Ergründen anstatt lösen
Im Internetauftritt der „Welt online“ lesen wir:
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Arbeitnehmer besser vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz schützen und dabei die Betriebe in die Pflicht nehmen. „Das ist für mich eines der großen Ziele im Arbeitsschutz“, sagte von der Leyen „Welt Kompakt“. „Wir sind in den letzten Jahrzehnten weit vorangekommen, um schwere körperliche Schäden durch Arbeit, etwa durch Fließbandarbeit, deutlich zu reduzieren. Das können wir bei den psychischen Belastungen auch schaffen.“
„Der Mensch ist sich selbst sein größter Feind.“ Die übliche und allgemeine Sichtweise des Menschen in diesem Zeitungsbericht zeigt auf, dass man glaubt, im Außen etwas unternehmen zu können bzw. müssen, um den Menschen zu „schützen“ und zu „helfen“. Der Ansatz ist löblich, denn es ist gut gemeint. Doch es ist eine Fehlsicht und auf diese Art und Weise kann dieses Problem nicht zur Lösung geführt werden.
AWas ist ein Problem? Falls es wirklich existiert, müsste jeder eins haben, es sei denn, es entspringt der individuellen Sicht, die bei jedem anders ist. Einer ist krank und der andere nicht. Damit bestätigt sich die Individualität der persönlichen Problematik.
B Was will man lösen? Der Mensch glaubt, der Handelnde zu sein und einen direkten Einfluss auf sein Leben nehmen zu können. Er hat den persönlichen Willen, etwas zu tun und er trifft Entscheidungen. Sie kommen in sein Gemüt oder in seinen Kopf mit dem freien Willen als Antrieb, der uns etwas tun lässt, anstatt etwas Selbständiges zu sein. Der Mensch kann das Hirn, den Herzschlag, die Handlung sowie alles andere, das ihn ausmacht, nicht gezielt steuern. Er hat keinen Einfluss darauf, dass er atmet. Der Atem kommt und geht, ohne dass er sich täglich vornimmt zu atmen. Der Antrieb, um sich schlafen zu legen, kommt täglich von selbst, ohne dass er es möchte. Der Mensch hat keine freie Entscheidung darüber, ob er schlafen will. Genauso betrachten wir das Auftreten von Burn-out als etwa aus sich selbst heraus Funktionierendes. Der Betroffene hält die Verhaltensmuster unbewusst am laufen. Wir sollten niemand mit diesem Syndrom verurteilen, denn er hat sich das nicht per Entscheidung ausgesucht. Es wäre besser dankbar zu ein, dass man es nicht hat, anstatt den anderen zu belächeln oder zu verurteilen.
C Das Außen spiegelt das Innen und somit ist im Innern etwas zu tun. Wenn Ihr Spiegelbild ein Gesicht mit einem Muttermal zeigt, reinigen Sie dann den Spiegel? Wenn Sie in einem See die Spiegelung eines Berges sehen und eine Welle das Bild unscharf erscheinen lässt, können Sie im See das Bild des Berges auch nicht verändern. Wenn der Berg gerodet wird, erscheint sein Spiegelbild automatisch anders. Wie also soll man äußere Umstände ändern, wenn die Einsicht fehlt? Der See sowie das Leben kann nur eine Vorgabe reflektieren! Bei einer politischen Fehlentscheidung wird keine Besserung erzielt, wenn der Staat versucht Schadensbegrenzung auszuüben. Es überdeckt und vertuscht lediglich den ursprünglichen Auslöser, dessen Wirkung fälschlicherweise als Problem bezeichnet wird.
D Diesbezügliches „Helfen wollen“ entsteht aus der Unwissenheit heraus. Hilfe ist eigentlich Manipulation, den andern „anders“ haben zu wollen. Wer sagt, dass das Burn-out in genau diesem Moment nicht die wertvollste Erfahrung ist und die wahre Hilfe. Natürlich ist Hilfe gut, aber nicht die, die wir kennen. Wahre Hilfe ist nicht sichtbar, sondern bereits in uns versteckt. Menschen, die uns zur Seite stehen, helfen uns, nicht völlig zusammen zu brechen und geben Kraft. Wer aber die Sache durchschaut und beim Schopf packen will, damit sie „ausheilen“ kann, der muss bereit sein, tiefer zu sehen und es im ersten Schritt anzunehmen. Wer hinter diese Disharmonie sieht, erkennt, dass wenn man die erste Silbe der Disharmonie weglässt, Harmonie übrig bleibt. Dies in die Praxis umgesetzt bedeutet, keinen Schuldigen und keine Lösung zu suchen, sondern sich diesem Ungleichgewicht zu stellen.
E Die Fehlsicht eines getrennten Daseins. Wenn ich anderen helfen will, sollte mir bewusst sein, dass sie mein Spiegelbild sind und ich es erzeugt habe. Solange ich mich noch nicht selbst erkannt habe und noch nicht den Hintergrund meiner Persönlichkeit ergründet habe, kann ich eigentlich niemand wirklich helfen. Körper „Freddy“ begegnet Körper „Paul“ und beide erkennen ihre fleischgewordenen Körper als einzige Realität an. Tiere und Pflanzen, Menschen und Steine mögen unterschiedliche Erscheinungsformen aufweisen, doch diese sind nur Abbilder der einen Wirklichkeit.
