Freimaurerlogen, die sozial von der höfischen Welt bis in das gebildete und besitzende Bürgertum hineinreichten. Allen diesen Gesellschaften war auf ähnliche oder unterschiedliche Weise das Bekenntnis zur Aufklärung, die Verwirklichung des Gemeinwohls und die Förderung der Bildung und Wissenschaften gemeinsam. Innerhalb der bürgerlichen Emanzipationsbewegung bildeten sie eine eigene Entwicklungsstufe zwischen feudaler Kooperation und bürgerlicher Assoziation und trugen – mit Ausnahme der Geheimgesellschaften – wesentlich zur Entstehung der Öffentlichkeit bei. Die Aufklärungsgesellschaften müssen als Erscheinungsform eines tief greifenden Transformationsprozesses gesehen werden, der die Entstehung der modernen bürgerlichen Gesellschaft beeinflusst hat. Nur auf der Grundlage des sich langsam herausbildenden modernen Staates mit seiner Bürokratie und mit der Emanzipation des Bürgertums konnten sich die aufklärerischen Sozietäten konstituieren, in denen erstmals über konfessionelle, staatliche und ständische Interessen hinweg für die ganze Gesellschaft verbindliche, gemeinsame Anliegen vertreten wurden. Die Sozietäten der Aufklärung bildeten einen besonderen sozialen Kristallisationspunkt und ein wichtiges Forum für aufklärerische Diskurse. Ihre Zahl und Bedeutung nahmen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu, sodass bald in ihnen ein erheblicher Teil des Bürgertums neben dem Adel organisiert war.

Die Freimaurerei hat als gesellschaftliche Formation die Aufklärung mitgeprägt und im Josephinismus eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Sie stellte mit ihren z.T. strukturellen Gemeinsamkeiten eine spezifische Antwort auf das politische System des Aufgeklärten Absolutismus dar. Verschiedene Gruppen, die sozial anerkannt, aber z.T. ohne politischen Einfluss waren und in den bestehenden Einrichtungen des Staates keinen adäquaten Raum fanden, trafen sich in Kaffeehäusern, Akademien, Klubs und Salons, in Bibliotheken und literarischen Gesellschaften, um Kunst, Kultur und Wissenschaft zu betreiben. Versuche dieser Gruppen, eine selbstständige politische Tätigkeit zu entwickeln, scheiterten größtenteils am Staat, der seine Ordnung in Frage gestellt sah.

Die Freimaurerei übte einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die „Erosion der höfisch-aristokratischen Standeskulturen“ und auf die Entstehung einer neuen bürgerlichen Oberschichtenkultur aus. Aufklärung und Geheimnis waren im freimaurerischen Verständnis kein Widerspruch. Das Geheimnis enthielt als organisatorische und symbolisch-kulturelle Kraft bestimmte sozio-kulturelle Transformationsmöglichkeiten, die im Zuge des Strukturwandels von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft für das Bürgertum und für Teile des Adels emanzipatorische Aspekte aufwiesen. Dazu kam noch ein in Ansätzen entwickeltes demokratisches Potential trotz Hierarchisierungstendenzen in den Hochgraden, das sich in der Freimaurerei nicht nur in der ständischen Nivellierung, in der Verwirklichung der gesellschaftlichen Gleichheit und im humanen Prinzip „Mensch unter Menschen“ manifestierte, sondern auch in der Selbstordnung und Selbstverwaltung, in der relativ stark ausgeprägte Formen der Willensbildung erkennbar waren. Das manchmal offene Bekenntnis der Freimaurerei zur Demokratie war gegen das real bestehende politische System des Absolutismus gerichtet.

Die angestrebte Freiheit vom Staat war das eigentliche „Politicum“ der an sich als Organisation unpolitischen Freimaurerei, denn ihre Unabhängigkeit und Freiheit konnte sich nur in jenen Bereich verwirklichen, der nicht unter dem Einfluss der kirchlichen und politischen Instanzen stand. Die Freimaurerlogen stellten eine neue, der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft entsprechende Organisationsform dar. Sozialontologisch hat Lessing diesen Aspekt in seinem Freimaurergespräch „Ernst und Falk“ zum Ausdruck gebracht. Darin tritt besonders die soziale Funktion der Logen hervor. Die Bürger integrierten den sozial anerkannten, aber politisch zum Teil entrechteten Adel und schufen damit eine Grundlage der Zusammenarbeit auf der Basis sozialer Gleichberechtigung.

