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E-Book

Neuropsychiatrie

Psychiatrische Symptome bei neurologischen Erkrankungen

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783170238893
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Organisch begründete psychiatrische Symptome und kognitive Störungen finden sich bei vielen neurologischen Patienten. Für Neurologen und Psychiater, aber auch für andere Fachdisziplinen ist das Wissen um Diagnose und Therapie psychischer Symptome bei neurologischen Erkrankungen gleichermaßen bedeutsam. In diesem praxisorientierten Werk werden die Zusammenhänge zwischen neurologischer und psychiatrischer Symptomatik detailliert dargelegt. Aktuelle Forschungsergebnisse zur Pathogenese und leitlinienbasierte Therapieempfehlungen geben dem Kliniker wertvolle Informationen zum Management von Störungen im neuropsychiatrischen Erkrankungsspektrum.

Prof. Dr. med. Tillmann Supprian, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, leitet die Abteilung Gerontopsychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LVR-Klinikum Düsseldorf. Prof. Dr. med. Markus Naumann, Facharzt für Neurologie/Neurologische Intensivmedizin und Direktor der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Klinikum Augsburg.

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Leseprobe

2          Alzheimer-Erkrankung


Peter Häussermann


2.1       Einleitung


Die Alzheimer-Erkrankung (AK) ist eine primär degenerative Hirnerkrankung, die zu einer progredienten temporo-parietal betonten Hirnatrophie führt und bei der es konsekutiv zu alltagsrelevanten kognitiven Defiziten kommt. Sie beginnt selten vor dem 65. Lebensjahr. Ungefähr 7 % aller Menschen in Deutschland über 65 Jahren leiden an Demenzerkrankungen (Bickel 2000). Diese Patienten weisen fast ausnahmslos alzheimertypische Veränderungen, nämlich Plaques und tangles, auf. Die AK macht etwa 50–70 % der Demenzfälle aus, wobei hier auch gemischte Formen hinzugezählt werden. In Deutschland gibt es etwa 250 000 neue Demenzfälle/Jahr (Ziegler & Doblhammer 2009). Mehr als 2/3 der Patienten sind älter als 80 Jahre, nur 2 % aller Erkrankten sind jünger als 65 Jahre (Bickel 2000). Die Prävalenz von Demenzerkrankungen steigt ab dem 60. Lebensjahr exponentiell an, die Prävalenzrate verdoppelt sich alle fünf Jahre (Ziegler & Doblhammer 2009). In der Gruppe der 65–75-Jährigen gibt es 0,9 % Alzheimer-Patienten, bei den über 90-Jährigen über 30 %. (Bickel 2000). Die Inzidenz der AK steigt von < 1 % in der Gruppe der 60–70-Jährigen auf etwa 8 % bei den über 85-Jährigen an (Mayeux 2011). Frauen machen mehr als 70 % der Erkrankten aus. Fast jeder dritte Mann und jede zweite Frau erkranken somit im weiteren Altersverlauf an einer Demenz, wenn sie über 65 Jahre alt werden. Obwohl aktuell keine kausale Therapie zur Verfügung steht, sind in den letzten Jahren doch erhebliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie gemacht worden. Durch die verbesserte medizinischpflegerische Betreuung liegt zwischen Diagnosestellung und Tod meist ein Verlauf von sechs bis acht Jahren, wobei die Spannbreite von 3 bis über 20 Jahre reicht.

2.1.1     Ätiopathogenese


Grundlage der Erkrankung ist ein primär neurodegenerativer Prozess mit Akkumulation fehlgefalteter Proteine im alternden Gehirn. Dadurch kommt es zu oxidativen und inflammatorischen Schäden und schließlich zu einem Verlust von Synapsen und Nervenzellen (Querfurth & La-Ferla 2010). Die AK ist keine ansteckende Erkrankung, auch wenn erste Publikationen hier einen Prionen-ähnlichen Krankheitsmechanismus postulieren (Eisele et al. 2010). Die nachfolgenden Faktoren prädisponieren bzw. führen zur Desintegration neuronaler Systeme und Netzwerke bei der AK.

