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Grundlagen
Natura in minimis maxim*)
(aus der Zeit des Pythagoras)
2.1 Die Natur des Lichts
Optische Phänomene lassen sich grundsätzlich unter drei Aspekten sehen. Die Geometrische Optik ist die anschauliche Betrachtungsweise, die Licht als „Strahlen“ interpretiert. Sie beschreibt die Gesetze, nach denen sich Lichtstrahlen ausbreiten und optische Bilder entstehen. Sie macht jedoch keinerlei Aussage über die Wechselwirkung von Licht und Materie und kann als Grenzfall der Wellenoptik für unendlich kleine Wellenlängen angesehen werden. In der Wellenoptik faßt man Licht als periodische Oszillationen elektrischer und magnetischer Felder in Zeit und Raum auf (Abb. 2.1). Aufbauend auf den Feldvorstellungen Faradays (1831) formulierte der englische Physiker James Clark Maxwell 1864 erstmals in vereinfachter Form die zugrundeliegenden Gleichungen der Elektrodynamik, die „Aufschluß über die Struktur des elektromagnetischen (Licht-) Feldes geben“ (Albert Einstein). In vieler Hinsicht sind Lichtwellen vergleichbar mit mechanischen Wellen von Flüssigkeiten, auch wenn diese Analogie ihre Grenzen hat. Doch nur in diesem Bild lassen sich Phänomene wie Brechung, Beugung, Interferenz oder Polarisation „verstehen“. Im dritten Aspekt schließlich, der Quantenoptik, beschreibt man Licht als Strom masseloser Teilchen, den sogenannten Photonen. Die quantenoptische Interpretation allein kann die Lichtabsorption und –emission als Grundlage der Optischen Spektroskopie erfassen.
Abb. 2.1. Nach der Maxwellschen Theorie wird Licht als elektromagnetische Transversalwelle beschrieben, wobei magnetische (H) und elektrische Komponenten (E) in Phase schwingen. Ihr (mathematisches) Kreuzprodukt S = E · H ist der sogenannte Poynting Vektor und zeigt in Richtung des Energieflusses.
James Clerk Maxwell (1831-1879)
Auch wenn diese drei genannten Aspekte widersprüchlich zu sein scheinen, so schließen sie sich nicht wechselseitig aus, sondern charakterisieren geradezu die unserem Anschauungsvermögen wenig faßbare „eigentliche“ Natur des Lichts, eine komplementäre Betrachtungsweise, die unter dem Begriff Dualismus bekannt ist. Je nach Erfordernis werden wir auf das eine oder andere dieser Bilder zurückgreifen und fassen diese lediglich als wertvolle Hilfsmittel auf: Licht als Welle, als Strahl oder als Partikelstrom…
2.2 Elektromagnetische Strahlung
Unter Spektroskopie verstehen wir allgemein die Auftrennung elektromagnetischer Strahlung entsprechend ihrer Energie. Nach Einstein ist die Energie E elektromagnetischer Strahlung proportional zur Schwingungsfrequenz v, also E ~ v. Mit einem Proportionalitätsfaktor h = 6,626 · 10−34 Js, dem sogenannten Planckschen Wirkungsquantum, ergibt sich die Gleichung
(2.1)
Da aber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Strahlung im leeren Raum eine Konstante c = 2 997 925 ± 3 m s−1 ist (vgl. Anhang A), läßt sich dieser eine Wellenlänge λ zuordnen, womit
Albert Einstein (1879-1955)
(2.2)
Die Energie elektromagnetischer Strahlung läßt sich demnach als reziproke Länge der sogenannten Wellenzahl k ausdrücken, also
(2.3)
Dabei ist die Energie eines Lichtquants
(2.4)
Lediglich weil der Vortrieb eines Gitter-Monochromators im wesentlichen proportional zur Wellenlänge ist (vgl.Abschn. 4.2.3), ist es in der Optischen Molekülspektroskopie aus historischen Gründen üblich, Spektren in der Wellenlängendarstellung an zugeben, obwohl diese Darstellung weniger sinnvoll ist als die Wellenzahl-, sprich Energiedarstellung. Da sich in Zukunft an dieser Konvention mit Sicherheit nichts ändern wird, wollen auch wir im folgenden daran festhalten; bei Bedarf lassen sich mittels Gig.(2.3) die spektralen Darstellungen ineinander konvertieren, was mit einem online Mikrocomputer besonders einfach ist.
Man versteht unter elektromagnetischer Strahlung den gesamten Spektralbereich, angefangen beim technischen Wechselstrom von 50 Hertz bis hin zur harten sekundären Höhenstrahlung von 1020 Hertz, wie in Abb. 2.2 gezeigt ist. Aus rein technischen Gründen sind für die einzelnen Spektralbereiche jeweils andere Spektrophotometertypen erforderlich; selbst das „sichtbare“ Spektrum, das man von etwa 200 bis 2000 nm definiert, welches also auch den UV-Bereich zwischen 200 und 400 nm und den nahen Infrarotbereich oberhalb 800 nm mit einschließt, läßt sich nicht kontinuierlich vermessen, sondern es muß gleichsam aus Teilspektren zusammengesetzt werden. Doch bei modernen Spektrophotometern wird der Anwender weitgehend durch Automatisierung dieser Aufgabe enthoben und „fährt“ ein Spektrum über den gesamten Spektralbereich in einem Zug durch.
