„Von klein auf bin ich damit aufgewachsen, dass man wieder aufsteht, wenn man hinfällt. Tat ich mir weh, klebte mir mein Vater ein Pflaster aufs Knie und sagte: ‚Das ist gleich wieder vorbei.‘ Mein Vater war Arzt und bei allen Patienten äußerst beliebt, denn er nahm sich Zeit für sie und heilte mehr über die Seele als mit Medikamenten. Das hat sich mir eingeprägt: Früher, als unsere Kinder noch klein waren und beim Skifahren stürzten, gab es kaum Tränen, denn Rosi und ich bauten sie gleich wieder auf und betonten, was das doch für ein toller Sturz war. Bei den Enkeln machen wir es heute genauso. Was ich damit sagen will: Egal, was passiert, versuche immer, dir einen positiven Blick zu bewahren und diesen auch auf andere Menschen zu übertragen. Ich bin überzeugt davon (und das zeigen mir die Feedbacks aus dem Leistungssport ganz extrem), dass sich eine positive Einstellung auf die Heilung von Krankheiten auswirkt. Dazu braucht es aber auch Menschen, die einem das vermitteln können, denn nicht jedem ist eine positive Grundeinstellung gegeben.
»Was auch passiert: Man darf sich nie mit einer schlechten Prognose zufriedengeben, sondern muss Auswege suchen. Und man braucht ein Umfeld, das positiv auf einen wirkt. Aufgeben ist definitiv keine Lösung.«
Aufgeben ist keine Option
Als ich mit 14 Jahren vom Fußballspielen eine Knieverletzung hatte, sagte mir der Garmischer Chefarzt Fritz Lechner: ‚Vier Wochen Gips, Christian, dann kriegen wir das schon wieder hin. Wir operieren nicht.‘ Das war 1963. Solche Sätze sind es, die ein Patient hören will und soll! Ich erinnere mich an Felix, als er 17 war, da sagte der hiesige Radiologe nach einer Röntgenaufnahme zu ihm: ‚Mit diesem Knie kannst du den Leistungssport vergessen.‘ Felix kam völlig verzweifelt nach Hause und sagte: ‚Papa, mein Knie ist kaputt, der Arzt sagt, dass das mit dem Skirennsport aussichtslos sei und ich sicher operiert werden müsse.‘ Mit 17 schon einen irreparablen Knorpelschaden und eine OP? Never ever! Das wollte ich nicht glauben und nicht akzeptieren.
Wir haben uns dann eine zweite Meinung geholt bei einem Spezialisten, bei dem schon andere Rennläufer erfolgreich behandelt worden waren. Dieser Arzt sah sich das Knie und die MRT-Bilder an und meinte: ‚Das ist nicht so schlimm, das bekommen wir auch ohne OP hin. Deine Skifahrerkarriere musst du deshalb bestimmt nicht aufgeben.‘ Die Augen von Felix leuchteten und das Vaterherz machte einen Freudensprung. Felix bekam eine Spritze ins Knie. Nur wenige Tage später konnte er schon wieder mit leichtem Training beginnen. Ans Aufhören musste er nicht mehr denken. Im Gegenteil: Seine Motivation war noch größer geworden. Wir sind über die Jahre noch öfter zur Behandlung dorthin gefahren. Diese Fahrten mit dem Buben sind unvergesslich und haben uns stark zusammengeschweißt. Auf Felix kamen noch viele verletzungsbedingte Herausforderungen zu, aber eines hat auch er gelernt: dass man sich nie mit schlechten Prognosen zufriedengeben darf, sondern Auswege suchen muss und ein Umfeld braucht, das positiv auf einen wirkt. In so einem Umfeld ist Aufgeben keine Lösung.
Es ist nicht immer nur der Meniskus schuld, wenn das Knie schmerzt
Ich selbst kenne das auch: Ich war 55 Jahre alt, als ich mir den Meniskus einklemmte. Die Arthroskopie hatte gerade völlig neue Möglichkeiten einer schonenden OP eröffnet und ich war sehr zuversichtlich, in kürzester Zeit wieder schmerzfrei zu sein. Als ich aus der OP aufwachte, sagte der Arzt zu mir: ‚Leider war nicht nur dein Meniskus kaputt, sondern dein Gelenkknorpel ist auch schon ziemlich aufgebraucht. Die Meniskusteile haben wir entfernt, beim Knorpel konnten wir aber nicht viel machen. Da hat die arthroskopische Operationsmethode ihre Grenzen und für ein neues Knie ist’s noch zu früh.‘ Das war ein Schock für mich! Der Heilungsprozess verlief entsprechend viel langsamer als erhofft: Noch Wochen danach konnte ich mit dem Skischuh nicht einmal mehr in die Skier steigen, ohne mit dem anderen Bein nachzuhelfen. Ich machte mir echte Sorgen: ‚Au weh‘, dachte ich, ‚jetzt kannst du das Skifahren vergessen und als Skiexperte bei der ARD brauchen sie dich auch nicht mehr. Ohne Kamerafahrten und Einsätze am Rennhang bist du untauglich für so einen Job.‘ Doch so leicht gibt man seine ‚große Liebe‘ nicht auf. ‚Jetzt erst recht, das pack ich wieder‘, dachte ich mir. ‚Dem Knie zeig ich’s.‘ Und eines hab ich mir geschworen: Ein neues Knie gibt’s bei mir noch lange nicht! Bevor ich mich operieren lasse, probiere ich wirklich alle Alternativen aus.