Die ewige, universelle Kraft, ist das, was hinter dem Bewusstsein ruht, welches uns als Mensch das Leben überhaupt erst ermöglicht. Danach benötigen wir den Körper, den wir nach der Geburt als unser Eigentum betrachten. Natürlich definieren wir uns über die Person, aber es gilt zu erkennen, dass die Person, die sich aus dem Ego, dem Verstand und dem Körper herauskristallisiert, ein vergänglicher Komplex ist. Wie ein Schmetterling, der einem Kokon entschlüpft und zuvor noch Raupe war, so sollten wir aus dieser Dumpfheit, Nichterkenntnis und Schwere hervortreten.
Zusammengefasst:
1. Es gibt kein Problem.
Aus irdischer Sicht JA, weil man darin verhaftet ist.
Aus geistiger Sicht NEIN, weil man es aus einem Abstand heraus beobachtet und sich nicht damit identifiziert. Man hat zwar einen Körper, doch man hat realisiert, dass man das ist, was den Körper lenkt.
2. Zu glauben, der Handelnde zu sein.
Aus irdischer Sicht JA, weil man ja Dinge tut und Entscheidungen trifft.
Aus geistiger Sicht NEIN, weil der persönliche Wille nur ein Nachfolgemechanismus des höchsten universellen Willens ist, der wiederum absichtslos geschieht.
3. Das Außen.
Aus irdischer Sicht JA, die Welt existiert, weil wir sie über die Sinne wahrnehmen.
Aus geistiger Sicht NEIN. Alles ist eins und das Außen ist die Reflexion unserer Gedanken und Sichtweisen. So etwas wie eine Welt hat nie existiert. „Es ist nicht falsch nach Glück zu streben. Falsch ist nur das Glück im Außen zu suchen, denn es ist innen“ Sri Ramana Maharshi
4. Irdische Hilfe, in Form von Handeln.
Aus irdischer Sicht JA, weil man ja Gutes tun will, gut sein will und es nicht anders kennt.
Aus geistiger Sicht NEIN. Ein füreinander Dasein ist menschlich und nicht wirklich spektakulär. Für manche mag es das sein, doch wir setzen hier voraus, dass dieses füreinander Dasein selbstverständlich und normal ist. Nächstenliebe ist nicht Hilfe sondern Grundprinzip, eine universelle Gesetzmäßigkeit. Der Mensch „hilft“ nur allzu gerne dem Partner, den Kindern, dem Nachbarn, meist aus dem Impuls heraus, den „Anderen“ anders haben zu wollen. Wenn ich jemanden helfen will und ihm z.B. einen Lösungsvorschlag bringe, ist das Manipulation. Warum?
Erstens ist die Lösung die ich für ihn als richtig erachte, nicht unbedingt die richtige für ihn.
Zweitens: weil er die Hilfe womöglich nicht hören will, falls er nicht darum gebeten hat.
Drittens: Gibt er dann auch Verantwortung ab und glaubt, dass jemand es besser kann. Verantwortung beginnt damit, die Umweltverschmutzung mit den Gedanken zu unterlassen. Verantwortung ist Worte zu erwählen, die ausgesprochen werden und die in sich zurückfließen zu lassen, die nicht hilfreich sind. Es bedeutet auch, sich seinen Handlungen in bezug auf sein Umfeld bewusst zu werden und Respekt und Achtung zu haben. Wie denke ich über meine selbsterschaffene Welt, die ich als mein Leben bezeichne?
Zu Sokrates kam ein Mann und sagte: „Höre, ich muss dir etwas Wichtiges über deinen Freund erzählen!“
„Warte ein wenig“, unterbrach ihn der Weise, „hast du schon das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgehen lassen?“
„Welche drei Siebe?“ fragte dieser.
„So höre: Das erste Sieb ist das der Wahrheit. Hast du dich von der Wahrheit der Sache vergewissert?“
„Nein, ich habe es von anderen gehört“, erwiderte der Mann. „Nun denn, das zweite Sieb ist das der Güte. Ist die Ursache dafür, dass du diese Nachricht weitergeben willst, einem gütigen Motiv deines Herzens entsprungen?“ Der Mann musste schweigen.
„Das dritte Sieb schließlich ist das der Nützlichkeit. Glaubst du, dass diese Nachricht meinem Freund oder mir von Nutzen sein wird?“ Der Mann drehte sich wortlos um und ging.
Viertens: Verlernt er dann das in sich spüren und somit seine Selbstständigkeit?
Fünftens: Nehme ich ihm nicht vielleicht eine wertvolle Erfahrung ab, aus der heraus er wichtige Erkenntnisse und Einsichten erzielen kann, auch wenn die Situation als ausweglos oder unangenehm erscheint?
5. Die Fehlsicht eines getrennten Daseins.
Aus irdischer Sicht JA, weil man ja Gutes tun will, gut sein will und es nicht anders kennt.
Aus geistiger...