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Online-Offline: Zum Verhältnis zweier Wirklichkeitsbereiche

AutorJana Hochberg
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl157 Seiten
ISBN9783638492270
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 1,3, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Erziehungswissenschaft), 73 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Müssenwir nun nicht gestehen, wenn jemand, der etwas sieht, bemerkt, dieses, was ich hier sehe, will zwar sein wie etwas gewisses anderes, es bleibt aber zurück und vermag nicht zu sein wie jenes, sondern ist schlechter, - daß der, welcher dies bemerkt, notwendig jenes vorher kennen muß, von dem er sagt, daß das andere ihm zwar gleiche, aber doch dahinter zurückbleibe?' Platon weist unter anderem in diesem Zitat aus dem Phaidon darauf hin, dass das erkennende Subjekt, bei ihm ist es der Mensch, die Ideenwelt von der sichtbaren Welt unterscheiden muss. Auch andere seiner Schriften arbeiten diese klare Differenz immer wieder deutlich heraus. Besonders anschaulich stellt Platon in seinem 'Höhlengleichnis' den Unterschied zwischen der Sinnenwelt und der Ideenwelt dar. Beide Welten werden von Platon als gegensätzlich verstanden. Für die Ideenwelt liegt in der Philosophie Platons der ontologische Wahrheitsbegriff zugrunde. Die ontologische Wahrheit ist die erkenntnistheoretische Basis in Platons Forschungen. Deutlicher wird Platons Verständnis von der Idee, als dem Wahren entsprechend, wenn als Gegensatz die Sinnenwelt zum Verständnis hinzugezogen wird. Bei der sinnlichen Wahrnehmung, die die Sinnenwelt erschließt, handelt es sich um eine subjektive Wahrnehmung durch eben die Sinne. Diese ist unzuverlässig, da sie sich ständig ändert. So kann beispielsweise die sinnliche Betrachtung eines Objektes zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus verschiedenen Perspektiven zu verschiedenen Ergebnissen führen. Platons Idee, seine ontologische Wahrheit, ist hingegen unveränderlich und mit sich selbst jederzeit identisch. Daher ist diese Wahrheit zeitlos. Aus diesem Grunde fordert Platon den Philosophen auf, dem Leib und seinen Sinnen zu entsagen, da er sonst die reine Wahrheit niemals erblicken könne. Die Sinne dienen als Material der Erkenntnis. Wie kann aus den einzelnen Sinneswahrnehmungen nach Platon die Wahrheit geschaut werden? Platon vergleicht die Inhalte der verschiedenen Sinneswahrnehmungen miteinander und hebt ihre wesentlichen Merkmale, also Merkmale, die allen bisherigen Sinneswahrnehmungen gemeinsam waren, heraus.

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Leseprobe

2.2 Wie verändert sich die Vorstellung von der Welt, in der man lebt, durch den Übergang von der Oralität zur Literarität ?


„Medien erweitern die Möglichkeiten der Kommunikation. Sie sind Hilsmittel, mit denen wir räumliche und zeitliche Entfernungen überbrücken können. Die technische Reproduzierbarkeit von Bild und Ton prägt die Nachricht und verändert die Wahrnehmung von Raum und Zeit. Wie wir denken, reden und handeln wird von den Medien bestimmt.“ 31 Dieser als Grußwort gestaltete Text, führt im Kommunikationsmuseum Berlin den Besucher in die geschichtliche Entwicklung der Medien ein. Auch dieser Arbeit soll das Zitat als Einführung in den mediengeschichtlichen Abriß dienen. Mit knapp formulierten Beschreibungen, schildere ich in diesem Kapitel, wie sich Wirklichkeitsvorstellungen mit der Entwicklung der Medien verändert haben. In diesem Teilabschnitt liegt mein Schwerpunkt in der Darstellung der Wirklichkeit, während des Übergangs von der Sprache zur Schrift.

