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E-Book

Mumonkan

Sich selbst finden in den Weisheiten alter Zen-Koans

AutorDoris Zölls
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641242145
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Alte Zen-Weisheiten in neuer und zeitgemäßer Deutung
Koans sind Fragen aus der chinesischen Zen-Tradition zu wichtigen Lebensthemen wie: Wer bin ich? Wovor habe ich Angst? Was ist der Sinn meines Lebens? Die Antworten, intuitiv und spontan, führen über den Intellekt hinaus in die Tiefe unserer Persönlichkeit. Einengende Verhaltensmuster werden aufgelöst. So ist Handeln in einer neu gewonnenen Freiheit möglich.

Doris Zölls, Myô-en An, geboren 1954, ist seit 2003 spirituelle Leiterin des Benediktushofs. Die evangelische Theologin wurde von Willigis Jäger, Kyo-un Roshi im Jahr 2000 als Zen-Meisterin autorisiert. Sie gehört außerdem zur Sanbô-Zen Schule, Japan, und steht in der chinesischen Chan-Tradition. Doris Zölls ist verheiratet und hat drei Kinder.

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Leseprobe

LEERE


JÔSHÛS HUND


KOAN 1

Ein Mönch fragte Jôshû in allem Ernst:

»Hat ein Hund Buddha-Natur oder nicht?«

Jôshû sagte: »MU

Jôshû war einer der berühmtesten Zen-Meister im Alten China. Ihm verdanken wir nicht nur dieses Koan, sondern zugleich die herausragende Übung mit MU, mit dem Tausende von Mönchen und Zen-Praktizierenden geübt haben und es heute noch tun. Ein paar wenige Worte zu Meister Jôshû. Er lebte im 8. und 9. Jahrhundert und war bereits zu seinen Lebzeiten ein sehr berühmter Meister. Gelernt hatte er bei Meister Nansen1. Nach dessen Tod ging er 20 Jahre auf Wanderschaft, vertiefte bei den unterschiedlichsten Zen-Meistern seine Kenntnisse und ließ sich mit 80 Jahren in einem kleinen Kloster in der Stadt Jôshû nieder, wo er noch 40 Jahre lehrte.

Es heißt, dass Jôshû mit sanfter Stimme unterrichtete und daher sein Zen »Mund-und-Lippen-Zen« genannt wurde. Seine Worte waren sehr kraftvoll und standen den Unterweisungen der anderen Meister, die mit Schreien und Schlagen ihre Mönche führten, nicht nach. Der Legende nach soll bei Jôshûs Reden ein kleines, flimmerndes Licht aus seinem Mund ausgeströmt sein, und seine leisen Worte sollen die Kraft eines Donners gehabt haben.

Auch dieses Koan, das im ersten Moment die so kurze, unscheinbare Antwort MU zum Inhalt hat, ist so gewaltig in seiner Aussage, dass dieses MU seitdem zur Grundlage der Zen-Praxis für viele wurde.

ALLE WESEN HABEN BUDDHA-NATUR


Das Koan greift eine Aussage des Buddhismus auf, in der es heißt: »Alle Wesen haben die Buddha-Natur.« Dies darf nicht so verstanden werden, dass in allen Lebewesen ein göttlicher Kern oder eine unsterbliche Seele existiere. Mitnichten! Gerade Buddhas große Erkenntnis war es, dass es kein festes, eigenständiges Selbst gibt, sondern sich alles in unentwegtem Wandel und wechselseitiger Abhängigkeit zeigt. Nichts ist fest, auch nicht ein Selbst oder eine Seele. Sie selbst sind der Wandel. Dies zu erkennen und zutiefst zu verkörpern wird Erwachen genannt. Jeder Moment offenbart die Wirklichkeit als ein unentwegt in Erscheinung tretendes Bewusstsein. Jedes Phänomen ist daher Ausdruck dieser einen Bewusstheit. Alles besitzt dieselbe Natur. Alles ist Buddha. Buddha heißt erwacht zu sein. Gleichzeitig ist Buddha der Ehrennamen für Shakyamuni Gautama2, der diese Wirklichkeit zutiefst verkörperte. Zudem wird Buddha nicht nur als Ehrennamen Shakyamunis oder für das Erwacht-Sein benutzt, sondern Buddha steht auch für die Bewusstheit selbst. Buddha ist das Absolute, das sich in allem vollzieht. Doch Buddha ist kein philosophischer Begriff, mit dem das Absolute einen Namen bekäme. Buddha ist das Absolute, ist das Eine selbst. Alle Spekulationen, wie man sich das vorstellen könnte, werden im Zen weggewischt, denn da das Denken ebenso ein Phänomen des Absoluten ist, kann es dieses nicht bedenken. Allein in einer ganz konkreten Situation ist es möglich, für einen Augenblick, der jenseits aller Zeit liegt, diese Natur allen Seins zu erleben. Nur im unmittelbaren Hier und Jetzt eröffnet sich die Buddha-Natur. Jeder Versuch, dies denkerisch oder sprachlich auszudrücken, bleibt immer hinter dem Erleben zurück.

