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E-Book

Paradies im Alltag

Paare gestalten das Glück ihrer Liebe

AutorMichael Cöllen
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783451802171
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Miteinander glücklich werden - jeden Tag Liebesbeziehung und Liebesglück zu gestalten ist die Lebensaufgabe. Sich um das Glück zu kümmern, damit es nicht verkümmert, ist die Herausforderung an die Liebenden. Paradies und Alltag - wie bewältigen Liebende diesen Widerspruch? Michael Cöllen vermittelt mit seinem 'Lernmodell Liebe' auf der Basis von Paarsynthese Wege und Werkzeuge, die hohen Gefühle der Liebe auch im Alltag vertiefen und zukunftsfähig gestalten zu können. Er stellt Paarkonferenzen vor, die Paaren eine hilfreiche Struktur im Alltagsstress oder im Chaos der Gefühle geben und die für das Glücksempfinden sensibilisieren. Zahlreiche Rituale und Übungen der Liebe laden dazu ein, kreatives Potenzial zur Gestaltung von Glück zu entfalten.

Michael Cöllen hat ab 1975 das paartherapeutische Verfahren der Paarsynthese begründet. Er ist Buchautor für Integrative Paartherapie und Lehrtherapeut der Deutschen Gesellschaft für Integrative Paartherapie und Paarsynthese (GIPP e.V.), die er gemeinsam mit Ulla Holm 1992 gegründet hat und die sie bis heute gemeinsam leiten. Als Diplom Psychologen und Diplom Pädagogen arbeiten sie in paartherapeutischer Praxis zusammen. Sie leben als Paar in Hamburg.

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Leseprobe

Einleitung: Besinnung und Zentrierung


Liebesbeziehung und Liebesglück sind Lebenswerk. Sich um das Glück zu kümmern, damit es nicht verkümmert, ist die Herausforderung an die Liebenden. Paradies und Alltag – wie bewältigen Liebende diesen Widerspruch?

Für viele Paare ist die Antwort deshalb brennend wichtig: Gibt es glückliche Paare – wenn ja, warum? Und kann dieses so ersehnte Glück auch im Alltag der Liebe bestehen?

Diesen Fragen will das vorliegende Buch nachgehen.

Kriterien für die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit vom Liebesglück des Paares sind gesucht. Seit es Liebe gibt, haben viele versucht, eine Antwort darauf zu finden. Lange waren es Philosophen, Dichter, Romanschreiber, Moraltheologen und vor allem die Liebenden selbst, die um eine Antwort gerungen haben. Seit 1950 etwa sind es in besonderer Weise die Frauenzeitschriften und Ratgeber-Bücher, die vielfältige Antworten zusammengetragen haben. Die Wissenschaften an den europäischen Universitäten haben sich lange schwergetan mit diesen Themen. Seit etwa 30 Jahren allerdings haben vor allem Psychologie und Soziologie, neuerdings auch die Naturwissenschaften wie die Neurophysiologie intensive Forschung dazu betrieben. Das ist von Bedeutung, denn menschliches Glück und besonders das Liebesglück brauchen diese Aufmerksamkeit. Inzwischen gibt es tatsächlich auch das »Unterrichtsfach Glück« in vielen Schulen (Fritz-Schubert 2011).

Alle Liebenden haben ein Recht auf Glück – aber nicht alle nehmen es in Anspruch. Die amerikanische Verfassung bekräftigt sogar das Recht auf Glück für jeden Menschen, in die brasilianische Verfassung soll es aufgenommen werden. Das Glück der Liebespaare ist aber nirgendwo verankert. Es gibt keine Institutionen, die darüber Recht sprechen oder Rechte zuteilen könnten. Wer aber schützt dann die Liebenden?

Nur die Partner selbst können ihr gemeinsames Liebesglück schützen. Das Paar selbst ist die einzige lebendige Institution, die die Werte der Liebe immer wieder neu sucht, aussteuert und überprüft – im Dialog miteinander, im Streit ebenso wie in der Hingabe. Damit dieser Dialog gelingen kann und ihr Glück nachhaltig und zukunftsfähig wird, benötigen die Partner allerdings neben der inneren Zwiesprache auch Impulse und Energiezufuhr von außen. Deshalb will dieses Buch über die Versöhnungs- und Friedensarbeit der Liebenden hinaus vor allem den alltäglichen Umgang mit dem Glück herausarbeiten. Das tägliche und trotzdem außergewöhnliche Suchen, Ringen und Finden von Glück im intimen Dialog steht im Zentrum.

