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E-Book

Napoleon

AutorJohannes Willms
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2019
ReiheBeck'sche Reihe 2893
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783406734809
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Napoleon - schon der Name ist bis heute Inbegriff von Ruhm und historischer Größe. Nur selten in der Weltgeschichte hat ein Mensch in so kurzer Zeit so viel erobert und so viel verspielt. Johannes Willms, der große Kenner der Epoche und Napoleon-Biograph, fasst in diesem kritischen Porträt noch einmal den Aufstieg und Fall des Ausnahmemenschen zusammen, der erst Frankreich und dann Europa beherrschte, vom Revolutionsgeneral zum Despoten wurde und am Ende nach der Schlacht von Waterloo in der Verbannung starb.



Johannes Willms war Feuilletonchef und Kulturkorrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Paris. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte Frankreichs vorgelegt, darunter eine vielgerühmte Biographie Napoleons.

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Leseprobe

I. Der Aufstieg


Korsika


Korsika diente der europäischen Aufklärung als Projektionsfläche für gesellschaftspolitische Entwürfe. Den Anstoß dazu hatte Rousseau mit dem «Contrat Social» 1762 gegeben, in dem er die Insel als das einzige Land in Europa charakterisierte, das ideale Voraussetzungen für einen aus freien Stücken geschlossenen Gesellschaftsvertrag biete. Der Beweis sei die Hartnäckigkeit, mit der sich die Korsen für ihre Freiheit einsetzten.

Rousseau bezog sich damit auf die seit dem Mittelalter andauernden Kämpfe, mit denen sich die Inselbewohner der Republik Genua zu erwehren suchten. Das war seit je das Schicksal Korsikas, aber keinem Angreifer gelang es, sich die Insel zu unterwerfen und deren archaische Gesellschaftsordnung zu «normalisieren». Die verdankte ihre Stabilität dem Umstand, dass der Boden überwiegend Gemeindeeigentum der Dörfer war. Der Versuch der Genuesen, diese Allmende in Privateigentum umzuwandeln, provozierte 1729 den korsischen Aufstand, der die genuesische Herrschaft auf einige Küstenorte beschränkte. 1735 verabschiedete eine korsische Repräsentativversammlung eine erste geschriebene Verfassung, die 1755 vom korsischen Nationalhelden Pasquale Paoli nach den Maßgaben Montesquieus revidiert wurde. Korsika erhielt damit als erstes Land überhaupt eine repräsentativ verfasste Regierung, die Gewaltenteilung, persönliche Freiheit, gesetzliche Gleichheit garantierte.

Das war eine Verheißung, an der sich die Korsikabegeisterung der Aufklärung umso mehr entzündete, als diese dem Trugbild unterlag, die Korsen lebten in der Unschuld des Naturzustands. Die erbitterten Vendettas wurden dabei ebenso ausgeblendet wie die abergläubische Ignoranz der Insulaner. Der falsche Zauber war jedoch schon längst geschwunden, als die Franzosen 1768 begannen, die Herrschaft über die Insel zu erobern. Das gelang ihnen mit der Schlacht von Ponte-Novo am 8. Mai 1769, als einige der korsischen Familienclans zu ihnen überliefen. Dazu gehörte auch der Clan von Carlo Bonaparte, dem die Kollaboration mit dem Sieger die beste Gewähr zu bieten versprach, die eigene Machtstellung in Ajaccio zu festigen. Diese Rechnung ging auf, denn bereits im September 1771 wurde Carlo Bonapartes Anspruch auf den Grafentitel anerkannt, was ihm ein Mandat als Abgeordneter der Adelsvertretung in der korsischen Ständeversammlung verschaffte.

