Geld ist Gefühlssache
»Mag das Geld auch den Charakter des bloß Nützlichen haben, so hat es dennoch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Glück, weil es auch den Charakter des Allumfassenden besitzt, da ja dem Gelde alles untertan ist.«
Thomas von Aquin
Wie auch immer Sie im Selbsttest abgeschnitten haben: Beim Ankreuzen der auf Sie zutreffenden Aussagen haben Sie nach Ihrem Gefühl entschieden. Geld ist überhaupt ein Thema, das für fast alle Menschen mit starken Gefühlen verbunden ist. Warum eigentlich?
Was ist Geld? Eine sachliche Betrachtung
Rein ökonomisch betrachtet hat Geld drei Funktionen:
Es dient als Generaltauschware. Jeder Marktteilnehmer kann seine erstellten Leistungen gegen Geld eintauschen. Er kann also beispielsweise dafür, dass er ein Brot backt und verkauft, einen Gegenwert in Form von Geld verlangen. Gleichzeitig hat er die Möglichkeit, jede andere Leistung oder Ware, die er benötigt und die auf dem Markt angeboten wird, gegen Geld zu erhalten. Das ist wesentlich praktischer als der Tausch Leistung gegen Leistung bzw. Brot gegen Wurst.
Es hat Wertaufbewahrungsfunktion. Anders als Wurst verdirbt Geld nicht und kann auch nach langer Zeit noch gegen Waren eingetauscht werden. Allerdings verliert es mit der Zeit an Wert. Diese schleichende Geldentwertung nennt man Inflation. In Deutschland ist die Inflationsrate seit einigen Jahren extrem niedrig und lag z. B. 2015 bei 0,3 Prozent. Einfach gesagt bedeutet dies: Was letztes Jahr 100 Euro gekostet hat, kostet dieses Jahr 100,30 Euro. 100 Euro, die Sie letztes Jahr ins Sparschwein gesteckt haben, sind dieses Jahr also etwas weniger wert. Solange die Inflation so niedrig ist, ist der Wertverlust bei »herumliegendem« Geld nicht so dramatisch, aber generell sollten Sie eher versuchen, es gewinnbringend anzulegen. Die profitable Geldanlage ist aber derzeit sicher nicht das drängendste Geldproblem für Sie …
Es dient als Wertmaßstab bzw. Recheneinheit. Mit Geldeinheiten kann man beziffern, wie viel ein Haarschnitt oder eine Tasse Kaffee wert sind.
Letztlich dient Geld also schlicht dazu, den Austausch von Leistungen auf den Märkten zu vereinfachen. Für die Menschen in einer Geldwirtschaft heißt das: Sie brauchen Geldeinkommen, um dafür das kaufen (»eintauschen«) zu können, was sie zum Leben brauchen.
Und warum hängen Gefühle am Geld?
Neuere Forschungen haben ergeben, dass eigentlich jede Entscheidung, die wir Menschen treffen, von Gefühlen gesteuert ist. Aus Sicht unserer Evolution ist das nur sinnvoll: Ein Mensch, der im Dschungel auf einen Tiger trifft, hat keine Zeit, rational alle offenstehenden Möglichkeiten abzuwägen und sich dann für die aussichtsreichste zu entscheiden. Er hat Angst. Er rennt los. Wenn er es überlebt und hinterher über seine Reaktion nachdenkt, wird er sie sehr vernünftig finden, obwohl er doch rein gefühlsmäßig entschieden hat.
Heute leben wir unter völlig anderen Bedingungen als unsere Vorfahren vor 100.000 Jahren. Wenn es um das Geldausgeben geht, wäre ein rein sachliches Abwägen von Vor- oder Nachteilen wesentlich sinnvoller als ein Entscheiden aus dem Bauch heraus. Aber so schnell geht das mit der Evolution nicht. Immer noch handeln wir – auch beim Konsum – vorrangig nach Gefühlen wie Angst, Neid, Gier, Streben nach Anerkennung oder Liebe.
Das Dumme ist, dass diese gefühlsmäßigen Beweggründe sehr tief in uns verankert sind. Sie bestimmen unser Handeln, aber wir sind uns dessen meist gar nicht bewusst. Das macht es so schwer, unser Handeln zu verändern. Wir müssen unsere Gefühlssteuerung erst einmal erkennen, bevor wir sie mit sachlichen Überlegungen überlisten können.
Beweggrund Angst
Angst ist eine sehr nützliche Einrichtung der Natur, die unser Überleben in einer feindlichen Umwelt sichert. Im Beispiel mit dem Tiger lässt Angst uns wegrennen oder kämpfen, falls es nicht anders geht. Von solchen Akutsituationen abgesehen äußert sich Angst meist eher indirekt als Sicherheitsstreben. Wir sparen aus Angst davor, im Alter arm zu sein. Wir schließen Versicherungen ab, weil wir Angst vor Schicksalsschlägen und deren Folgen haben. Wir trennen unseren Müll aus Angst vor der Umweltzerstörung und boykottieren genmanipulierte Nahrungsmittel aus Angst vor den Folgen der Gentechnik. Manchmal kaufen wir uns Dinge, die wir uns nicht leisten können – aus Angst, sonst vor anderen schlecht dazustehen.
Allerdings geht es uns deswegen nicht besser: Angst ist nicht rational und wer starke Ängste hat, wird sich nie wirklich sicher fühlen, egal wie viel Geld er gespart und wie viele Versicherungen er abgeschlossen hat. Immerhin wird er mit den Folgen negativer Ereignisse dann wenigstens in finanzieller Hinsicht besser fertigwerden. Ein bisschen Angst kann also in Geldfragen durchaus nützlich sein.
