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Musikgeschmacksbildung bei Jugendlichen: Eine empirische Studie

AutorEva Zilles
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl53 Seiten
ISBN9783958206946
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Musik trägt eine bedeutende Rolle im alltäglichen Leben. Sie weckt Gefühle, verbindet Menschen miteinander und hilft, die eigene Identität zu entwickeln. Das Musikhören beruht in der Regel auf Nutzungsmustern und Routinen, welche die Strukturierung des Alltags erleichtern. Außerdem hat Musik aktuell den Stellenwert einer jederzeit konsumierbaren Ware. Jugendliche von heute fürchten die akustische Leere; selbst in Momenten der Konzentration, zum Beispiel beim Erledigen der Hausaufgaben, lassen sie sich von Musik beschallen. Während der Pubertät hilft Musik, die eigene Identität zu finden. Gefühle wie Trauer, Einsamkeit und Euphorie werden in diesem Alter erlebt und von der Musik angesprochen. Den Jugendlichen wird heute eine enorme Bandbreite an unterschiedlichen Stilrichtungen und Genres geboten, aus der jeder seine persönlichen Präferenzen herausbilden kann. Zu Beginn wird als Grundlage geklärt, was die Jugend unter entwicklungspsychologischer Perspektive ausmacht. Danach wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen in der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, besonders im Hinblick auf den Musikgeschmack, spielen. Es folgt ein Abriss über das aktuelle Musikangebot, also darüber, welche Musik den Jugendlichen aktuell überhaupt zur Verfügung steht. Um realistische Aussagen darüber treffen zu können, wie sich der Musikgeschmack bei Jugendlichen herausbildet, werden auch Jugendliche direkt befragt. Erst werden die Erhebungsgruppe und der Fragebogen vorgestellt und anschließend die Ergebnisse zusammengefasst und ausgewertet. Im Fazit werden die gewonnen Erkenntnisse noch einmal vorgestellt und gewertet.

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Leseprobe
Kapitel 3, Musikgeschmacksbildung durch die Sozialisationsinstanzen: Der Begriff der Sozialisation geht 'von der Annahme aus, dass Menschen einer Gesellschaft angehören und Lernprozesse in einem sozialen Kontext durchlaufen, um ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden' (Neuenschwander 2011, S.62). Sozialisation bezeichnet also den Prozess, in dem das Individuum sich seiner sozialen Umgebung anpasst (vgl. Shuter-Dyson 1985, S. 195). Es erlernt dabei die sozialen Normen, Werte und Überzeugungen und nimmt diese in sich auf. Jugendliche lernen sich anzupassen, um so zu einem akzeptierten Mitglied der Gesellschaft zu werden. 'Sozialisation entsteht [...] aus einer Balance von gesellschaftlicher Steuerung und individueller Innovationen' (Neuenschwander 2011, S. 63), das heißt, Jugendliche entwickeln auch innovative Ideen, die der Gesellschaft neue Impulse vermitteln. Für die gelingende Sozialisation ist ein gut abgestimmtes Zusammenspiel der wichtigsten Lebenswelten der jungen Generation wichtig. Nur so lassen sich die Kompetenzen erlernen und trainieren, die für das Leben in der heutigen Welt bedeutsam sind. Wichtige Orientierungen und Perspektiven bauen sich in den verschiedenen Lebenswelten auf. Diese ergänzen sich untereinander, können aber auch miteinander konkurrieren. 'Die musikalische Sozialisation, das Hineinwachsen in eine musikalische Kultur [...] basiert auf einem recht komplizierten Wechselspiel von Umwelt, sozialen Beziehungen und individuellen Bedingungen, durch die sich ein Mensch seine Umwelt schafft' (de la Motte-Haber 2002, S. 192). 