showtime
von Slowenien nach Griechenland
In den frühen Morgenstunden des 15. Juli 2011 verlassen wir endgültig Izola mit Kurs Kroatien. Ein wenig Schwermut liegt in diesem Abschied, denn der Ort ist uns im Laufe des einjährigen Aufenthaltes sehr an unser Herz gewachsen. Neben all der Arbeit und dem Schweiß haben wir auch viele nette Leute kennengelernt, Freundschaften geschlossen, unsere Stammkneipe gefunden und hier sehr schöne Stunden verbracht.
Es geht also Richtung Süden, nach Kroatien, wo wir in Umag, das etwa 20 Seemeilen von Izola entfernt liegt, das erste Mal einklarieren. Gegen Mittag laufen wir in das Hafenbecken von Umag ein. Hatten wir bis dahin nur eine kleine Brise, so frischt der Wind prompt zum Anlegemanöver auf. Es gibt einen Zollsteg, an dem man anlegen soll. Das aber erscheint uns schon recht problematisch in Anbetracht der zunehmenden Windstärke auf der einen Seite und unseren doch noch recht bescheidenen Erfahrungen im Bereich An- und Ablegemanöver auf der anderen Seite. Wir wissen zwar, dass es in der Adria die berühmt berüchtigte Bora gibt, die nicht zu unterschätzen ist und die von einem auf den anderen Moment aufkommen kann, aber ernstliche Gedanken hatten wir uns, bis zu diesem Zeitpunkt, darüber noch nicht gemacht. Letztendlich schaffen wir es dann aber ohne größere Blessuren und auch das Einklarieren geht ziemlich problemlos vonstatten. Nur das Transitlog für stattliche 350 Euro schockt uns dann doch etwas.
Als alles erledigt ist wollen wir wieder ablegen, denn unser erster Ankerplatz für die Nacht soll, etwas weiter südlich gelegen, die Bucht von Novigrad sein. Der Wind hat bereits so an Stärke zugelegt, dass wir beim Ablegen voll gegen die Pier gedrückt werden. Vier andere Segler sehen das, springen in Windeseile von ihrem Boot und kommen uns zur Hilfe. Sie drücken uns mit aller Kraft von der Pier weg, damit wir nicht unseren ganzen frisch lackierten Rumpf zerkratzen. Mit hart eingeschlagenem Ruder und unter voller Motorlast schaffen wir es gerade so, um Haaresbreite, von der Pier wegzukommen. Als wir dann aus der sicheren Hafeneinfahrt heraus kommen, nehmen Wind und Welle innerhalb von Minuten so stark zu, dass wir nur unter voller Motorleistung dagegen anfahren können. Unser Schiff steigt an den steilen Wellen hoch und fällt wieder mit voller Wucht zurück in das Meer. Mit einem lauten Knall spaltet dabei unser langer Bugkorb jedes Mal das Wasser, das dann unser Vordeck flutet. Die Masten vibrieren, das Schiff ächzt unter seiner Last und nichts bleibt mehr an seinem Platz. Sabina, deren Erfahrungsschatz sich auf dem Wasser bis dato auf mehr oder weniger einige sichere Fährüberfahrten beschränkt, ergreift eine solche Panik, dass sie erst völlig blass wird und dann einen hysterischen Angstanfall bekommt. Sie hält sich so krampfhaft fest, dass die Handknochen schon keine Farbe mehr haben und in Konkurrenz zu ihrem Gesicht stehen. Und dann schreit sie plötzlich wie am Spieß: „Wir kippen, der Rumpf bricht auseinander, ich will sofort zurück an Land!“ Oje, das fängt ja gut an, denke ich mir. Meine bessere Hälfte verliert bereits bei der ersten Etappe die Nerven und will von Bord. Ich nehme sie in den Arm und sage, sie soll die Augen schließen und die Bewegungen des Schiffes mitmachen. Uns wird nichts passieren, wir haben ein gutes, starkes Schiff und es passt sich wunderbar den Wellenbewegungen an. Und tatsächlich, es wirkt. Sabina wird nach einiger Zeit ruhiger und verliert ihre Panik. Und so schnell wie die Bora kommt, verlässt sie uns an diesem Tag auch wieder und wir gelangen ruhig und sicher in die Ankerbucht von Novigrad. In der Ankerbucht angekommen müssen wir feststellen, dass es im Inneren unseres Schiffes aussieht, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Nahezu alles, was sich in den Schränken und Schapps befand, liegt nun schön verteilt auf dem Boden. Das ist aber leider noch nichts gegen unsere Entdeckung im Badezimmer, denn dort ist das WC übergelaufen und das ganze Wasser verteilt sich unter die Bodenbretter. Die halbe Nacht räumen wir unser Schiff auf und reinigen es. Unsere eigentlich bereits abgearbeitete TO DO Liste wird wieder neu aufgenommen und erweitert.