Der Alltag bricht ein ins Paradies. Ist es dann überhaupt noch ein Paradies?

Doch Liebesglück ist kein frommer Wunsch.

Entscheidend ist die Glücksfähigkeit der einzelnen Partner im Zusammenspiel der Gegensätze von weiblich und männlich, von Sinnesrausch und Pflicht, von Freiheit und Verantwortung.

Eine Befragung des Bundesministeriums für Familie, die alle zehn Jahre durchgeführt wird, ergibt, dass 80 Prozent der Erwachsenen angeben, eine gute Beziehung sei das wichtigste im Leben und bedeute das große Glück. Erst auf den Plätzen zwei und drei folgen Gesundheit und Einkommen. Jährlich machen sich viele Paare auf den Weg, das Glück zu suchen – ihr Glück.

Nicht das große und allgemeine Glück wird hier angedacht. Der Fokus richtet sich auf das Glück zweier Liebender. Die Konzentration soll darauf gerichtet werden, das Liebesglück so zu gestalten, zu würdigen und achtsam wahrzunehmen, dass es auch im Alltag bestehen und damit zukunftsfähig bleiben kann.

Das Glück der Liebenden kann nicht eingeklagt werden, obwohl paradoxerweise die Streitenden viel Zeit und Kraft darauf verwenden, zu klagen und anzuklagen. Liebesglück kann nicht erkauft, nicht erstritten und nicht herbeigezwungen werden. Aber die Liebenden können sich dafür empfangsfähig und sendungsfähig machen. Vom Liebesleid zum Liebesglück ist es oft – entgegen aller Pessimisten – ein kleiner Schritt. Dem Liebesglück eine Chance geben heißt, dem Partner eine Chance geben.

Erstaunlich: In unserer aufgeklärten westlichen Welt sind die notwendigen Erkenntnisse, das Wissen und die Werkzeuge nicht nur zur Krisenbewältigung, sondern auch für das Liebesglück reichlich vorhanden. Sie sind im 21. Jahrhundert im Alltagsbewusstsein der Liebenden längst angekommen. Eine Erkenntnis daraus ist, dass die Kräfte und Energien der Liebenden sich nicht erschöpfen dürfen in der Bewältigung von Krisen und in der (Sisyphos-)Arbeit an Konfliktlösungen.

Die Fähigkeit zum Glück ist das Entscheidende. »Jeder Mensch hat das Recht auf Glück; er muss allerdings bereit sein, ein Leben lang etwas dafür zu tun«, erläutert der Dalai Lama (2012, S. 11).

Das Gleichnis vom Weg hilft:

Der Weg des Paares vom Glück zum Leid und erneut hin zum Glück muss natürlich immer wieder von Geröll, Gesteinsbrocken oder Steinschlag, manchmal auch von einem Erdrutsch befreit werden. Schwere Unwetter, Kälte oder auch Hitze brechen herein und beschweren manchmal den Weg. Solange aber das Ziel nicht aus den Augen verloren wird, lässt sich auch der Weg ertragen. Nietzsche sagt: »Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.«

Erstaunlich allerdings, dass viele Paare das Ziel nur diffus benennen, oft nicht einmal kennen. Zu Beginn der Paartherapie in einem Fragebogen nach ihren Lebenszielen befragt, suchen viele eher naiv nach Wohlbefinden, Zufriedenheit und Genuss. So schreibt ein Mann: »Familie gründen, Glücklichsein bis ins hohe Alter, finanziell abgesichert sein.« Seine Frau: »Gesundheit, Zufriedenheit, Urlaube und Tierliebe.« Manche schreiben auch »gutes Essen«. Die Einfachheit dieser Wünsche an das große Glück rührt mich an. Doch sie sind unglücklich und wollen Hilfe. Suchen sie nach dem falschen Glück?

Auf der Suche gerade auch nach dem Liebesglück gibt es viele Irrwege.