So heißt es zwar, alle Wesen besitzen die Buddha-Natur, doch schon bei dem Wort »besitzen« werden wir irregeführt. Nichts und niemand kann die Buddha-Natur wie ein Hab und Gut besitzen. Sie ist kein fester Kern, der in dem unentwegten Wandel bestehen bliebe. Die Buddha-Natur kommt nicht zu unserem normalen Dasein hinzu. Alles ist die Buddha-Natur. Sie hat keine Eigenschaften, die sie festlegen. Sie ist die unentwegte Veränderung selbst und darin beständig. Sie kann daher nicht benannt und nicht festgehalten werden. So wird sie auch mit Leere bezeichnet.

DIE LEERE IST DIE FORM


Leere bedeutet nicht Nichts, im Sinne eines Nihilismus. Leere heißt: ohne Zuordnungen, ohne ein eigenständiges, stabiles Selbst. Je nach Augenblick kann etwas so oder so erscheinen. Nichts ist festzuschreiben. Alles ergibt sich in jedem Moment neu. Damit birgt die Leere eine unendliche Potenzialität in sich. Mit unserem Verstand geben wir allem Eigenschaften, belegen wir alles mit Begriffen. Damit entziehen wir es dem Erleben, geben ihm eine feste Seinsstruktur, wir ordnen alles, legen es fest und vergleichen es miteinander. Doch keine Form ist fest, keine ist eigenständig oder unabhängig, kein Moment ist stabil oder dauerhaft. Alles ist in unentwegter Veränderung und mit allem anderen in einer unbegrenzten wechselseitigen Abhängigkeit zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort neu.

So heißt es im Herzsutra3: »Form ist Leere, Leere Form.«

Die Leere ist in jedem Moment die Erscheinung selbst, nichts Geistiges, das als stabiler Kern oder als Essenz zu einer Form dazukommt. Die Leere ist die Form. Dies ist jedoch allein im unmittelbaren Erleben für uns erfahrbar.

Tritt die Form in Erscheinung und wir erleben uns unmittelbar eins mit ihr, erkennen wir in diesem Moment die Buddha-Natur. Sie ist sowohl meine wahre Natur, wie die aller Formen. So kann ich mich eins mit dem Objekt erleben. Ich erwache zu mir selbst. Der Form jedoch den Namen Buddha zu geben, wäre falsch, damit würde Buddha zu einem Begriff, zu einer Eigenschaft werden. Buddha ist das unmittelbare Erleben der Wirklichkeit, die Bewusstwerdung des Augenblicks.