Der grundlegende, primäre und natürliche kommunikative Austausch von Wirklichkeitsform ist die Sprache. Sie hat die Kultur des Menschen ermöglicht. Von jedem zusätzlichen Kommunikationsmedium, wird die Kultur neu interpretiert und damit auch immer wieder neu geschaffen. In der mündlichen Kultur wird die Fähigkeit geschätzt, etwas im Gedächtnis zu behalten. Da noch nichts schriftlich festgehalten werden kann, muss das Erinnerungsvermögen gut ausgeprägt sein. 32 Der Inhalt des Gesagten ist nicht speicherbar und kann nur im kleinsten Raum von einer Person zur nächsten direkt weitergegeben werden. Durch die, der Sprache innewohnenden Wesensmerkmale, wird die Weitergabe und Organisation menschlichen Wissens an die Möglichkeiten der Sprache angepaßt. In der mündlichen Kommunikation liegen sprechen und hören nur einen Augenblick auseinander. Seit dem frühen Mittelalter war die Mehrheit der Bevölkerung in Mitteleuropa sesshaft. Sie lebte von der Landwirtschaft und war immobil. Unterwegs waren nur Soldaten, Pilger, Boten

Seite 18 von 158 und Gesandte, Auswanderer, Kaufleute, Handwerksgesellen und heimatlose Vagabunden, die ihre Welt erkundeten. Ihre Entdeckungen konnten sie nur mittels der Sprache, durch Erzählungen weitergeben. Das Erzählte wurde mit jeder Erzählung verändert. Diese wurden zusammengetragen und in einer Karte festgehalten. Die Weltkarte des Mittelalters ist nicht Abbild der Welt, sondern das Bild, das sich der Mensch des Mittelalters von der Welt und ihren Mächten machte. Das jeweilige Medium zeigt nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Weltbild der jeweiligen Zeit. So ist das Wirklichkeitsverständnis der Menschen im Mittelalter auf dem europäischen Kontinent beispielsweise in der Ebstorfer Weltkarte abgebildet. Diese Weltkarte ist in allen Details nach dem Leben Christi ausgerichtet. A Das Bild der Welt erscheint als ein Leib des gekreuzigten Christus, dessen Haupt ganz oben im fernen Osten dargestellt ist. Seine Hände liegen im nördlichen und südlichen Rand, die Füße im äußersten Westen. Das Zentrum des christlichen mittelalterlichen Weltbildes ist Jerusalem, die heilige Stadt. Das Paradies wird in die Weltkarte aufgenommen, als ein Ort im fernen Osten und durch ein Gebirge abgeschirmt von der Außenwelt. Von Mitteleuropäern noch weitgehend unerforscht gilt Afrika als Wohnort unbekannter und bedrohlicher Kreaturen. Die Hände und die Füße der Christusfigur grenzen den Rand der bekannten Welt ein. Angefertigt wurde die „Ebstorfer Weltkarte“ im 13. Jahrhundert nach einer Idee des Engländers Gersavius von Tilbury, nachmaliger Klosterprobst zu Ebstorf (1224-1235). Die Ebstorfer Karte stellt mit 12,75 qm die größte und reichst illustrierte Weltkarte des Mittelalters dar. Dem norddeutschen Raum wird überproportional Aufmerksamkeit geschenkt. Die Erfindung des Alphabets veränderte das vom Sprach-Hören-Verstand geschaffene Bewusstsein. Mit der Schrift wird das Gesprochene vom Sprecher getrennt. Der Verstand passt sich an die Bedingungen des Alphabets an. Damit einhergehend wurde eine „qualitative Transformation der menschlichen Kommunikation“ 33 ausgelöst. Geschriebenen Worten wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als Gesprochenen. So schreibt Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“: „daß sie [Logik] seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlichen Subtilitäten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen, als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehört. Merkwürdig ist noch an ihr, daß sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint.“ 34 Aus der Logik hat sich die Sprache der Wissenschaft entwickelt. Sie unterliegt dem Model von Algorithmen und Kalkülen und wird mit der Wahrheit verbunden, da sie normativ, also als zwingend erfahren wird. Diese Regeln müssen gelernt werden. Aristoteles hat somit die Grundlage für den Ausdruck von wissenschaftlichen Wissen gelegt. Merkmale dieses Wissens lassen sich unterteilen in sprachliches, explizites und propositionelles Wissen. Diesen Merkmalen haben wir einen großen Stellenwert eingeräumt und wir unterstellen ihnen, dass sie den klassischen Zugang