Sind die Liebenden nach dem Abklingen des ersten Liebesrausches überhaupt fähig, ihr eigentliches Glück zu erkennen? Oder jagen sie einem falschen Glück hinterher? Sind sie überhaupt fähig, Glück zu empfinden? Und welche Fähigkeiten braucht es, das Glück zu halten?

Liebesglück ist kein Fertigprodukt. Es wächst an den Widersprüchen der Liebe. Liebesglück ist ein lebenslanger Gestaltungsprozess. Die Lust am Gestalten, Formen, Produzieren und Kreativwerden gehört angenehmerweise zur menschlichen Grundausstattung. Noch eine zweite Kraft hilft entscheidend, das Liebesglück zu finden: die allen Menschen zutiefst innewohnende Sehnsucht. Menschliche Sehnsucht ist der wichtigste Wegweiser: Sehnsucht nach dem, was in mir und was in uns als Paar zur Entfaltung drängt. Sehnsucht auch danach, was in mir und uns beiden noch nicht abgeschlossen ist, seine reife Form noch nicht gefunden hat. Aristoteles hat für dieses uns innewohnende Streben den Begriff der Entelechie eingeführt als das Streben nach Entfaltung des in uns angelegten Potenzials. Dazu gehört die Sehnsucht nach Vereinigung mit einem geliebten Gegenüber.

Doch um die Sehnsucht irgendwann stillen zu können, bedarf sie der Eingrenzung und Begrenzung. Sie braucht ein Ufer, an dem sie ankommen und sich niederlassen kann. Liebesglück ist niemals grenzenlos. Das Paradies ist kein Schlaraffenland.

Deshalb nimmt dieses Buch auch eine Eingrenzung – genauer: Weitung – vor: Es geht nicht einzig um leidenschaftliches Gipfelstürmen und seliges Versinken im Taumel der Lust, sondern auch um die Realität des Glücks im Alltag. Dazu gehören herausragende Erfahrungen und Erlebnisse ebenso wie das kleine, manchmal unscheinbare und stille Glück. Und noch mehr: Zum Glück gehört als fester Bestandteil auch das Unglück. Mit dem Unglück richtig umzugehen kann Glück bedeuten.

Als Leser finden Sie in diesem Buch keine kurze Glücksformel. Keine Ratschläge, keine Lösungen und keine Versprechungen, das Glück zu finden – ohne an sich selbst oder mit dem Partner aktiv gestaltend daran mitzuwirken. Diesen steten Wandel miteinander bewusst zu gestalten, das ist der Weg. Das bedeutet Arbeit und Lust zugleich.

Beim Nachdenken und Schreiben dieses Buches spüre ich immer wieder meine eigene Angst, in das Banale des Glücks abzugleiten. Über die großen Krisen und Liebeskatastrophen einerseits und über die himmelstürmende Glücksseligkeit und die wogenden Gefühle andererseits zu schreiben scheint einfacher. Ich fürchte die Stille und Einfachheit des Glücks, für die große Worte eigentlich fehlen. Abgesehen von den herausragenden Gefühlsereignissen ist das Glück im Alltag der Liebenden in viele Unauffälligkeiten gekleidet, die zu beschreiben oft trivial klingt. Deshalb wird Glück oft erst registriert und als solches sehnsüchtig wahrgenommen, wenn es gerade durch Streit abhandenkommt.

Leichter scheint es uns Menschen, das Leid denn das Glück zu formulieren. So geschieht es in den täglichen Nachrichten und der gesamten Presse, so geht es auch vielen Paaren. Die amerikanische Psychologin Sonja Lyubomirsky (2011) erklärt diesen Umstand dadurch, dass wir Menschen zum Überleben schon immer mehr auf Gefahren, Unglücke und Drohungen achten mussten. In über 40 Jahren meiner paartherapeutischen Tätigkeit habe ich sehr viele Paare begleitet, die sich auf den Weg gemacht haben, ihr Glück zu suchen. Der Dramatik, Wucht und Vielfältigkeit, mit der die Streitenden wortreich ihr Unglück schildern, steht oft ein lähmendes Verstummen aus Scham und Unsicherheit und Angst gegenüber, wenn sie aufgefordert werden, ihr Glück zu schildern. Das spiegelte sich auch in den Befragungen für dieses Buch im Vergleich zu Befragungen über...

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