Die Freimaurerei zur Zeit Mozarts war durch verschiedene Richtungen und Strömungen gekennzeichnet. In der Zeit vom 16. Juli bis 1. September 1782 tagte in Wilhelmsbad bei Hanau ein internationaler Freimaurerkonvent, der aufgrund der Ausuferung der schottischen Hochgradmaurerei in Europa, des Auftretens unseriöser Konkurrenten, der Fehlentwicklungen in System und Ritual, der Abspaltungsversuche und Legitimationsprobleme einberufen wurde. Die Zweifel an der Beweisbarkeit einer unmittelbaren Filiation zwischen dem Tempelritterorden und dem neuen freimaurerischen Tempelrittern nahmen zu, und auch die Erfassung „unbekannter Oberer“ stieß auf ernsthafte Probleme. Auf dem erwähnten Konvent traten sehr heterogene, esoterisch-ideologische Strömungen hervor. Die drei Hauptgruppen umfassten die Anhänger verschiedener hermetisch-alchemistischer Traditionen, die französischen Vertreter des mystisch-spiritualistisch-martinistischen Lyoner Systems und die Rationalisten bzw. Aufklärer. Dazu kam noch die strukturelle Krise des späten Absolutismus, die innerhalb der Freimaurerei zur Herausbildung verschiedener Richtungen führte, wobei die Rosenkreuzer als konservative Bruderschaft dem politischen Geheimbund der Illuminaten gegenüber standen.

Zur Zeit Mozarts entstand auch das Hochgradsystem der Asiatischen Brüder, das 1782 von Hans Heinrich Freiherr von Ecker und Eckhoffen ausgearbeitet wurde und durch die Vermittlung des Grafen Sinzendorf in den österreichischen Erblanden Verbreitung fand. Auch die okkulten und freimaurerischen Ideen von Cagliostro stießen in Österreich auf Resonanz, insbesondere die Gründung einer eigenen Freimaurerei, die er die „ägyptische“ nannte. In diesem ägyptischen Ritus trat er vor allem dafür ein, dass auch Frauen in den Orden aufgenommen werden können.

Die Aufklärung in Österreich unterschied sich von anderen europäischen Aufklärungsbewegungen vor allem dadurch, dass sie starke praktische Züge aufwies. Der gesamte Reformkomplex Josephs II. verdeutlicht diesen Trend. Der Josephinismus wird zu Recht mit der Ausbildung des modernen bürokratischen Staates in Verbindung gebracht und nicht nur als „Sonderform der Aufklärung“, sondern auch als politische, gesellschaftliche und kulturell-geistige Bewegung gedeutet, die bis zu einem gewissen Grad eine „defensive Modernisierung“ in Österreich eingeleitet hat. Er war mit gewissen Einschränkungen eine spezifische österreichische Variante des Aufgeklärten Absolutismus.

Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 14. Dezember 1784, während der josephinischen Reformen, in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen, dessen Meister vom Stuhl Otto Freiherr von Gemmingen-Hornberg, ein Förderer der Familie Mozart, war. Er dürfte Mozart nahegelegt haben, Freimaurer zu werden. Darüber hinaus war er wohl auch durch seinen stark masonisch durchsetzen Bekanntenkreis in Wien zum Logeneintritt motiviert worden. Die Loge „Zur Wohltätigkeit“ wurde am 2. Februar 1782 gegründet und stellte eine Tochterloge der Bauhütte „Zur gekrönten Hoffnung“ dar. Am 7. Jänner 1785 wurde Mozart, der die rituellen Logenarbeiten häufig besuchte, zum Gesellen befördert. Über seine Meistererhebung sind keine Unterlagen überliefert, sie muss aber bald nach seiner Gesellenbeförderung erfolgt sein. Auch Vater Leopold wurde – sicher auf Veranlassung seines Sohnes – am 6. April 1785 Freimaurer, wobei wegen des kurzen Aufenthalts in Wien seine Beförderung zum Gesellen und seine Erhebung zum Meister sehr rasch vor sich gingen. Mozart dürfte mit großer Begeisterung Freimaurer gewesen sein. Die Ziele des humanitären Bundes haben ihn sehr überzeugt: das Eintreten für Toleranz, freie Entwicklung der Persönlichkeit, für Brüderlichkeit, allgemeine Menschenliebe und besonders die...

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