1.  Genetik: Bei 5–10 % der Fälle besteht eine familiäre Form. Bei 3–5 % ist ein eindeutig autosomal-dominanter Erbgang nachweisbar. Ein dominanter Erbgang kommt vorzugsweise bei den präsenilen Fällen vor. Die sporadische AK macht 90 % der Fälle aus. Von den drei Hauptallelen des ApoE-Gens ist das Allel e4 überrepräsentiert. Bei Homozygotie besteht ein etwa zahnfach erhöhtes Risiko, bei Heterozygotie ein etwa dreifach erhöhtes Risiko.

2.  Alterungsprozesse: Zunehmender oxidativer Stress, Schädigung der mitochondrialen DNA, gestörte Proteinfaltung, verschlechterte Clearance beschädigter Proteine, Verlust an Synapsen, gestörter Zellzyklus.

3.  Störung der Blut-Hirnschranke (BHS): Bereits früh im Verlauf kommt es zu einer Schädigung der BHS, wodurch es zu einem Eintritt potentiell toxischer Substanzen in das ZNS kommt (Bell et al. 2012, Carmeliet & DeStrooper 2012).

4.  Akkumulation fehlgefalteter Proteinbruchstücke:

a.  ß-Amyloid 1-42 (Aβ42) entsteht durch (»falsche«) Spaltung mittels β- und γ-Sekretase aus dem sog. Amyloid-Precursor-Protein (APP). Aβ42 ist v. a. in monomerer und dimerer Form neurotoxisch. Amyloidablagerungen in den zerebralen Gefäßen führen zur kongophilen Angiopathie mit konsekutiven Mikrohämorrhagien.

b.  Intraneuronale tau-Ablagerungen: Diese bestehen überwiegend aus hyperphosphoryliertem tau-Protein, welches sich zu Neurofibrillen (Tangles) zusammenfindet. Neurofibrillen und Amyloid-Ablagerungen scheinen sich wechselseitig zu beeinflussen, möglicherweise sogar in ihrem deletären Einfluss gegenseitig zu verstärken (Querfurth & LaFerla 2010).

5.  Verlust an Synapsen und synaptische Dysfunktion: Beginnend im Hippokampus gehen im Verlauf der AK mehr Synapsen als Neurone verloren. Der synaptische Verlust korreliert am besten mit dem Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung.

6.  Verlust an Neurotransmittern und Neurotrophinen: Defizite bestehen v. a. im cholinergen (cholinerge Hypothese der AK) und glutamatergen System. Die Zahl affarenter cholinerger Projektionen aus dem Ncl. basalis Meynert in alle kortikalen Areale nimmt ab. Später auch überschießende glutamaterge Stimulation. Reduktion neurotropher Wachstumsfaktoren wie BDNF.

7.  Mitochondriale Dysfunktion und oxidativer Stress: Aβ42 ist ein potentes mitochondriales Toxin und schädigt die mitochondriale DNA. Peroxidation von Membranlipiden durch oxidativen Stress.

8.  Neuroinflammation bzw. Störungen des Immunsystems: Mikrogliaaktivierung und Freisetzung von Entzündungsmediatoren (Il 1, Il 6, TNF-a) und Aktivierung des klassischen Komplementweges.

9.  Vaskuläre Veränderungen: 60–90 % der Patienten mit AK weisen vaskuläre Veränderungen, zumeist der weißen Substanz, auf. Eine kongophile Amyloid-Angiopathie besteht bei 90 % der Patienten. Modifizierbare Risikofaktoren umfassen den arteriellen Hypertonus im mittleren Lebensalter, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Rauchen, eine geringe körperliche Aktivität sowie Übergewicht im mittleren Lebensalter (Hampel et al. 2011).

10.  Insulin-Resistenz: Diabetes zählt zu den Risikofaktoren der AK. Bei einigen Patienten mit AK liegt eine periphere wie auch zentrale Insulin-Resistenz vor (de la Monte 2012).

11.  Verlust der Ca-Regulation: Gestörte Ca-Homeostase bei der AK, gerade bei familiären Fällen. Die erhöhte glutamaterge Transmission verstärkt den zytosolischen Ca-Influx.

12.  Störung des Cholesterin-Transportes

2.1.2     Plastizität und Schlaf bei der Alzheimer-Erkrankung


Neurodegenerative Ab- und Umbauvorgänge stellen die Ursache der klinischen Symptomatik bei der AK dar. Dennoch gibt es keine lineare Beziehung zwischen neuropathologischen Schäden und Klinik....

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