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E-Book

Neue Fischer Weltgeschichte. Band 11

Südasien

AutorDavid Arnold
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2012
ReiheNeue Fischer Weltgeschichte 11
Seitenanzahl608 Seiten
ISBN9783104024110
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Eine dramatische, farbige und wichtige Geschichte Der indische Subkontinent wird in seiner ganzen Geschichte in Band 11 der Neuen Fischer Weltgeschichte behandelt. Der renomierte englische Indienspezialist David Arnold schildert auf dem neuesten Stand der Forschung stets sachlich sowie anschaulich Blüte- und Unruhezeiten, jahrhundertealte Traditionen sowie umwälzende Bewegungen des von Macht- und Religionsstreitigkeiten immer wieder heimgesuchten Erdteils. Die »Neue Fischer Weltgeschichte« ist die erste umfassende Universalgeschichte des 21. Jahrhunderts. Ihr stringentes Konzept setzt Maßstäbe, die Lesbarkeit ihrer Darstellungen erfüllt höchste Ansprüche. Die 21-bändige Reihe wird - wie ihre legendäre Vorgängerin - Standardwerk auf Jahre hin sein: in Schule, Studium, Weiterbildung, für alle wissenshungrigen Leserinnen und Leser.

David Arnold war bis zu seiner Emeritierung Professor für asiatische und Weltgeschichte an der School of Oriental and African Sudies in London und an der Warwick University.

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Leseprobe

Einleitung


1. Die Identität Südasiens


Die mit dem Ausdruck »Südasien« belegte Idee ist in gewissem Maße künstlich – eine ebenso erfundene und moderne Bezeichnung wie »Südostasien« oder »Mittlerer Osten«. Die Verwendung eines einzigen Ausdrucks für einen so riesigen, bevölkerungsreichen und kulturell vielfältigen Teil der Erde wirft unvermeidlich Fragen nach dem Wert dieser Bezeichnung auf. Besitzt dieses weiträumige Gebiet, das sich heute auf sieben Staaten verteilt (Indien, Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka, Nepal, Bhutan und die Malediven) genügend gemeinsame Merkmale, um es zu Recht als ein Ganzes zu behandeln? Ist es sinnvoll, Südasien von den benachbarten Regionen zu trennen? Afghanistan, Iran und in geringerem Maße auch Tibet und Birma (Myanmar) besitzen so starke historische Verbindungen zu Südasien, dass dessen Geschichte ohne sie gar nicht verständlich wäre. Dennoch gibt es gute Gründe für den Gedanken, dass diese Länder außerhalb des eigentlichen Südasien liegen.

Als »Indien« bezeichnete man einst nahezu die gesamte Landmasse südlich des Himalaya, mit Ausnahme der Insel Sri Lanka (ehemals Ceylon). Auch heute spricht man noch oft vom »indischen Subkontinent« oder im Englischen einfach von »the subcontinent«. Es gibt jedoch gute Gründe, den Ausdruck »Indien« nicht mehr in dieser weitgefassten Bedeutung zu verwenden. Indien ist keine einheimische Bezeichnung, sondern stammt von Fremden, die aus dem Nordosten kamen und in deren Augen dieses unbekannte Land am Indus begann. Es wurzelt aus dem Sanskritwort »Sindhu« (Fluss, Meer), aus dem auch der Name der heute in Südpakistan gelegenen Provinz Sind und die Ausdrücke »Hindu«, »Hindi« und »Hindustan« abgeleitet sind. Die Briten verwandten den Ausdruck »Indien« in ihrer zweihundert Jahre währenden Zeit als Kolonialmacht zur Bezeichnung ihres südasiatischen Empire (außer Ceylon, das einer gesonderten Verwaltung unterlag). Jedoch seit der Unabhängigkeit im Jahr 1947 und der Entstehung der neuen Staaten Indien und Pakistan ist es anachronistisch, den gesamten Subkontinent als Indien zu bezeichnen. »Südasien« erlaubt dagegen auch die Einbeziehung Nepals (das nie zu Britisch-Indien gehörte), Bangladeshs (das sich 1971 von Pakistan abspaltete), Ceylons (das 1948 unabhängig wurde und sich 1971 in Sri Lanka umbenannte) sowie der beiden unabhängigen Staaten Bhutan und Malediven. Da der Ausdruck »Südasien« das Gebiet nicht mit einem der dortigen Staaten gleichsetzt, ist er politisch neutral. Historisch lädt er dazu ein, die Geschichte der Region als ein Ganzes zu betrachten, das nicht hermetisch gegenüber dem Rest der Welt abgeschlossen war (wie ich in diesem Buch zu zeigen versuche), aber über zahlreiche Gemeinsamkeiten verfügt.

