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'Panem et circenses - Brot und Spiele'. Die Macht der römischen Unterhaltungskultur

Die Macht der römischen Unterhaltungskultur

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl59 Seiten
ISBN9783638611169
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Geschichte - Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1,0, Friedrich-Schiller-Universität Jena (Institut für Altertumswissenschaften), Veranstaltung: Volk und Volksversammlung in Rom, 32 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Das römische Volk ist völlig gleichgültig geworden. Früher bestimmte es die Vergabe von Ämtern, Befehlsgewalt und Legionen. Heute besteht darin kein Interesse mehr, das Volk hat nur noch zwei Wünsche: panem et circenses - Brot und Spiele.' Mit diesem bekannten Ausspruch setzte der bekannte römische Satiriker, Decimus Iunius Iuvenalis (59-130), nicht nur sich ein Denkmal, sondern er charakterisierte damit auf eindrucksvolle Weise die Situation der römischen Gesellschaft in der Kaiserzeit, die zahlreiche Autoren und Historiker zum Anlass nahmen, sich diesem Thema zu widmen. Doch waren die von Iuvenal angesprochenen Getreidespenden und Spiele, die der römischen Bevölkerung geschenkt wurden, ein machtpolitisches Mittel, das zur Ohnmacht und Trägheit der Regierten führte oder war es ein legitimes Instrument zur Machtsicherung seitens der Regierenden, das auf der Liebe zur Bevölkerung basierte? Diese Fragestellung bildet die Grundlage dieser Arbeit. Dass auch nach über 2000 Jahren die antike Welt immer noch lebendig ist, beweist unter anderem die Tatsache, dass erst vor wenigen Tagen der Film 'Gladiator' bei der Oscar Verleihung mehrere Auszeichnungen erhielt. Auch wenn dieses Heldenepos die Vergangenheit in ihrer Sachlichkeit nur wenig berührt und Spezialeffekte das historische Detail und den guten Geschmack unter sich begraben, zog er weltweit Millionen von Zuschauern in die Kinos, die sich auch heute noch für die antike Massenunterhaltung begeistern können. Über 600 Jahre lang erfreuten die grausamen Kampfspiele der Gladiatoren in der antiken römischen Welt ein breites Publikum. Doch wie entstanden diese Kampfspiele, wer führte sie durch und worin bestand ihre große Anziehungskraft, die Tausende von Zuschauern in die Arenen und Amphitheater lockten? Ein Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich eben mit diesem Komplex der Gladiatorenspiele, als ein Mittel der Massenunterhaltung. Dabei steht die Entwicklung der Gladiatorenkämpfe genauso im Mittelpunkt, wie die Kämpfer und die verschiedenen Spiele an sich. Aber auch ein Vergleich zwischen der antiken und modernen Unterhaltungskultur wird gewagt. Doch zuvor wird in einem Kapitel dem ebenfalls im Zitat des Iuvenal erwähnten Problem der Getreideschenkungen in der Antike nachgegangen. Ob beide Bereiche, die Massenunterhaltung und die Getreideschenkungen, letztendlich zur Entpolitisierung der römischen Bevölkerung führten, soll in einem dritten Kapitel diskutiert werden.

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Leseprobe

1. Die staatlichen Getreidespenden und das Prinzip des Euergetismus in der Antike


 

1.1. Die staatlichen Getreidespenden


 

1.1.1. Der römische Staat - ein welfare state?


 

Am Ende der Expansionsphase der römischen Republik 133 v.Chr. hatte Rom zahlreiche Gebiete erobert und als Provinzen eingerichtet. So dienten vor allem Sizilien und Asia als Kornkammer des römischen Reiches, die die Grundlage für eine ausreichende Getreideversorgung vor allem für die Stadtbevölkerung Roms waren.

 

Um die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide zu steuern und zu garantieren, führte Gaius Sempronius Gracchus im Jahr seines Volkstribunats 123 v.Chr. die Reformpläne seines älteren Bruders Tiberius fort und erließ das Getreidegesetz, die lex frumentaria. Mit diesem Gesetz wurde die Verteilung von billigerem Getreide an alle Bürger Roms festgelegt, das bis zum Ende des Reiches erhalten blieb. Es galt das marktwirtschaftliche Prinzip des konstanten Marktpreises, entsprechend einem welfare state. Dabei ging es aber weniger um die Verteilung an sich, sondern mehr um den garantierten Verkauf einer gewissen Getreidemenge zu einem Festpreis an den Verbraucher, der genügend Geld besaß.