3.1, Familie: Die Familie trägt eine entscheidende Rolle im Sozialisationsprozess der Jugendlichen. Sie 'beeinflusst Qualität und Umfang der Lern- und Sozialerfahrungen der in ihr aufwachsenden Jugendlichen' (Hurrelmann 2010, S. 107). Praktisch die gesamte Lebenseinstellung der Heranwachsenden wird von den familiären Ausgangsbedingungen geprägt. Die meisten Kinder und Jugendlichen finden heute durch günstige ökonomische, ökologische, kulturelle und soziale Rahmenbedingungen gute Voraussetzungen für ihren Sozialisationsprozess innerhalb ihrer Familie vor. Seit den 80er Jahren nimmt allerdings 'im Zuge von wirtschaftlichen Krisenbedingungen die Minderheit von Familien zu, in denen ungünstige Lebensbedingungen die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen beeinflussen' (ebd.). Etwa ein Fünftel der Familien können ihren Kindern durch ökonomische und soziale Benachteiligung nur relativ schlechte Sozialisationsbedingungen bieten (vgl. ebd.). Die Arbeitslosigkeit eines oder beider Elternteile, ein niedriger Bildungsgrad der Eltern oder eine schlechte Integration in das soziale Umfeld kann hier zu negativen Impulsen für die Entwicklung der Jugendlichen führen. Die 'traditionell' strukturierte Familie mit Vater, Mutter und mindestens einem Kind ist heute nicht mehr die allein vorherrschende Form der privaten Lebensführung in Deutschland. 'Heute werden in Deutschland über ein Drittel aller Ehen durch Scheidung beendet, in den 1950er Jahren waren es 10 %' (Hurrelmann 2010, S. 108), dadurch steigt die Zahl alleinerziehender Eltern. Außerdem wächst die Zahl der Familien, in denen Vater und Mutter beide einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Frauen mit Kindern unter 15 Jahren sind heute zu über 50 % erwerbstätig, die Tendenz ist steigend (vgl. ebd.). Durch diese Faktoren ergeben sich viele verschiedene Familienkonstellationen: eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften, getrennt lebende Eltern, allein erziehende Eltern oder wiederverheiratete Eltern mit Kindern und Stiefkindern. Die individuellen Entwicklungsbedingungen von Jugendlichen sind dadurch sehr vielfältig. Durch das Fehlen von Vätern fallen männliche Rollenbilder und somit wichtige Entwicklungsimpulse für die Jugendlichen weg. Entgegen aller kulturkritischen Befürchtungen haben die Familien jedoch ihre Bedeutung für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen nicht verloren (vgl. Langness/ Level/ Hurrelmann 2006). Erwachsene sind heute nicht mehr nur Erzieher für die Jugendlichen, sondern vor allem Unterstützer und soziale Vorbilder. 'Dadurch ergeben sich spürbare Konsequenzen für den Sozialisationsprozess' (Hurrelmann 2010, S. 109). Die Austauschbeziehung zwischen Eltern und ihren Kindern ist meist sehr intensiv. Die Mehrzahl der Jugendlichen nehmen ihre Eltern heute als Vertrauenspersonen wahr, mit denen sie sich über schulische, berufliche und persönliche Dinge beraten können. Vater und Mutter fungieren kaum noch als echte Autoritätspersonen, sondern als Partner ihrer Kinder durch einen zugleich partizipativen und autoritativen Erziehungsstil mit viel Zuwendung und Anerkennung, aber auch konsequenter Kontrolle und Sanktionierung bei der Überschreitung von Grenzen (vgl. Münchmeier 2001, S. 823). Es stehen nicht mehr Unterordnung und Gehorsam im Mittelpunkt, sondern Selbstverantwortung, Rücksichtnahme und die Stärkung der Entscheidungsfähigkeit der