Abb. 2.2. Das elektromagnetische Spektrum umfaßt mehr als 24 Dekaden. Der für die Optische Spektroskopie einschließlich infraroter und ultravioletter Strahlung relevante Spektralbereich ist vergrößert mit den dazugehörigen Farbempfindungen des menschlichen Auges eingezeichnet. Im unteren Teil sind zur Übersicht geläufige Energieeinheiten eingetragen.
Die Quantisierung des Lichts hat nicht den absoluten Charakter wie die der Materie, da die Frequenz – sprich Energie – beliebig gewählt werden kann. Im allgemeinen ist Licht sehr inhomogen bezüglich seiner Wellenlänge. Es „besteht“ aus Quanten unterschiedlicher Energie, wobei die Energieverteilung meist ein Maximum mit einer gewissen Halbwertsbreite aufweist, die beide vom jeweiligen Prozess der Lichterzeugung abhängen, z. B. davon, ob das Licht durch eine Glühlampe, eine Gasentladungslampe, einen Laser oder einen Halbleiterstrahler wie einer LED (light emitting diode), oder einer Laserdiode erzeugt wird. Einen Strom von Lichtquanten mit einer sehr schmalen Energieverteilungskurve, oder – im Idealfall – nur einer einzigen Energie, nennen wir monochromatisch.
Im klassischen Bild erfolgt die Ausstrahlung von Licht durch ein schwingendes, elastisch gebundenes Elektron, dessen Energie durch Abstrahlung exponentiell abnimmt (Strahlungsdämpfung).
Der angeregte Zustand von N Atomen im Zustand j hat eine intrinsische Lebensdauer bzgl. Strahlungszerfall, der definiert ist durch
wobei Aji die sogenannten Einsteinkoeffizienten für die spontanen Strahlungsübergänge vom Ausgangszustand j in den Grundzustand i sind. Integration dieser Gleichung liefert:
mit der Strahlungslebensdauer τ j
Unter der Leucht- oder Lebensdauer freier angeregter Atome und Moleküle, die nicht miteinander in Wechselwirkung stehen, versteht man also die Zeit, nach der die Strahlungsintensität auf den e-ten Teil des Anfangswertes abgefallen ist. Typische Werte liegen in der Größenordnung von 10−7 bis 10−9s. Stark hiervon abweichende Werte werden wir im Kap. 5 (Lumineszenzspektroskopie) kennenlernen. Unter Berücksichtigung der Lichtgeschwindigkeit c errechnet sich damit eine endliche Länge des Wellenzuges (Wellengruppe) von ca. 3 Metern, die man auch Kohärenzlänge nennt. Einer Wellengruppe entspricht stets ein endlicher Frequenzbereich, sie hat eine endliche Linienbreite. Entsprechend der Heisenbergschen Unschärferelation sind Linienbreite und Leuchtdauer miteinander korreliert: je kürzer die Lebensdauer, desto größer die Linienbreite, und umgekehrt. Mit der Abkürzung h = h/2π = 1,0546 · 10−34 Js gilt:
(2.5)
Zum Beispiel ergibt eine Leuchtdauer von 10−8 s eine natürliche Linienbreite von 1,18 · 10−5 nm.
Aufgrund dieser außerordentlichen „Schärfe“ wurde 1960 der Urmeter-Stab aus einer Platin-Iridium Legierung als internationale Längendefinition fallengelassen und stattdessen der elektronische 2p10 → 5d5 Übergang des Kryptonatoms gewählt (Atomterme: siehe Abschn. 2.3.2.2). Die Wellenlänge dieser orangenen Spektrallinie beträgt λ = 605,780211 nm im Vakuum und 605, 612 525 nm in Luft.
Kohärenzlänge, Leuchtdauer und Linienbreite bedingen sich also wechselseitig. Kohärenz ist ein makroskopischer Begriff und einfach dadurch definiert, daß Interferenzerscheinungen auftreten können, etwa Newtonsche Ringe, wie wir sie von geglasten Diapositiven her kennen. Mikroskopisch heißt das, die einzelnen Wellenzüge des Lichts stehen in einer festen Phasenbeziehung. Der Laser als wichtiges Werkzeug der Spektralanalyse erfüllt die Forderungen nach Kohärenz in nahezu idealer Weise (Abschn. 3.4.4).
Starke Atomabsorptionsübergänge haben Aji Werte von 108 bis 109 s−1, womit die Lebensdauern 1 bis 10 ns betragen. Die Lebensdauern können durch Kollision oder auch induzierte Emission beträchtlich verkürzt werden. Die natürliche (intrinsische) Linienbreite (d. h. unter Ausschluß externer Einflüsse) eines energetischen...