In der Tradition versuchte man dieses Erleben mit Bildern zu beschreiben. Ein zentrales Bild dafür ist die Welle eines Flusses. Eine Welle symbolisiert die Form, der Fluss die Leere. In den Wellen erleben wir den Fluss. In der Form die Leere. Doch kann ich nicht sagen: diese Welle ist der Fluss. Die Welle erscheint in einem Augenblick und in diesem Moment erfahre ich in ihr den Fluss. Form ist Leere, Leere Form. Dieser Satz darf nie zu einem Glaubenssatz erhoben werden. Wir würden damit der gewaltigen Erfahrung Buddhas die Lebendigkeit nehmen, sie als etwas Denkerisches weitergeben und nicht als unmittelbares Erleben. Dann ergeht es uns wie dem Mönch im Koan, der den Satz »Alle Wesen haben die Buddha-Natur« zwar auswendig hersagen konnte, doch diese Aussage nicht spürte und so von Zweifeln geplagt war. Ein Glaubenssatz trägt nicht im Alltag. Bei jeder kleinen Schwierigkeit kommen Zweifel an der Richtigkeit. Bei dem Mönch waren es vielleicht die Zweifel, ob seine Entscheidung, ins Kloster eingetreten zu sein, wirklich richtig war? Ist seine wahre Natur wirklich Buddha? Zweifel über Zweifel. Wo sehe ich die Buddha-Natur, wie spüre ich sie bei mir, wie bei viel niedrigeren Wesen als mich, z. B. bei Hunden, die noch dazu von den Kreaturen als unterstes Glied der Kette gesehen werden. Wie sollen sie alle die gleiche Buddha-Natur haben? Es gibt doch gravierende Unterschiede.

MU


Es ist schnell dahingesagt, alle Formen seien von Natur aus Buddha. Bedenke ich es jedoch genauer, würde das bedeuten, es gäbe nichts Schlechteres und nichts Besseres. Wie kann das sein? Das steht hinter der bedrängenden Frage des Mönches.

Die Frage führt ihn noch weiter. Wenn es wirklich keinen Unterschied gibt und alles bereits die Buddha-Natur hat, warum sollte ich mich dann anstrengen, Buddha zu werden? Es ist doch bedeutungslos, ob ich mich als Mönch anstrenge oder das Leben in vollen Zügen genieße? Alles ist ja Buddha. Warum bin ich überhaupt Mönch geworden und habe mich dem normalen, vielleicht angenehmeren Leben entzogen? Das ist wirklich eine schwerwiegende existenzielle Frage.

Mit diesem Anliegen geht der Mönch zu seinem Meister und fragt ihn in »allem Ernst«, sprich: in großer existenzieller Not:

»Hat ein Hund Buddha-Natur?«

Jôshû antwortet kurz und bündig: »MU

Das ist ein Schlag. Völlig unerwartet, völlig unverständlich. Der Mönch steht fassungslos da. Einfach nur dieses MU.

Jôshû reißt mit diesem kleinen Wörtchen MU den Mönch aus all seinen Überlegungen. Er drängt ihn in den Bereich des Nicht-Verstehens. Er zieht ihm den Boden unter den Füßen weg, denn nichts ist so schwer auszuhalten, wie nichts zu wissen.

Alles, was wir mit den Sinnesorganen aufnehmen, belegen wir sofort mit einem Begriff, setzen es in einen Zusammenhang, ordnen es und spinnen einen roten Faden, wo alles passt und sich schlüssig anfühlt. Damit stabilisieren wir uns in der Welt.

Gleichzeitig erleben wir aber ständig, dass unsere Gedankenkonstrukte nicht tragen, sie die Komplexität des Lebens nicht erfassen können. Vieles geht uns einfach nicht in den Kopf, und wir können sehr gut nachempfinden, wie verwirrt der Mönch war und Jôshû um eine Erklärung bittet. Doch Jôshû erklärte ihm nicht den schwierigen Sachverhalt, er sagte einfach MU.

MU ist wie ein unerwarteter Hieb. Es hält das Denken des Mönches an. MU ist keine Antwort. Jôshû reißt den Mönch ins Hier und Jetzt, wie wenn er ihn in einen See geworfen hätte und er nur noch nach Luft schnappte.

Dieses Schnappen nach Luft ist unmittelbar. In dem Moment sind wir ganz da. Kein Gedanke taucht auf, nur noch nach Luft ringen.

Mit MU holt Jôshû den Mönch in einen solchen Augenblick. Es ist so verrückt, dass der Mönch es nicht verstehen kann. Die Möglichkeit eröffnet sich, MU als Augenblick des Lebens zu erfahren. »Erlebe MU. Sei MU. Hör auf zu denken! Kein Verstehen lässt dich die Frage nach der Buddha-Natur erkennen.«

Wollen wir unsere wahre Natur erleben, ist dies nur möglich, indem wir...

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