Dennoch ist Südasien ein im Innern sehr vielgestaltiges Gebilde. Der Subkontinent (ich werde diesen Ausdruck als Synonym für »Südasien« verwenden) ist die Heimat zahlreicher Sprachen, deren wichtigste (Hindi, Bengali, Telugu, Panjabi, Tamil, Marathi und Urdu) heute von jeweils mehr als 50 Millionen Menschen gesprochen werden. Dieser sprachliche Pluralismus wird noch verstärkt von der Tatsache, dass alle Hauptsprachen ihre eigene Schrift besitzen (auch wenn die meisten davon auf einen gemeinsamen Vorgänger zurückgehen). Außerdem gehören die Sprachen Südasiens zwei völlig verschiedenen Gruppen an – den dravidischen Sprachen des Südens (Tamil, Telugu, Kannada und Malayalam) sowie der indo-europäischen Sprachengruppe in den übrigen Teilen des Subkontinents (darunter Hindi, Gujarati, Marathi, Bengali, Nepali und Singhalesisch). Die Religion ist ein ebenso deutliches Kennzeichen interner Vielfalt wie die Sprache, zumal es keine einfache Korrespondenz zwischen Religion und Sprache gibt: Ein Tamile kann Hindu, Muslim oder Christ sein. Bengali wird von Hindus in Indien und von Muslimen in Bang-ladesh gesprochen. Diese Glaubensvielfalt ist teilweise Ausdruck der Bedeutung Südasiens als Geburtsstätte mehrerer Religionen. Außer dem Hinduismus sind auch Buddhismus, Jinismus und die Religion der Sikhs dort entstanden. Die im heutigen Indien bei weitem am stärksten verbreitete Religion, der Hinduismus, hat auch Anhänger in Nepal und Sri Lanka, und seine Wechselwirkungen mit anderen Religionen werden in der Kulturgeschichte Südasiens häufig thematisiert. Obwohl der Islam im Vergleich zu den älteren Religionen (Hinduismus, Buddhismus und Jinismus) erst relativ spät auf den Subkontinent kam, fand er doch weite Verbreitung. Heute lebt ein Drittel aller Muslime in Südasien. Was die außerhalb Indiens entstandenen Religionen betrifft, gibt es dort eine bedeutsame christliche Minderheit und eine geringe Zahl von Zoroastriern und Juden.

