3 Die Sport-Ökonomie
Bisher wurde im vorangegangenen Kapitel der Sport in seiner ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung und Bedeutung ausführlich dargestellt. Weiterführend soll in diesem Kapitel die Sport-Ökonomie[42] in Deutschland genauer untersucht werden. Zunächst aber stellt sich die Frage, was unter dem Begriff „Sport-Ökonomie“ zu verstehen ist.
Eine adäquate Definition liefert Büch (2000, S. 9): „ Sportökonomik - das ist die Lehre von Angebot und Nachfrage im Sport und zugleich die Lehre von der Anwendung rationalen Handelns im Bereich des Sports und seiner Organisationen. Sportökonomik sollte Aussagen zu den Märkten umfassen, auf denen Güter und Dienste aus dem Bereich der Sportökonomik getauscht werden [...]. Der wesentliche Baustein einer Sportökonomik wird das auf Eigeninteresse ausgerichtete, rationale Handeln der im Sport Tätigen sein. Dabei muss es aber immer darum gehen, die Eigenarten des Sports mit einzubeziehen, denn darin liegen die Besonderheiten einer Sportökonomie.“
In diesem Zusammenhang ist anzuführen, dass zwischenzeitlich eine Reihe verdienstvoller Beiträge erschienen sind, und auch der 1997 gegründete Arbeitskreis „Sportökonomie“ zur weiteren wissenschaftlichen Fundierung beigetragen hat.[43] Allerdings ist nach Büch/Frick (1998, S. 109) auf der einen Seite zu beklagen, dass dem Sport von Seiten der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre bislang keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden ist. Auf der anderen Seite stellt die Sport-Ökonomie innerhalb der Sportwissenschaft noch immer ein „Theoriefeld in Entwicklung“ dar.[44] Die ersten Versuche, sich dem Bereich der Sport-Ökonomie zu nähern, gingen von der Soziologie aus, insbesondere von Heinemann (1987), was eine breitere Sichtweise ermöglicht hat. Dennoch weist nach Heinemann (1999, S. 21) die Sport-Ökonomie viele Forschunglücken auf, so dass es eine vollständige, systematisch entfaltete Sport-Ökonomie noch nicht gibt. Diese Situation wirkt sich folgerichtig auch auf den Bereich des Sport-Marketing aus, wie im Verlauf dieser Arbeit noch gezeigt wird.
Dennoch sollen - ausgehend vom heutigen Stand der Sport-Ökonomie - im Rahmen dieses Kapitels die Güter und Dienste aus dem Sportbereich, sowie ihre Märkte beschrieben werden. Hierzu wird zunächst der Sport als Wirtschaftgut analysiert und klassifiziert. Danach soll auf der Basis dieser Klassifizierung die Struktur des Sportmarktes explizit dargelegt werden.
Güter sind Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Soweit Güter vom Menschen hergestellt bzw. produziert werden, spricht man von wirtschaftlichen Gütern bzw. Produkten. Produkte werden schließlich auf Märkten gehandelt; sie werden angeboten, nachgefragt und getauscht. Der Begriff „Produkt“ steht dabei sowohl für materielle als auch für immaterielle Güter. Materielle Güter oder Sachgüter (z. B. Autos) werden von den immateriellen Gütern abgegrenzt.
Zu den immateriellen Gütern zählen vor allem Dienstleistungen (z. B. Übungsstunden), Rechte und Informationen, meist auch Nominalgüter (z. B. Geld, Darlehenswerte oder Beteiligungswerte). „Sport“ umfasst dabei ein breites Spektrum von Gütern und Diensten. Zudem sind in einem für den Sport erweiterten Begriffsverständnis auch Personen, Sporterfolge, Ideen, Rechte, Organisationen und Erlebniswerte als „Produkt“ zu verstehen.[45]
Somit gibt es im Sportbereich viele Produkte, bei denen es den Anbietern und Nachfragern nicht immer klar ist, was das Produkt ist, bzw. dass es sich bei der jeweiligen Leistung aus betriebswirtschaftlich-marketingbezogener Sicht um ein Produkt handelt. Es zeigt sich, dass sich eine Klassifikation des Wirtschaftsguts „Sport“ als nicht unproblematisch darstellt.
