Grundlagen
Funktionsweise des Gewichthebens
Ganz entscheidend für die Entwicklung von Technik und Coaching beim olympischen Gewichtheben ist die kontinuierliche Vertiefung des Verständnisses für die Prinzipien und mechanischen Abläufe. Die Grundprinzipien des Reißens (Snatch), Umsetzens (Clean) und Ausstoßens (Jerk) sind universell, obschon sie unterschiedlich zum Ausdruck kommen. Alle drei Hebevarianten basieren auf der Anwendung von Kraft gegen den Untergrund, um die Langhantel anzuheben und nach oben zu beschleunigen, gefolgt von weiterer Kraftanwendung gegen die Trägheit der angehobenen Langhantel, um den Sportler nach unten zu beschleunigen in eine Position zum Abbremsen der Hantel. Obwohl der Ablauf in Einzelschritten beschrieben wird, erfolgt die optimale Hebung ausgesprochen fließend.
Phasen einer Hebung
Reißen (Snatch) wie auch Stoßen (Umsetzen und Ausstoßen/Clean and Jerk) wird in zwei grundlegende Phasen unterteilt: In der ersten hebt der Sportler die Langhantel mit dem Unterkörper an, in der zweiten wird der Oberkörper, gefolgt vom restlichen Körper unter die angehobene Hantel bewegt (Abb. 1.1).
Wenn man Reißen und Umsetzen einzeln betrachtet, bietet sich zur Erleichterung der Analyse jeweils die Unterteilung in drei Phasen an: 1. Zug, 2. Zug und Umgruppieren. Zusätzlich zu diesen Phasen spricht man von Vorbereitender Stellung, Ausgangsposition, Abbremsen und Endposition. Die 3-Phasen-Methode ist sowohl einfach als auch logisch und eignet sich folglich für die effiziente Kommunikation zwischen Sportler und Trainer.
Vorbereitende Stellung: Diese Position nimmt der Gewichtheber ein, sobald er an die Langhantel getreten ist und bevor er aktiv die Ausgangsposition einnimmt. Es handelt sich um eine entspannte oder halbentspannte Position, die der Gewichtheber mindestens ein paar Augenblicke beibehält, während er sich konzentriert und sein individuelles mentales Ritual vor dem Heben absolviert. Oft umfasst der Sportler dabei die Stange leicht, beugt sich über sie oder verharrt hinter ihr in der Hocke.
Ausgangsposition: Daraus beginnt der Sportler das eigentliche Heben; d. h., dies ist die letzte Position des Gewichthebers, bevor die Langhantel vom Boden angehoben wird. Abhängig vom Stil des Sportlers kann dies eine statische Position sein, die deutlich wahrnehmbar und erkennbar ist, oder der Bewegungsablauf eines dynamischen Starts.
1. Zug: Die Hantel wird vom Boden bis zu dem Punkt angehoben, bei dem das endgültige explosive Beschleunigen einsetzt – wenn die Langhantel ungefähr die Mitte der Oberschenkel erreicht.
2. Zug: Dieser entspricht dem endgültigen explosiven Beschleunigen und bringt den Gewichtheber in die vollständige Streckung. Dieser Ablauf beinhaltet einen Knievorschub: Er beginnt, wenn sich die Langhantel ungefähr auf der Mitte der Oberschenkel befindet, und er endet, wenn der Gewichtheber die maximale Streckung von Knien und Hüfte abgeschlossen hat.
Abb. 1.1 Reißen (Snatch) und Stoßen (Clean and Jerk) wird in zwei Phasen unterteilt: Diese sind durch die Richtungsänderung der wirkenden Kraft, durch die Bewegungsrichtung von Langhantel und Körper und durch die hauptsächlich für die Entstehung der Kraft und Bewegung verantwortlichen Körperteile gekennzeichnet.
Umgruppieren: Der Übergang von der gestreckten Position in das Abbremsen unter der Langhantel, d. h., der Sportler senkt den Körper unter die Langhantel.
Abbremsen: Die Langhantel hat ihre endgültige Position im Verhältnis zum Körper erreicht – über dem Kopf beim Reißen, vor den Schultern beim Stoßen.
Endposition: Der Sportler bewegt sich aus der Abbremsstellung in den endgültigen Stand, um das Gewicht zur Hochstrecke zu bringen. Beim Reißen bedeutet dies das Aufstehen aus der unteren Position der Reißkniebeuge, beim Stoßen aus der unteren Position der Frontkniebeuge.
In der russischen Literatur werden die Hebungen in drei Abschnitte und sechs Phasen unterteilt. Anhand dieser Unterteilung kann man Hebungen analysieren und spezifische Elemente unterrichten (Medvedyev 1986/1989). Trainer sollten mit diesen Phasen vertraut sein. In diesem Buch kommt allerdings bei der Analyse von Reißen und Stoßen ausschließlich die 3-Phasen-Methode zum Einsatz.
Abschnitt 1 (Zug)
Phase 1: Hier handelt es sich um die erste Kraftanwendung des Sportlers auf die Langhantel. Diese Phase beginnt mit dieser Kraftanwendung und endet, wenn die Langhantel den Boden verlässt, sie kann mit der Ausgangsposition verglichen werden.
Phase 2: Diese Phase beginnt mit dem Abheben der Langhantel vom Boden und endet, wenn der Heber den Knievorschub eingenommen hat. Diese Phase entspricht dem 1. Zug.