 

Die im Zitat des Iuvenal angesprochene Getreideversorgung, die hinter dem Schlagwort „Brot“ steckt, muss aber kritisch betrachtet werden. Es ging ihm weniger um die Polemisierung der öffentlichen Getreideversorgung, als darum, auf das politische Desinteresse der römischen Bevölkerung aufmerksam zu machen und dieses zu kritisieren. Ob die Getreideverteilungen aber zur Ohnmacht der Regierten beitrug, bleibt fraglich, ebenso wie der Vorwurf, dass die Getreideversorgung zur Untätigkeit der römischen Bevölkerung führte.

 

Der Ausspruch Iuvenals besagt nämlich nicht, dass die Einwohner Roms tagein tagaus im Circus gesessen haben und mittels staatlicher Vollverpflegung für ihren Unterhalt nicht hätten arbeiten müssen. Man muss sich vor Augen halten, dass die monatliche Ration an Getreide etwa fünf modii (Scheffel) betrug, etwas mehr als eine Person verbrauchte. Allerdings war nur der männliche Bürger mit Wohnsitz in Rom zum Empfang berechtigt. Familien konnten daher von dieser staatlichen Schenkung nicht existieren. Abgesehen vom Getreide mussten zur täglichen Versorgung auch noch andere Lebensmittel gekauft werden. Dazu kamen noch die horrenden Mieten, die in der Stadt Rom gezahlt werden mussten.[2]

 

Angesichts dieser Tatsachen, dass das römische Gemeinwesen keine weiteren Sozialleistungen im modernen Sinne kannte, ist der Gedanke einer staatlichen Rundumversorgung aller Bürger völlig absurd. Natürlich gab es an bestimmten Festtagen großzügige Geschenke der Politiker und Kaiser an das Volk, aber diese Aktionen waren nicht vorhersehbar und regelmäßig.

 

1.1.2. Vom Getreideverkauf zur Getreideschenkung


 

Das Getreidegesetz des Gaius Gracchus beabsichtigte nicht, die Plebs zu ernähren und zum Nichtstun anzuhalten, sondern um den Bürgern, ihren Familien und auch Sklaven eine ausreichende Getreideversorgung zu gewährleisten.[3]

 

Festzuhalten ist, dass das Gesetz des Gaius Gracchus die in Rom wohnenden Bürger berechtigte, eine gewisse Menge an Brot preiswert zu kaufen, was auf Kosten der Untertanen des Reiches, vor allem der Provinzen, ging. Ob es allerdings das Ziel Gaius war, die Früchte der Eroberungen mittels dieses Gesetzes gleichmäßig unter der Bevölkerung aufzuteilen und jede soziale Schicht davon profitieren zu lassen, kann an dieser Stelle nur vermutet werden.

 

Auch wenn das Gesetz des Gaius Gracchus bis zum Ende des Reiches erhalten blieb, wurde es häufig verändert. In den letzten Jahren der Republik, als 62 v. Chr. Catilina zur Bedrohung wurde, brachte Cato in aller Eile ein Getreidegesetz ein, das zwar auf dem gracchischen Gesetz basierte, aber es stark veränderte. Fortan ging es nicht mehr um den preiswerten und organisierten Verkauf einer bestimmten Menge Getreide an die römische Stadtbevölkerung, sondern um die kostenlose Verteilung einer bestimmten Getreidemenge an jeden Bürger, der sich in Rom aufhielt. Diese kostenlose Getreideausgabe war eine Neuerung, die dann durch den Volkstribun Clodius 58 v.Chr. eingeführt wurde.[4]

 

Folge dessen war, dass das kostenlose Getreide eine Vielzahl der im Elend Lebenden nach Rom zog, die in der Stadt ihr Glück finden wollten. Sallust schreibt dazu: „Wer auf dem Land nur von dem Einkommen seiner Hände Arbeit leben konnte, wurde wegen der großzügigen privaten Spenden von Rom angezogen.“[5] Damit einher gingen aber vor allem Verschlechterungen in der Lebensqualität in Rom. Die Stadt entwickelte sich zu einer einzigen Kloake und Pompeius schlug vor, die Stadt trockenzulegen und das italische Land wieder zu besiedeln.[6] Das Gesetz des Clodius war somit finanziell und sozial ein Fass ohne Boden und stellte für die Stadt Rom ein Drama, eine Gefahr, eine offenen Schande dar.