Südasien

Die Sprachen im modernen Südasien

Südasien ist kein Monolith, aber wenn man seine lange und komplexe Geschichte verstehen will, muss man sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede innerhalb dieses weitläufigen Teils der Erde erkennen. Historiker, vor allem solche mit nationalistischer Gesinnung, reden manchmal von »Indien«, als gäbe es einen von der Natur vorausbestimmten Raum, der nur darauf gewartet hätte, in einem einzigen Reich oder Nationalstaat vereint zu werden, um seine höchste Erfüllung zu finden. Da solche Zeiten politischer Einheit in Wirklichkeit selten und kurzlebig waren, meinen sie, die Geschichte Südasiens sei in gewissem Sinne mangelhaft und habe immer wieder ihre eigentliche Bestimmung verfehlt. Andere Historiker vertreten genau die gegenteilige Ansicht, wonach die innere Vielfalt Südasiens keineswegs außergewöhnlich oder nachteilig sei, sondern der Europas ähnele (eines weiteren eurasischen »Subkontinents« mit einer Geschichte voller mörderischer Konflikte). Tatsächlich sind gerade die dynamischen und schöpferischen Momente Südasiens oft aus der Vielfalt der Kulturen und Weltbilder hervorgegangen. Um den Weg durch das Labyrinth der südasiatischen Vergangenheit zu finden, kann man zunächst drei Themen betrachten, die sich durch die gesamte Geschichte der Region ziehen: ihre Stellung als »Weltkultur«, den Umweltaspekt und ihr ambivalentes Verhältnis zur Idee des »Großreichs«. Dabei sollte allerdings klar sein, dass Südasien den Historiker vor besondere Probleme stellt, vor allem wenn er die alte Geschichte des Subkontinents klären und langfristige Entwicklungen aufspüren möchte. Das Wissen über die Besiedlung Südasiens in der Frühzeit ist immer noch lückenhaft und unzulänglich. Die Indus- oder Harappa-Kultur, die ihre Blütezeit um 2000 v. Chr. erlebte, geriet in späteren Zeitaltern vollkommen in Vergessenheit, bis Archäologen im frühen 20. Jahrhundert auf ihre Spuren stießen. Bis heute konnte ihre geheimnisvolle Schrift nicht entziffert werden. Auch die auf der Basis spärlicher Belege als »arische Invasion« Indiens bezeichnete Zeit nach der Harappa-Kultur liegt weitgehend im Dunkeln. Angesichts der wenigen archäologischen Funde und des Fehlens zeitgenössischer schriftlicher Quellen ist es sehr schwierig, die historische Wahrheit zu bestimmen. Viel von dem, was wir über die Zeit bis etwa 500 v. Chr. wissen, stammt aus sprachgeschichtlichen Befunden und aus der Interpretation späterer Sanskritwerke, die nicht der Geschichtsschreibung dienten, sondern zu religiösen und rituellen Zwecken verfasst wurden (auch wenn Schriften wie der Ṛgveda natürlich mancherlei über das alltägliche Leben der Indoarier aussagen). Erst mit der Entstehung des Buddhismus im 5. Jahrhundert v. Chr. wird unser Wissen über die Geschichte Südasiens hinreichend detailliert, um mit einiger Sicherheit einzelne Herrscher und religiöse Führer identifizieren zu können. Doch selbst die Herrschaft des bemerkenswerten Kaisers Ashoka, der zahlreiche in Stein gehauene Inschriften hinterließ, war schon wenige Generationen nach seinem Tod (um 232 v. Chr.) vollkommen in Vergessenheit geraten; erst zwei Jahrtausende später kam sie durch die Bemühungen der Orientalisten des frühen 19. Jahrhunderts wieder ans Licht. Aus diesen Gründen stützen sich die Historiker in beträchtlichem und vielleicht übertriebenem Maße auf das Zeugnis Außenstehender, vor allem der nach der Invasion Alexanders des Großen im Jahr 327 v. Chr. ins Land gekommenen Griechen, auf archäologische und numismatische Funde (wie sie etwa der Handel mit Rom hervorbrachte) oder auf buddhistische Schriften, die in Pali verfasst wurden und wie ihre Entsprechungen in der Sanskritliteratur nicht als geschichtliche Aufzeichnungen gedacht waren, sondern der religiösen und moralischen Unterweisung dienten. Während Religion, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaften in der Frühzeit Südasiens eine Blüte erlebten, entstand eine der europäischen oder chinesischen vergleichbare historiographische Tradition nur sehr langsam. Das Klima, Insektenfraß sowie die Zerstörung von Klöstern und anderen Aufbewahrungsorten durch Invasoren und Bilderstürmer verringerten noch weiter die Wahrscheinlichkeit, dass die auf Palmblätter oder andere vergängliche Materialien geschriebenen Texte die Zeiten überdauerten.

Neben Inschriften in Stein oder Kupfer mit Aufzeichnungen über militärische Eroberungen, Stiftungen an Tempel, Landschenkungen oder Rechte und Pflichten von Kaufmannsgilden – epigraphischen Quellen, die einer...

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