Abschnitt 2 (Explosive Knie- und Hüftstreckung)
Phase 3: Sie entspricht im Wesentlichen dem Knievorschub – es handelt sich um die Vorwärtsbewegung der teilgebeugten Knie, wenn der Rumpf sich in die Vertikale aufrichtet. Diese Phase ist der erste Teil des 2. Zuges.
Phase 4: In dieser Phase erfolgt die abschließende Streckung des Körpers nach oben und die Beschleunigung der Langhantel – sie beginnt am Punkt der größten Flexion der Knie beim Knievorschub und endet mit der kompletten Streckung des Körpers. Diese Phase entspricht dem zweiten Teil des 2. Zuges.
Abschnitt 3 (Umgruppieren/Squat Under)
Phase 5: In dieser Phase beginnt der Sportler damit, seinen Körper unter die Langhantel zu senken. Sie beginnt mit der kompletten Streckung des Gewichthebers in Phase 4 und endet, wenn die Langhantel ihre maximale Höhe erreicht (die Langhantel bewegt sich weiterhin nach oben wegen des in der explosiven Beschleunigung entstandenen Trägheitsmoments und weil der Heber eine nach unten gerichtete Kraft zum Abbremsen auf sie ausübt).
Phase 6: Diese letzte Phase beginnt, wenn die Langhantel ihre maximale Höhe erreicht hat, und endet, wenn der Heber sie in der tiefen Hockposition abgebremst hat.
Das Ausstoßen kann zur verständlicheren Darstellung gleichermaßen in Einzelschritte untergliedert werden. Diese Abschnitte decken sich zwar nicht vollständig mit denen beim Reißen und Umsetzen, sind jedoch ähnlich genug, um ein Muster zu erkennen.
Vorbereitende Stellung: Aus ihr beginnt der Heber das Ausstoßen. Sie kann identisch mit der Stellung beim Ausstoßen sein, muss es aber nicht.
Ausgangsposition: Aus dieser Stellung beginnt der Gewichtheber das eigentliche Heben; d. h., der Heber nimmt sie ein, bevor er den Auftakt zum Ausstoßen gibt (Dip).
Auftakt zum Ausstoßen: Beim Auftakt zum Ausstoßen (Dip) werden die Knie gebeugt, um eine elastische Spannung in den Muskeln und in der Langhantel aufzubauen, gleichzeitig wird der Körper in Position gebracht, um mit den Beinen die Langhantel nach oben zu bewegen.
Anstoß (Drive): Die Beine werden kraftvoll in den Untergrund geschoben, um die Langhantel maximal zu beschleunigen und anzuheben.
Treib- und Fallphase (Push Under): Diese Phase entspricht ungefähr dem Umgruppieren beim Reißen und Umsetzen; der Heber bremst die Hantel mit den Armen kontrolliert ab, um so viel von der aufwärts gerichteten Schwungbewegung wie möglich zu erhalten und gleichzeitig den Körper unter die Stange zu senken.
Fixieren: In dieser Stellung wird die Langhantel zur Hochstrecke gebracht. Normalerweise ist dies ein Ausfallschritt, es kann jedoch auch eine Teilkniebeuge oder parallele Kniebeuge sein.
Fixieren und Aufstehen: Hier erfolgt die abschließende Bewegung des Hebers aus dem Fixieren in den Stand. Beim Ausstoßen ist dies das Aufstehen aus dem Ausfallschritt, der Teilkniebeuge oder der parallelen Kniebeuge in eine aufgerichtete Körperhaltung, wobei die Langhantel in der Hochstrecke fixiert wird.
In der russischen Fachliteratur wird auch das Ausstoßen in drei Abschnitte und fünf Phasen unterteilt. Alternativ kann man diese Unterteilung ebenfalls zur Analyse des Hebens und zur Vermittlung spezifischer Elemente verwenden (Medvedyev 1986/1989). Auch wenn manche Trainer diese Unterteilung in der Praxis nicht einsetzen, ist es sinnvoll, sie zu kennen.
Abschnitt 1 (Auftakt zum Ausstoßen)
Phase 1: Diese Phase entspricht dem Auftakt zum Ausstoßen: Die Knie werden aus der ursprünglichen Standposition in die untere Stellung der Auftaktbewegung gebracht.
Abschnitt 2 (Anstoßen/Thrust)
Phase 2: Der Auftakt zum Ausstoßen wird abgeschlossen, um die Abwärtsbewegung von Heber und Langhantel zu beenden.
Phase 3: Die Beine werden aus der Auftaktbewegung gegen den Untergrund geschoben, um die Langhantel zu beschleunigen und anzuheben.
Abschnitt 3 (Treib- und Fallphase/Squat Under)
Phase 4: Hier werden die Beine in die Stellung für das Fixieren bewegt – normalerweise den Ausfallschritt – und der Körper in die korrekte Position unter der Stange gebracht.
Phase 5: Die Schlussphase ist das Sichern der Hantel in der Hochstrecke und das Herstellen eines sicheren Standes.
Die Bewegungsgesetze im Gewichtheben
Die Prinzipien, von denen der Erfolg der Bewegungen eines Gewichthebers abhängt, sind in den Bewegungsgesetzen Newtons beschrieben:
Trägheitsgesetz: Ein Körper in Bewegung bleibt in Bewegung, solange keine andere Kraft auf ihn einwirkt, um ihn zu stoppen oder seine Bewegungsrichtung zu ändern. Anders ausgedrückt: Ein Gegenstand wird seine Bewegung oder...