Als sinnvoll zeigt sich die Klassifikation, wie sie Heinemann (1995, S. 29ff.) vornimmt. Denn anhand dieser Klassifikation lässt sich dann die Struktur des Sportmarktes weiter nachvollziehen. So lassen sich die im Sport bereitgestellten Produktgruppen nach folgenden Gesichtspunkten klassifizieren:[46]
- Sportgelegenheiten (sachlich-materielle Voraussetzungen zum Sporttreiben)
Sportstätten
Infrastruktur (Transportmittel, Transportwege, Parkplätze etc.)
Sportmilieus (Club-, Vereinshaus mit Kommunikationsmöglichkeiten in Bars, Bistros, Restaurants; Verkaufsangebote für Kleidung und Sportgeräte, Hotels, Ferienhäuser, Ferienorte etc.)
Organisation (Rahmen für administrative Leistungen, Außenkontakte etc.)
- Sportausrüstungen
Sportausrüstungen
Sportbekleidung
Sportzubehör
Sporternährung
Betriebs- u. Hilfsmittel
- Dienstleistungen
Erlernen einer Sportart (durch Trainer, Übungsleiter, Animateure)
Training/Übung
Förderung (von Talenten)
Beratung (in Form von Programmberatung, Einweisung in Geräte, zum Ernährungs- u. Gesundheitsverhalten etc.)
Betreuung (von bestimmten Personengruppen oder im Kontext bestimmter Probleme)
Sportliche Veranstaltungen (in Form von Wettkämpfen, Gäste-Laufen, Regatten, Sportfesten, Showkämpfen etc.)
- Anschlussprodukte (sind nicht Voraussetzung und Teil des aktiven Sporttreibens, werden erst in seinem Gefolge angeboten und nachgefragt)
Zuschauer-Unterhaltung (als Produkt einer Unterhaltungsindustrie)
Information (über den Sport im Fernsehen, Radio und in den Printmedien)
Werbung und Sponsoring (Möglichkeiten für Unternehmen, Sport als Instrument der Absatzförderung verwenden zu können)
Versicherungen (zur Abdeckung, der mit dem Sport verbundenen Risiken)
Lotterien und Wetten (auf Basis von Sportergebnissen)
Medizinische Versorgung (für Sportverletzungen und Erkrankungen)
Nicht-marktliche Produkte (Leistungen, für die es keinen Markt und auch keinen Preis gibt, aber als Folge des Sporttreibens entstehen: Nationalgefühl, Gesundheit, lokale Identität, Selbstdarstellung einer Nation, Sozialisation etc.)
Obwohl der „Sport“ in die aufgeführten Produktgruppen klassifiziert werden kann, ist hervorzuheben, dass nur wenige Sportprodukte eine klare und eindeutige Ausprägung mit spezifischen Eigenschaften besitzen. Damit stellt Sport ein vielfältig zusammengesetztes Produkt dar, das aus vielen Elementen besteht und meist in Form einer Produktpalette oder Leistungsbündel erscheint.
Vom Nutzer kann dabei jedes seiner Produkt-Bestandteile in den einzelnen Elementen wahrgenommen, aber auch in der Summe als „Sport“ insgesamt erlebt werden. Heinemanns (1998, S. 34f.) soziologische Definition des Sports, die am Anfang dieser Arbeit dargelegt wird, deutet bereits auf diese „Vielfältigkeit“ bzw. Komplexität des Sports hin.
Da die Mehrheit der in der Sportbranche angebotenen Leistungen Dienstleistungen sind oder Dienstleistungscharakter besitzen, soll hier eine kurze Interpretation erfolgen.
Dienstleistungen sind immateriell, somit nicht lager- und transportfähig und häufig nicht „sichtbar“. Nach Meffert/Bruhn (1997, S. 27) sind Dienstleistungen selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozeßorientierung). Die Faktorenkombination des Anbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erwirken (Ergebnisorientierung).
Es werden folglich die Potential-, die Prozess- sowie die Ergebnisphase einer Dienstleistung integriert. Bei dieser prozeßorientierten Betrachtung stellt die Dienstleistung ein zeitraumbezogenes Produkt dar, d. h. es wird die Teilnahme an einem Vorgang angeboten und nachgefragt. Corsten (2001, S. 22) betont: „Dienstleistungen werden um des Vorganghaften, also um des Prozesscharakters willen begehrt.“ Es sind persönliche und automatisierte Dienstleistungen zu differenzieren. Beim Prozeß der persönlichen Dienstleistungen dominiert die menschliche Leistung.[47]
Diese Interpretation lässt sich vollständig auf die Sportdienstleistungen übertragen, wie Freyer (2003, S. 73ff.) ausführlich erklärt. Im Sport zeigen sich etwa in der Potentialphase...