Nach zwei Tagen in dieser Ankerbucht geht es dann weiter nach Rovinj. Leider bleibt an diesem Tag der Wind aus und so müssen wir unter Maschine laufen. In Rovinj gibt es eine sehr schöne, große und gut geschützte Ankerbucht, in der wir dann einige Tage bleiben und das erste Mal so richtig unsere neu erworbene Freiheit auf See genießen. Wir besuchen die Stadt und fahren mit unserem Dinghi die ganze Bucht ab. Die nächste Station kennen wir gut, es ist Pula, dort wo wir unser Schiff erstanden haben. In den Hafen von Veruda wollen wir jedoch dieses Mal nicht, denn gleich neben der Marina liegt eine schöne Ankerbucht, die wir bereits kennen und in die wir uns zurückziehen wollen. Angekommen in der Bucht trauen wir jedoch unseren Augen kaum, denn hier ankern so viele Segler, dass man das Gefühl hat, man könne von einem Boot über das andere an Land gehen. Wir verziehen uns in ein kleineres Ankerfeld, im hinteren Bereich gelegen, wo wir noch ein Plätzen finden. Viel Ankerkette können wir aber nicht lassen. Am Abend lichtet sich dann das Ankerfeld ein wenig und wir stellen fest, dass hier einige Segler und Motorbootbesitzer genau eine Seemeile von der Marina heraus um das Eck in die Ankerbucht fahren, den Tag hier verbringen und am Abend wieder zurück in die Marina kehren. Wir denken, nur gut dass ein Teil der Boote am Abend wieder die Bucht verlässt. Wenn hier noch mehr Boote liegen, insbesondere auch in der Nacht, und ein Sturm aufkommen würde, dann bricht hier das blanke Chaos aus. Kaum Ankerkette, dicht an dicht und die Ein- bzw. Ausfahrt zu dieser Bucht ein einziges, enges Nadelöhr. Naja, so etwas sollte man ja auch nie heraufbeschwören. Drei Tage geht das Spielchen gut. Am vierten Tag füllt sich die Ankerbucht so dermaßen, dass wir das Gefühl haben, dass nun wirklich noch nicht mal mehr ein Schlauchboot in die Bucht passt. Wir wundern uns allerdings auch, wo plötzlich so viele Schiffe herkommen. Und dann wird uns klar, dass das Wochenende angefangen hat. Viele kroatische Bootsbesitzer kommen am Wochenende nach Pula und wollen dann natürlich mit ihrem Schiff aus dem Hafen raus. Für den größten Teil der Bootsbesitzer ist es wohl ausreichend, genau diese eine Seemeile vom Hafen in die Bucht zurückzulegen und hier das Wochenende zu verbringen. Da es in der Bucht nun zu geht wie in einem Ameisenhafen kann auch keiner mehr viel Ankerkette lassen, denn sonst würde er gleich mit seinem Nachbarn kollidieren.
So langsam bekommen wir ein mulmiges Gefühl und überlegen, wie wir überhaupt noch mal aus unserem hinteren Eck der Bucht herauskommen. Und tatsächlich, in dieser Nacht frischt plötzlich der Wind auf. Gegen Mitternacht meldet sich unser Ankeralarm, der uns deutlich zu verstehen gibt, dass der Anker nicht hält. So ein Mist, wir slippen. Kein Wunder, denn der Wind nimmt rasant zu. Wir springen raus aus unserer Koje und eilen an Deck. Oh je, was sich da anbahnt verspricht nichts Gutes. Mittlerweile hat der Wind Sturmstärke erreicht. Nicht nur unser Anker hält nicht, sondern auch viele andere Boote um uns herum scheinen zu slippen. Immer mehr verschlafene Gestalten sieht man an Deck, plötzlich in völliger Aufregung, hektisch, schreiend, die Boote fangen an kreuz und quer durch die Bucht zu treiben, man hört erste Yachten aneinander krachen, Ankerketten können nicht mehr eingeholt werden, da diese sich mit dem Anker bereits in anderen Ketten verheddert haben. Das pure Chaos. Auch wir treiben bereits auf ein Boot zu. Der Besitzer steht wild gestikulierend auf seinem Vordeck mit einer Drucklufthupe, hupt und schreit uns an wie ein Irrer. Es ist ein Österreicher, der verständlicherweise Angst um sein Boot hat, da wir ja auf ihn zu triften. Ich habe aber schon den Motor gestartet und Sabina holt unsere Kette ein. Unser Anker ist zum Glück frei. Und der Österreicher hupt immer noch wie ein Wilder. Es ist tiefschwarze Nacht, kein Stern, kein Mond zu sehen und der Wind hat mittlerweile rund 45-50 Knoten erreicht. Unser größtes Problem ist nun, aus diesem hintersten Eck der Bucht unbeschadet durch das Durcheinander von nicht mehr unter Kontrolle stehenden Booten herauszukommen. Wir tasten uns ganz langsam nach vorne, plötzlich sehe ich eine Lücke durch die wir kommen könnten. Denn um Schlimmeres zu verhindern, müssen wir schleunigst aus dieser Bucht heraus. Mit Vollgas, was unser Motor hergibt, fahren wir, teils in einem wilden Zickzack Kurs Richtung offenes Meer und hoffen, dass der Motor nicht plötzlich versagt. Aber es funktioniert und wir verlassen unbeschadet die Bucht. Noch kreidebleich und etwas zittrig suchen wir uns dann einen anderen Ankerplatz, längst nicht so gut geschützt, aber weit weg von dem Trubel. An Schlafen ist nicht mehr zu denken und so verlassen wir Pula mit dem ersten Sonnenstrahl. Denn hier wollen wir nicht einen Tag länger mehr verweilen.
So segeln wir zunächst weiter zur Insel Unije, liegen in einer wunderbar geschützten, nicht...