Und tatsächlich habe ich dann so ziemlich alles versucht, was es gibt: Ich habe Glucosamin eingenommen, Schmerztabletten eingeworfen, spezielle Krafttrainings gemacht, gedämpfte Schuhe getragen … Sogar Unmengen von Gummibärchen und Gelatine habe ich gegessen, weil es ja heißt, dass die für den Knorpel gut sind. Das war damals übrigens genau zu den Zeiten des Rinderwahnsinns. Schon möglich also, dass ich ein bisschen was vom Wahnsinn abbekommen hab.
Ich habe schließlich Ski und Schuh an mein Knie angepasst und meine Skitechnik so verändert, dass sie nicht mehr so auf die Gelenke geht. Seitdem fahre ich viel aufrechter und mit viel stärkerer Vorlage, suche die weiten Schwünge quer über den ganzen Hang und finde es sogar als Zickzackfahrer geil, fast wie ein Abfahrer ohne die ganz großen Richtungsänderungen Tempo machen zu können. Wenn ich die Schneetage eines Winters zusammenrechne, bin ich inzwischen mehr auf den Langlaufskiern als auf den Alpinskiern unterwegs. Ich kann das selbst kaum glauben und hätte früher nie gedacht, welchen Genuss es bereitet, frühmorgens oder abends bei Dämmerung entspannt durch verschneite Traumlandschaften zu gleiten. Zu zweit mit Rosi oder ab und zu auch mit ein paar Gleichgesinnten auf der Loipe – das sind Momente, die mir der alpine Sport bis dahin eigentlich nur bei Skitouren oder Tiefschneeabfahrten geben konnte. Heute weiß ich: Am Berg ist es viel schwieriger, diese Ruhe zu finden. Ich habe übrigens damals auch das erste Mal das Schneeschuhwandern ausprobiert – und war sofort total fasziniert. Inzwischen laufen wir bei der BR-Schneeschuhnacht mit Tausenden Menschen durch die Wälder und freuen uns, dass so viele an dieser Sportart Gefallen gefunden haben.
Ein Lob auf die Stöcke
Ich möchte fast sagen, dass nach dem einschneidenden OP-Erlebnis mein Sportlerleben noch abwechslungsreicher geworden ist. Schließlich haben Rosi und ich dadurch Sportarten entdeckt, die wir sonst vermutlich nie so intensiv betrieben hätten. Okay, ich spiele kein Tennis mehr, dafür haben wir aber mit Nordic Walking eine Sportart in Deutschland groß gemacht, die als die Arthrose-Sportart überhaupt gilt. Stöcke sind bei uns inzwischen fast täglich im Gebrauch: im Winter beim Skifahren, Langlaufen oder Schneeschuhwandern, im Sommer beim Nordic Walking. Nichts entlastet Knie und Hüfte so genial wie diese Stöcke. Die Muskulatur rund ums Knie wird gestärkt und die Ringe rund um die Hüfte bleiben schwach. Eine geniale Ganzkörpersportart gerade für Arthrose-Patienten. Ich nutze die Nordic-Walking-Stöcke auch gern am Berg. Sie ‚schieben‘ mich regelrecht den Berg hinauf und verteilen die Kraft vom Oberschenkel auf den ganzen Körper. Ohne die Stöcke würde ich einen Berg auch gar nicht mehr herunterkommen. Nichts entlastet ein Knie besser als diese Stöcke mit der speziellen Nordic-Walking-Schlaufe. Ich muss also den Bergen nicht Ade sagen. Und auch wenn das Knie natürlich weiterhin dem Verschleiß unterworfen ist: Den Berg rauf bringen mich die Stöcke immer und bergab gibt es wunderbare Gondeln oder Sessellifte, in denen ich beim Herunterschweben die Seele baumeln lassen kann. Ich spüre dann weder Knie noch Hüfte, sondern blicke ins Tal und freue mich über diese gelenkschonende Möglichkeit – und über die großartige Aussicht.
Kleine Schritte, große Wirkung
Sport und Bewegung sind elementare Bausteine für ein langes, gesundes und glückliches Leben. Gerade und erst recht für Arthrose-Patienten. Man muss nur seine Einstellung ändern. Natürlich würde ich gerne noch so verrückte Sachen machen wie früher und auf Skiern 30 Meter von einem Felsen springen. Aber jetzt sehe ich den Felsen, fahre leicht angestemmt darum herum und freue mich einfach darüber, dass ich da mal runtergesprungen bin. Und natürlich muss ich das dann gleich der Rosi sagen und zeigen, damit sie weiß, was ich mal für ein toller Hecht war. Daher noch mal: Man muss sich unter Umständen eben neue Sportarten oder Bewegungsformen suchen. Denn wenn man sich nicht mehr bewegt, wird man dicker und schwerer und bringt dadurch noch mehr Gewicht auf die geschädigten Gelenke. Man gerät schnell in einen Teufelskreis und driftet in eine Spirale der Bewegungslosigkeit, die äußerst deprimierend und Leben verneinend ist. Es gibt so viele wunderbare Bewegungsformen, man muss nur wollen und bereit sein, Neues auszuprobieren. Auch kleine Häppchen machen Spaß und haben eine große Wirkung. Ein gewisser Verschleiß gehört nun mal zum Leben dazu, da darf man nicht deprimiert sein. Aber ein gemütlicher Waldspaziergang auf weichem Moosuntergrund bei Regen macht einen mitunter glücklicher als ein Sonnenbad auf der Terrasse. Und der Knorpel freut sich mit. Depression...