Der Seitenwechsel festigte die Stellung der Bonapartes in der korsischen Gesellschaft. Dazu gehörte, dass die beiden ältesten Söhne Joseph (*7. Januar 1768) und Napoleon (*15. August 1769) in den vergleichsweise selten gewährten Genuss königlicher Stipendien für den Schulbesuch in Frankreich gelangten. Von Mitte Mai 1779 bis zum 30. Oktober 1784 bezog Napoleon die Militärschule von Brienne-le-Château in der Champagne. Dank seiner hier erworbenen mathematischen Kenntnisse wurde er im Oktober 1784 zum Kadetten für die königliche École militaire von Paris bestimmt. Hier bewies er erneut seine mathematische Begabung, so dass er schon im September 1785 die Abschlussprüfung bestand und im Rang eines Unterleutnants zum La Fère-Artillerieregiment nach Valence kommandiert wurde.

Napoleons zügige Karriere steht in einem deutlichen Kontrast zur Dauer des von ihm tatsächlich geleisteten Militärdiensts, denn alles in allem war er zwischen 1786 und 1793 nur zwei Jahre und neun Monate beim Regiment. Die übrige Zeit, fünf Jahre und neun Monate, verbrachte er mit besoldetem Müßiggang auf Korsika.

Darin verrät sich die Anhänglichkeit, die Napoleon für die Insel hegte. Auch hatte er sich in Brienne oder Paris immer in Erinnerungen an Korsika geflüchtet. Das ließ ihn sich in eine Leidenschaft hineinsteigern, die alles Französische ablehnte, alles Korsische hingegen verehrte. Bewunderung zollte er insbesondere dem nach antiken Vorbildern idealisierten Paoli. Damit öffnete sich ein innerer Zwiespalt, der mit dem Ausbruch der Französischen Revolution vergrößert wurde, der auch die korsische Frage erneut aufwarf.

Einen ersten Anstoß bot am 30. November 1789 die Aufhebung des Besatzungsstatuts für Korsika. Damit unterlagen die Bewohner der Insel derselben Verfassungsnorm wie alle anderen Franzosen. Gleichzeitig wurde eine Amnestie erlassen, dank der Paoli im April 1790 als gefeierter Freiheitsheld aus dem Exil zurückkehrte. Sein Eintreffen fiel mit dem großen Umbruch in der Verwaltungsorganisation des Landes zusammen, die von der Nationalversammlung im Dezember 1789 beschlossen worden war: die Ersetzung der bislang strikten Zentralisierung Frankreichs durch Einführung dezentraler Strukturen, die eine hierarchische Verwaltungsgliederung vorsahen. Frankreich wurde in 83 Verwaltungsbezirke, die Departements, unterteilt, von denen Korsika eines darstellte. Die Departements wurden jeweils wieder in Distrikte und Gemeinden untergliedert, die für Korsika neun respektive sechs dieser nachrangigen Verwaltungseinheiten vorsahen, von denen jede als Leitungsorgan eine gewählte Versammlung erhielt, deren Beschlüsse durch ebenfalls gewählte Funktionäre ausgeführt wurden. Auch die Positionen von Richtern sowie die Offizierschargen der Nationalgarden wurden durch Wahlen besetzt.

Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Clanstrukturen, die das gesellschaftliche Miteinander auf Korsika seit Jahrhunderten prägten, war diese Verwaltungsreform nichts weniger als eine Revolution, die mit einer Neuaufteilung von Macht und Einfluss verknüpft war. Jeder erfolgreiche Bewerber für eines der Ämter versprach das Prestige des eigenen Clans zu mehren. Nach korsischer Sitte waren die Wahlen also begleitet von erbitterten Machtkämpfen, die nicht nur mit Lügen und Versprechungen, sondern auch mit manifesten Drohungen für Leib und Leben der Mitbewerber bestritten wurden.

Ein weiterer Aspekt dieser «Verwaltungsrevolution» war es, dass Hoffnungen auf eine korsische Selbstverwaltung geweckt wurden. Das kam vor allem dem Ansehen Paolis zugute, der seit seiner triumphalen Rückkehr aus dem Londoner Exil als Prinzipal des korsischen «Bauerntheaters» fungierte. In dieser Rolle sah er sich durch seine Bestallung als königlicher Gouverneur der Insel und Oberbefehlshaber der korsischen Nationalgarde auch offiziell bestätigt. Paoli avancierte damit erneut zur Führungsfigur der Korsen, um deren Gunst alle Familienclans der Insel buhlten.