Beweggrund Gier
Gier ist kein schönes Wort und eigentlich wollen wir nicht glauben, dass wir Dinge aus Gier tun. Aber warum stehen wir morgens um 8 Uhr bei Aldi und schlagen uns mit wildfremden Menschen um eine Wanduhr für 9,99 Euro oder eine spottbillige Küchenmaschine? Warum freuen wir uns noch Tage später über ein Superschnäppchen, das wir beim Einkaufsbummel gemacht haben? Warum greifen wir bei »drei für zwei«-Angeboten und Rabattaktionen so gern zu? Weil wir uns einfach gut fühlen, wenn wir mehr für weniger bekommen. Und noch besser, wenn andere das nicht schaffen. Weil wir immer noch mehr haben wollen – ja, das ist die pure Gier.
Dumm ist nur: Wenn wir gierig sind, tricksen wir uns selbst aus. Egal wie toll die Schnäppchen sind, die wir machen: Letztlich haben wir für sie Geld ausgegeben, statt es zu sparen. Oft sind es Dinge, die uns zwar gefallen, die wir aber eigentlich gar nicht brauchen. Viele billig erworbene Dinge sind zudem von schlechter Qualität oder haben einen Haken im Kleingedruckten, sodass sie langfristig doch teurer werden als gedacht. Besonders fatal wird die Gier, wenn sie uns auf raffinierte Betrüger hereinfallen lässt, wie es auch und gerade jungen Menschen immer wieder passiert. Ein typisches Beispiel sind Superschnäppchen bei Ebay, die nach Bezahlung nie geschickt werden, oder irgendwelche angeblichen Gewinne (etwa bei einem Facebook-Award), die man sofort bekommt, wenn man nur ein paar Daten eingibt und etwas Geld als »Bearbeitungsgebühr« überweist. Dann fallen gutgläubige Gierige böswilligen Gierigen zum Opfer und verlieren ihr sauer erarbeitetes Geld auf Nimmerwiedersehen. Gier ist (nicht nur) in Gelddingen eigentlich immer ein schlechter Ratgeber.
Beweggrund Streben nach Anerkennung
Menschen sind soziale Wesen. Keiner von uns will allein sein. Wir wollen Freunde haben, einen Partner, eine Familie. Und nicht nur das: Wir wollen in den Gruppen, in denen wir uns bewegen – unter Kollegen, Kommilitonen, Vereinskameraden –, nicht irgendein Nobody sein, sondern jemand, den die anderen akzeptieren, mögen oder noch besser sogar bewundern. Wir sind bereit, dafür einiges zu tun: Wir investieren Geld und Zeit. Wir frisieren, kleiden und schmücken uns so, wie es gerade angesagt ist, gehen in die »richtigen« Lokale, kaufen das jeweils neueste Smartphone und streamen die angesagten Sendungen, damit wir mitreden können.
Allerdings: Stimmt es wirklich, dass wir keine Chance auf Akzeptanz haben, wenn wir nicht jede Mode mitmachen? Vielleicht schauen wir dann nur auf die falschen Leute? Stil kann man auch mit günstigen gebrauchten Sachen zeigen und Selbermachen ist sowieso wieder »in«. Protz und Schulden sind dagegen richtig uncool.
Beweggrund Liebe
Über Geld drücken wir auch Zuneigung und Liebe aus, zu anderen Menschen und zu uns selbst. Wir machen geliebten Menschen Geschenke, wollen mit ihnen ausgehen, reisen und andere schöne Erlebnisse haben. Wir wollen ihnen zeigen, wie wichtig sie uns sind. Uns selbst wollen wir auch immer mal wieder etwas Gutes gönnen. Gerade wenn das Leben schwierig ist, trösten wir uns gern mit Schokolade, einem neuen Parfüm oder Handy oder einer durchgefeierten und -getanzten Nacht darüber hinweg. Das Geld dafür ist doch gut angelegt, oder?
Ab und zu ein liebevolles Geschenk für sich oder für andere – das ist wirklich etwas Schönes. Regelmäßige Frustkäufe aber nicht. Die Befriedigung, die sie bringen, währt kurz. Das Geld dafür ist aber unwiederbringlich weg. Jahrelange Erfahrung hat uns gelehrt, dass sich weder Schokolade noch Shopping zur Frustvernichtung eignen. Akute Frustanfälle vertreiben Sie am besten mit Sport oder mit einem Gespräch mit einem lieben Menschen. Manchmal hilft auch ein gemütliches Wannenbad oder ein Videoabend auf dem Sofa – wenn Sie eine Komödie anschauen und sich dabei nicht mit Chips und Süßigkeiten vollstopfen.
Auch Liebe und Zuneigung anderer kann man sich nicht mit Geschenken erkaufen. Ihr Partner oder ein anderer geliebter Mensch, der es ehrlich mit Ihnen meint, wird sich über eine liebevoll ausgesuchte Kleinigkeit oder über ein selbst gebasteltes, gebackenes oder gedichtetes Werk mindestens genauso freuen wie über ein teures 08/15-Geschenk. Wahrscheinlich sogar mehr.
Übung 2
Schreiben Sie die letzten fünf außerplanmäßigen Ausgaben auf, die Sie getätigt haben. Seien Sie bei jeder Ausgabe ganz ehrlich und selbstkritisch: Warum haben Sie sie getätigt? War das etwas, das Sie objektiv gebraucht haben? Oder waren es doch Ihre Gefühle, die Sie zum Kauf bewogen haben?...