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E-Book

Neoinstitutionalistische Organisationstheorie

AutorPeter Walgenbach, Renate Meyer
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl238 Seiten
ISBN9783170294424
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Originating from the American organisational studies the neoinstitutionalist organisational theory is one of the foremost organisational theories. At the centre of this approach lies social embeddedness of Organisations as well as the important role of the social and cultural environment for the legitimacy of organisational structures and practices of management. The book gives a comprehensive introduction to the basics of neoinstitutionalist organisational theory. Results of the empirical research as well as conceptual developments of the approach are introduced and discussed. Using contemporary problems the varying positions within neoinstitutionalism, potential links to other organisational theories and the range of possible research methods are pointed out and discussed.

Prof. Dr. Peter Walgenbach teaches organisational theory and management at the university of Jena. Prof Dr. Renate Meyer teaches public management at the economic university of Vienna.

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Leseprobe

2 Die grundlegenden Beiträge


Dieses Kapitel soll die Hintergründe der Entstehung der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie verdeutlichen und zugleich einen ersten tiefer gehenden Einblick in die Argumentationsfiguren der Theorie geben. Dazu werden die drei grundlegenden Beiträge (Meyer/Rowan 1977; DiMaggio/Powell 1983; Zucker 1977) vorgestellt und ihre zentralen Argumente herausgearbeitet. Anschließend werden die Kernargumente der Beiträge miteinander verglichen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Argumentation werden aufgezeigt.

2.1 John W. Meyer und Brian Rowan (1977): Institutionalized organizations: Formal structure as myth and ceremony


Schon in den einleitenden Abschnitten des Aufsatzes von Meyer und Rowan (1977: 340 f.) wird die Stoßrichtung der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie deutlich. Diese ersten Absätze signalisieren eine radikale Abkehr von dem bis dahin dominanten technisch-funktionalistischen Erklärungsparadigma in der Organisationswissenschaft.

»Formal organizations are generally understood to be systems of coordinated and controlled activities that arise when work is embedded in complex networks of technical relations and boundary-spanning exchanges. But in modern societies, formal organizational structures arise in highly institutionalized contexts. Professions, policies, and programs are created along with the products and services that they are understood to produce rationally. This process permits many new organizations to spring up and forces existing ones to incorporate the new practices and procedures. That is, organizations are driven to incorporate the practices and procedures defined by prevailing rationalized concepts or organizational work and institutionalized in society. Organizations that do so increase their legitimacy and their survival prospects, independent of the immediate efficacy of the acquired practices and procedures.

Institutionalized products, services, techniques, policies, and programs function as powerful myth, and many organizations adopt them ceremonially. But conformity to institutionalized rules often conflicts sharply with efficiency criteria; conversely, to coordinate and control activity in order to promote efficiency undermines an organization’s ceremonial conformity and sacrifices its support and legitimacy. To maintain ceremonial conformity, organizations that reflect institutional rules tend to buffer their formal structures from the uncertainties of technical activities by becoming loosely coupled, building gaps between their formal structures and actual work activities.«

Diese beiden kurzen Absätze fassen die wesentlichen Aussagen des Aufsatzes von Meyer und Rowan sehr gut zusammen. Im Folgenden werden diese nun differenzierter dargelegt, um die Kernaussagen zu verdeutlichen.

Nach Meyer und Rowan spiegelt die formale Struktur einer Organisation weder notwendigerweise die effizientesten (»best practice«) Lösungen für Koordinations- bzw. Steuerungsprobleme noch zwingend die effizientesten Formen der Gestaltung von Austauschbeziehungen wider. Auch können Unterschiede zwischen der formalen Struktur und den tatsächlichen Arbeitsaktivitäten, die in einer Organisation ausgeführt werden, bestehen. Diese Aussagen stellten einen radikalen Bruch mit der bis Mitte der 1970er Jahre vorherrschenden Betrachtungsweise von formaler Organisation dar. In den bis dahin dominanten Organisationstheorien wurde die formale Struktur einer Organisation – in Form von Organigrammen, Stellenbeschreibungen sowie Regeln und Routinen – als ein reales Abbild der Arbeitsaktivitäten sowie der Steuerungs- und Koordinationsaktivitäten in einer Organisation betrachtet (s. zur formalen Struktur von Organisationen ausführlich Kieser/Walgenbach 2007; Donaldson 2001). Zugleich ging man in diesen Arbeiten in einer verkürzten Lesart der Weber’schen Schriften (s. insb. Weber 1972) davon aus, dass sich (bestimmte) formale Organisationsstrukturen durchsetzen, weil sie ein effizientes, wenn nicht gar das effizienteste Mittel zur Koordination und Steuerung komplexer relationaler Arbeits- und Tauschbeziehungen sind. So wurde etwa in der Kontingenztheorie, die im deutschen Sprachraum häufig auch als »Situativer Ansatz« bezeichnet wird, argumentiert, dass mit zunehmender Größe einer Organisation die Koordinationsanforderungen zunehmen (zur Kontingenztheorie s. Kieser/Walgenbach 2007). Durch entsprechende formale Regelungen könnten diese zunehmenden Koordinationsanforderungen in effizienter Weise bewältigt werden. Formale Strukturen würden deshalb zu Wettbewerbsvorteilen für die Organisation führen.