Seite 19 von 158 zur Wahrheit besitzen. Das wissenschaftliche Wissen muss sprachlich formuliert sein, kann sich also nicht durch Bilder ausdrücken, muss gleichzeitig explizit sein, also muss klar und deutlich von anderem Wissen abgegrenzt werden können und zusätzlich muss es propositionell sein, d.h. Wissen muß eine bestimmte grammatische Form aufweisen. Erst ein Wissen mit allen drei Merkmalen wird als der Wahrheit nahe kommend bezeichnet. Alles andere Wissen muss erst in diese Form übersetzt werden, um zu Anerkennung in der Wissenschaft zu gelangen. 35 Der Text erfordert Gehorsam und gibt das Bild der Welt vor. Die Papierherstellung und neue Vervielfältigungstechniken beschleunigen die Verbreitung von Wissen. Mit der Erfindung der beweglichen in Metall gegossenen Lettern durch Johannes Gutenberg 1445, wurde die Drucktechnik entscheidend verbessert. So benötigte ein Schreiber im mittelalterlichen Skriptorium etwa drei Jahre, um eine Bibel vollständig abzuschreiben. Für die gleiche Zeitlänge konnte Gutenberg dank seiner Erfindung 180 identische Exemplare herstellen. 36 Nach der Erfindung des Alphabets 1000 v.Chr. und dem damit verbundenen Übergang von der Sprache zur Schrift war die Erfindung des Drucks eine weitere Erfindung in der Geschichte der Kommunikation, die das Weltbild der Menschen auf grundlegende Weise veränderte. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurden Landkarten und andere Abbildungen in Kupfer gestochen und gedruckt. Mit der Reformation des Glaubens ging die Reformation des Bildungswesens einher. Durch Martin Luthers Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche, entwickelte sich eine neue Bewegung im Volk. Das Volk versuchte nun auch in religiösen Fragen mitzusprechen. 37 Lesen zu können galt als Vorteil. Die Welt zu sichten, zu ordnen, sie mit rechnendem Verstand exakt zu bestimmen und nach menschlichen Vorgaben neu einzurichten, galt im Zeitalter der Vernunft nicht mehr als Ketzerei. Individuelles Streben nach Wissen, genaue Kenntnis vom Land und Leuten, von Besitz und Grenzen, von Handelswegen und Entfernungen wurden vielmehr gefordert und gefördert. Der Raum wurde seiner religiösen und mythischen Interpretation entledigt und zu einem ebenso abstrakten wie verplanbaren Wirtschaftsgut.

Ein wesentliches Merkmal des Buchdrucks besteht im Transport der Sprache. In einem Buch wird die Sprache in der Schrift visualisiert. Natürlich transportiert das Buch auch vereinzelt Zeichnungen, später Bilder und Fotografien, diese dienen jedoch nur zur Veranschaulichung oder der bildlichen Darstellung des Geschriebenen und sie beinhalten nicht den klassischen Zugang zur Wahrheit. Das Buch ist nicht in der Lage, Klänge, Gerüche, Gesten, Bewegungen und Berührungen dem Leser durch die Schrift erfahrbar zu machen. Im Laufe der Zeit sind die typographischen Gewohnheiten der visualisierten Sprache derart prägend für unser Bild von Sprache und Kommunikation geworden, dass Wissenschaftler sie zu Grundlagen und Axiomen einer allgemeinen Kommunikationstheorie stilisierten. 38

Seite 20 von 158 Die Schrift verändert die Wahrnehmung. Das geschriebene Wort macht Erfahrung speicherbar, ist aber vielmehr als eine Gedächtnishilfe. Die Schrift erschafft die Vergangenheit in der Gegenwart. Die Erinnerung an die Vergangenheit besteht jedoch in einer heraufbeschworenen Halluzination. Das geschriebene Wort ist somit vielmehr als eine einfache Wiedererinnerung an die Vergangenheit, es erschafft eine ganz und gar andere Vergangenheit. In der Ideologie der Schrift wird der Inhalt der Kultur umgestaltet. 39 Ein Buch ist durchdacht, verbindlich und überarbeitet. Sein Inhalt ist überprüfbar und lässt sich somit leicht verifizieren oder widerlegen. Durch diese Eigenschaften, die der Schrift eines Buches innewohnen, ist ein Buch unpersönlich und hat einen objektiven Charakter. Vom Leser wird verlangt, für längere Zeit mehr oder weniger regungslos zu verharren. Dazu bedarf es...

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