 

Diesem Problem wurde erst durch Caesar allmählich Abhilfe verschafft. Zu seiner Zeit gab es etwa 320 000 Bürger in der Stadt Rom, die von dieser kostenlosen Getreidevergabe profitierten. Während seiner Regierungszeit begrenzte er allerdings diese Zahl auf 150 000, um die stete Zuwanderung einzudämmen.

 

1.1.3. Die staatliche Annona - Aufgabenbereich der Aedilen


 

Das gracchische Gesetz hatte nicht zum Ziel, das Volk in Faulheit leben zu lassen und es durch die Bedürfnisbefriedigung zu erkaufen, sondern das Gesetz sollte mit Nachdruck dem Prinzip Geltung verschaffen, dass es Aufgabe des Staates ist, eine ausreichende Versorgung des Marktes mit Getreide zu garantieren.

 

Es war vor allem die Aufgabe der Aedile die Getreideversorgung der Stadt zu organisieren und so eine ausreichende Menge an Getreide zu einem angemessenen Preis auf dem Markt anzubieten. Dieses Prinzip versteckt sich hinter dem Begriff der Annona, der cura annonae. Auch Cicero formuliert in seiner Schrift „De officiis“ dieses grundlegende Gesellschaftsprinzip: „Und alle, die das Gemeinwesen steuern, werden auch darum sich sorgen müssen, daß die zum Leben notwendigen Dinge reichlich da sind.“[7] Die Nahrungsmittelversorgung Roms oblag daher in der Regel der privaten Initiative der Aedilen.

 

Dass dies keine leichte Aufgabe war beweist die Tatsache, dass ungefähr ein Kilo Getreide pro Person pro Tag zur Verfügung gestellt werden musste. Dies war mit immensen Kosten verbunden und ging zu Lasten der getreidefördernden Provinzen. Es gab aber auch Transportschwierigkeiten, die oftmals zu Engpässen bei der Versorgung der Stadtbevölkerung Roms führten. Hungersnöte und Volksaufstände waren dann keine Seltenheit.

 

Um die Bereitstellung von billigem Getreide auf dem Markt aber weiterhin zu gewährleisten, mussten die Aedile tief in die eigene Tasche greifen, auch um Teuerungen der Getreidelieferungen abzufangen. Der Aedil besetzte somit die Rolle eines Mäzenaten. Eine Geste, die ihm aber auch Popularität verschaffte. Ein Aspekt, der beim Aufstieg innerhalb der Ämterlaufbahn eine wichtige Rolle spielte. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

 

Die cura annonae der vier Aedile ging im Kaiserreich an die mächtige kaiserliche Verwaltung über. Die Nahrungsmittelversorgung war somit nicht mehr den Aedilen überlassen. Der Hauptgrund war letztendlich auch das ruinöse Geschäft, das sich hinter der Getreideversorgung verbarg, die von einer oder in diesem Fall vier Personen allein nicht mehr zu organisieren und zu finanzieren war.

 

Der Argumentation von Paul Veyne folgend, wird auch noch ein weiterer Beweggrund an dieser Stelle deutlich. Die hohe Bevölkerungszahl in der Stadt war für Privatunternehmen zu groß geworden, um sie nach den Gesetzen des freien Marktes zu versorgen. Der Staat konnte es sich nicht leisten, mit Verlust zu verkaufen. Da die Transportkosten zu hoch waren und weil ein privates Unternehmen dieser Aufgabe nicht gewachsen war, organisierte der Staat die kostenlose oder preiswerte Versorgung der Bevölkerung mit Getreide. Er verschenkte daher sein Getreide größtenteils, bevor er es an die zahlungsunfähige Bevölkerung zu verkaufen versuchte. Das kostenlose Getreide versteht sich somit als eine Art Einkommenszuschlag für die Stadtbevölkerung Roms.[8]

 

1.1.4. Bewertung der Getreideverteilung


 

Mommsen sieht die Frumentationen, die Getreideverteilung, als eine Armenversorgung im modernen Sinne, in dem er sagt: „die erste jener heute so unzählbaren wie segensreichen Anstalten, in denen das unendliche menschliche Erbarmen mit den unendlichen menschlichen Elend ringt.“[9] Dies lässt sich aber widerlegen, nicht zuletzt durch ein Zitat des Sueton. In seiner Augustus Biographie berichtet er, dass Augustus einmal von der monatlichen zur viermonatlichen Ausgabe der Marken für den kostenlosen Getreidebezug nur deswegen übergehen wollte, „damit nicht die plebs der kostenlosen...

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