Das befeuerte auch den Ehrgeiz Napoleons, seinem Idol Paoli näherzukommen. Im April 1792 setzte er alles daran, als einer von vier Mitbewerbern zum stellvertretenden Bataillonskommandeur der Nationalgarde von Ajaccio gewählt zu werden. Diesen Erfolg verdankte er besonders ruchlosen Methoden, um seinen schärfsten Konkurrenten Mathieu Pozzo di Borgo aus dem Rennen zu werfen. Napoleons Triumph erwies sich jedoch rasch als trügerisch, denn er besiegelte den Bruch und die Todfeindschaft zwischen den Clans der Bonaparte und der Pozzo di Borgo, die bislang einvernehmlich die Geschicke der Gesellschaft von Ajaccio bestimmt hatten.

Die Folge dieses Zerwürfnisses war, dass Joseph Bonaparte stets von dem rund fünf Jahre älteren Charles André Pozzo di Borgo der Rang abgelaufen wurde. Paoli war aber gerissen genug, dafür zu sorgen, den Bonaparte-Clan nicht völlig vor den Kopf zu stoßen, weshalb Joseph 1791 in den Conseil Général der Insel gewählt wurde und auch einen der vier Sitze im Direktorium des Departement erhielt, der ihm zuvor noch verwehrt worden war. Ein Jahr später war es allerdings auch mit dieser Rücksichtnahme vorbei, denn bei den Wahlen zum Konvent im Oktober 1792 war Joseph erneut durchgefallen, was sich diesmal die Anhänger Paolis zu Nutze machten, um ihn auch aus dem Direktorium des Departements zu verdrängen.

Die Bonapartes verloren in der Auseinandersetzung mit den konkurrierenden Clans der Peraldi und Pozzo die Borgo in Ajaccio stetig an Boden. Napoleon musste dabei zu denken geben, dass auch seine tatkräftige Unterstützung Josephs an dessen Misserfolgen nichts änderte. Diese Enttäuschungen setzten seinen korsischen Illusionen auf Dauer zu, weshalb er sich seiner Karriere im französischen Militär besann. Auch machte ihm die Angst zu schaffen, wegen überlanger Abwesenheit von der Truppe aus der Kader- und Soldliste gestrichen zu werden. Ab Mai 1792 nutzte er einen dreimonatigen Aufenthalt in Paris dazu, Antrag auf Reintegration in die Armee zu stellen, dem schließlich, verbunden mit seiner Beförderung zum Hauptmann, entsprochen wurde.

Die Ausfertigung des Hauptmannspatents dürfte eine der letzten Amtshandlungen Ludwigs XVI. unmittelbar vor dem Sturz der Monarchie am 10. August 1792 gewesen sein. Die Radikalisierung der Revolution strahlte bis nach Korsika aus. Wie überall in...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Inhalt5
Frontispiz6
Vorwort7
I. Der Aufstieg9
Korsika9
Soldat der Revolution15
Politik ist das Schicksal20
Auf Umwegen zur Macht31
II. An der Macht36
Ein neues Regime und eine neue Ordnung36
Krieg und Frieden42
Von Bonaparte zu Napoleon52
Der Kaiser59
Der Sacre d’Austerlitz66
III. Das Europa Napoleons73
Der Rheinbund73
Das Ende Preußens80
Der Grand Empire89
Götzendämmerung98
Ende mit Schrecken105
Die Agonie118
Napoleon heute120
Zeittafel122
Literaturverzeichnis124
Bildnachweis125
Personenregister126
Karte 1: Europa nach den Friedensschlüssen von Lunéville und Amiens129
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