Kinder. Außerdem entwickelt sich eine Relativierung ehemaliger Erfahrungsvorsprünge der älteren Generation. Die Eltern übernehmen Verhaltensweisen von ihren jugendlichen Kindern und orientieren sich an ihnen als Vorbilder bei Fragen zu Mode, Musik, Freizeitgestaltung, Technik und neuen Medien. Kinder werden zu Konsumberatern ihrer Eltern, da sie sich auf dem Konsumwarenmarkt, vor allem bei elektronischen Produkten, besonders gut auskennen. Die verschiedenen Generationen beeinflussen sich also gegenseitig, es kommt zu einer Enttraditionalisierung und damit zusammenhängend zu einer Pluralisierung der legitimen Lebensmuster (vgl Münchmeier 2001, S. 823). Kinder lassen sich musikalisch noch stark von den Hörgewohnheiten ihrer Väter und Mütter beeinflussen, doch im Zuge der Ablösung vom Elternhaus entwickeln sie ihren eigenen Musikgeschmack. Diese Ablösung ist charakteristisch für das Jugendalter (vgl. Hurrelmann 2010, S. 118). Sie erfolgt auf psychischer, emotionaler, kultureller, räumlicher und materieller Ebene. Meist erfolgt die psychische Ablösung als Erstes. Wegen der früher einsetzenden Pubertät hat sie sich auf das zehnte bis zwölfte Lebensjahr vorverlagert. Die materielle Ablösung, und damit zusammenhängend die finanzielle Unabhängigkeit, hat sich jedoch durch längere Ausbildungswege der Jugendlichen zurückverlagert. 'Die Bewältigung des Ablösungsprozesses verlangt von beiden Parteien einfühlsames Verhalten und gute Kommunikationsfähigkeiten, wenn es nicht zu Spannungen und Konflikten kommen soll' (Hurrelmann 2010, S. 119). In den meisten Fällen geschieht die Ablösung jedoch nicht im Konflikt, sondern in Absprache zwischen Eltern und Heranwachsenden. 'Für die Entwicklung musikalischer Präferenzen über die Lebensspanne gilt die Einsicht der Tiefenpsychologie, dass der Anfang unsere Heimat ist' (Kleinen 2009, S. 56). Ein neugeborenes Baby richtet seine Aufmerksamkeit bereits unterschiedlich auf akustische Ereignisse und es setzt Lautäußerungen ein, um mit der Umwelt zu kommunizieren. Diese sozialen, akustischen Interaktionen, meist mit der Mutter, bestehen auch aus musikalischen Vokalisationen. Ob diese frühe Art der Kommunikation einen Einfluss auf die musikalische Entwicklung des Kindes hat, ist schwer zu sagen (vgl. Shuter-Dyson 1985, S. 196). Eltern, die selbst wenig musikalisch sind, haben trotzdem die Möglichkeit, ihrem Kind eine an musikalischen Eindrücken reiche Umgebung zu schaffen. 'Um die Aufmerksamkeit des Kindes beim Anhören von Musik aufrechtzuerhalten, sind häufige Veränderungen von Dynamik und Klangcharakteristika notwendig (Shuter-Dyson 1985, S. 199). Es sollten also Musikstücke mit unterschiedlichen Tempi und Taktarten ausgewählt werden. Musik zu hören ist nicht die einzige Möglichkeit, Kinder früh mit Musik in Kontakt zu bringen. Gemeinsam singen, tanzen, klatschen oder an Instrumenten experimentieren sind wichtige musikalische Erfahrungen, die jedem Kind ermöglicht werden sollten. 'Die singenden, tanzenden, musizierenden Erwachsenen geben Vorbilder für eigenes musikalisches Tun ab' (Kleinen 2009, S. 56); das musikalische Verhalten, Vorlieben und Abneigungen werden übernommen. Kinder haben schon im Vorschulalter eine Vorstellung darüber, welche Musik ihnen besser oder schlechter gefällt, aber die stilistische Fixierung findet erst nach dem achten Lebensjahr statt, da sie eine voll entfaltete Unterscheidungsfähigkeit voraussetzt (vgl. de la Motte-Haber 2002, S. 191).
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