Die Kritik von Meyer und Rowan an der allein auf die technische Effizienz von formalen Organisationsstrukturen abstellenden Betrachtung von Organisation lautet nun, dass diese einerseits unterstellt, die wirksame Koordination und Steuerung von Arbeitsaktivitäten sei allein entscheidend dafür, dass sich formale Organisation in modernen Gesellschaften durchgesetzt habe, und andererseits von der Annahme getragen ist, dass Organisationen tatsächlich entsprechend ihrer Blaupausen, d. h. gemäß ihrer formalen Struktur funktionieren. Dies würde bedeuten, dass Koordination durch Regeln erfolgt, dass Regeln und vorgegebene Verfahrensweisen eingehalten werden und auch sonst alle Aktivitäten in der Organisation den in der formalen Struktur der Organisationen enthaltenen Vorgaben entsprechen. Die Kritik der Autoren wird dabei von Erkenntnissen einer eigenen empirischen Studie getragen (Meyer/Rowan 1978). Sie wird zudem durch eine Reihe anderer Untersuchungen gestützt, in denen deutliche Abweichungen von dieser bis weit in die 1970er Jahre dominanten Vorstellung von der Funktionsweise von Organisationen identifiziert wurden (s. z. B. Dalton 1959; March/Olsen 1976; Weick 1976). Die Überlegungen von Meyer und Rowan (1977: 353) zielen nun jedoch nicht darauf ab, die Aussagen zur Effizienz formaler Organisationsstrukturen generell infrage zu stellen. Sie betonen:

»… formal structures arise in two contexts. First, the demands of local relational networks encourage the development of structures that coordinate and control activities. Such structures contribute to the efficiency of organizations and give them competitive advantages over less efficient competitors. Second, the interconnectedness of societal relations, the collective organization of society, and the leadership of organizational elites create a highly institutionalized context. In this context rationalized structures present an acceptable account of organizational activities, and organizations gain legitimacy, stability, and resources.«

Ihre Kritik betont insbesondere, dass dem zweiten Aspekt in der Organisationsforschung nicht hinreichend Beachtung geschenkt wurde. Sie fordern deshalb, dass neben der Effizienz das Erfordernis der Legitimität formaler Strukturen, das Weber (1972) in der Bürokratietheorie ebenfalls herausgearbeitet hatte, der Aufmerksamkeit in der Organisationsforschung bedarf.

Das Kernargument von Meyer und Rowan lautet, dass Organisationen in einen institutionellen Kontext eingebettet sind. In diesem Kontext bestehen Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie effektive und effiziente Organisationen ausgestaltet sein müssen. Diese Vorstellungen und Erwartungen sind rationalisiert in dem Sinne, dass sie die aus Sicht der jeweiligen Anspruchsgruppe wünschenswerten Ziele und Zwecke sowie angemessene Mittel zur Erreichung der Ziele identifizieren. Gängige Erwartungen an Unternehmen sind etwa, dass sie moderne Informationstechnologien nutzen, ein Qualitätsmanagementsystem nach internationalen Standards (z. B. ISO 9000) aufgebaut haben, moderne Verfahren der Personalselektion (z. B. Assessment-Center) nutzen oder moderne Managementkonzepte, wie etwa Gruppenarbeit und Empowerment, einführen. Teilweise schlagen sich solche Erwartungen sogar in Verordnungen, Richtlinien oder Gesetzen nieder. Beispiele hierfür sind das Gesetz über Europäische Betriebsräte oder nationale Corporate-Governance-Kodizes.

Die erste grundlegende Behauptung von Meyer und Rowan (1977: 345) lautet also:

Die Herausbildung institutionalisierter Regeln, die sich auf einzelne Bereiche der Arbeitsaktivitäten von Organisationen beziehen, führt dazu, dass sich die formale Struktur dieser Organisationen in einer den institutionalisierten Regeln entsprechenden Weise ausformt oder erweitert.

Eine zweite grundlegende Behauptung lautet (Meyer/Rowan 1977: 345):

Moderne Gesellschaften weisen eine größere Anzahl von Bereichen auf, die rationalisierte Institutionen enthalten. Zugleich ist die Struktur der rationalisierten Institutionen in diesen Bereichen ausgedehnter als in anderen Gesellschaften.

So wird gegenwärtig von Unternehmen Rechenschaft in Bereichen gefordert, die früher ausgespart blieben. Umweltschutz, Verbraucherschutz oder soziale Verantwortung sind Beispiele dafür. Die institutionalisierten Regeln und Erwartungen, mit denen sich Organisationen konfrontiert sehen, werden zunehmend erweitert und betreffen immer weitere Teilaspekte, denen Organisationen Rechnung tragen müssen.

Durch die zunehmende Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften wird Rationalität, wenn sie erst einmal als allgemeine Norm institutionalisiert ist, zu einem Mythos mit gewaltigem Organisationspotenzial (Meyer/Rowan 1977: 346). Die zunehmende Differenzierung moderner Gesellschaften führt nämlich dazu, dass immer neue Bereiche entstehen, die mit institutionalisierten Regeln und Anforderungen angefüllt sind. Unterschiedliche strukturelle Elemente und Managementpraktiken werden von Anspruchsgruppen in...

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