2. Methodische Erläuterungen
1. Zeitrahmen
Die Stundenvorschläge sind für die Dauer einer Doppelstunde (90 Min.) geplant und erprobt worden. Da dieses Konzept mit einem hohen Geräteaufwand verbunden ist, sind Einzelstunden (45 Min.) nicht ratsam, und auf ein Aufwärmen und Entspannen sollte nicht verzichtet werden. Auch die Spielphase gehört – wie in den Stundenvorschlägen angegeben – zu den Motivationsbausteinen einer Stunde. Auf diese kann bei Zeitmangel dann verzichtet werden, wenn ein Stundenthema und die entsprechenden Bewegungsaufgaben bereits einen hohen Aufforderungscharakter besitzen (s. Hinweis: Spielvorschläge Nr. 5.8/5.9). Bei Zeitmangel ist es außerdem möglich die Stundenvorschläge nochmals zu unterteilen, insbesondere bei Vorschlägen mit Doppelthemen (s. Kap. 5.1/5.6/5.12).
Des Weiteren ist die Durchführung so angelegt, dass Parkoursport über einen längeren Zeitraum unterrichtet wird. Es sind zwar auch einzelne Stundenvorschläge isoliert möglich durchzuführen, jedoch geht dann ein wichtiges Ziel verloren, nämlich die Selbsteinschätzung der Teilnehmer zu fördern.
2. Bewegungsraum
Günstig für die Durchführung ist eine Halle in der Größe zweier Volleyballfelder, damit das Einlaufen in der Aufwärmphase und der Aufwärmparcours nebeneinander durchgeführt werden können. Außerdem können mehrere Kleingruppen ungestört parallel an unterschiedlichen Stationen üben. Dies ist insbesondere bei hohen Leistungsunterschieden innerhalb einer Gruppe von Vorteil, da Schüler mit einem geringeren Leistungsvermögen durch die spektakulären Ergebnisse der besseren Schüler gehemmt sein können und sich dann auf engem Raum eher im Hintergrund halten.
Ein kleinerer Raum (minimal ein Volleyballfeld) ist für die grundsätzliche Durchführung jedoch ausreichend und bedeutet, dass die Stationen dichter beieinander stehen bzw. die Angebote bei der Differenzierung (parallele Aufbauten) geringer ausfallen müssen.
Abb. 4: Viele Aufbauten orientieren sich an der Größe eines Volleyballfeldes.
3. Sicherheit
Das Gefahrenpotential im Parkoursport ist mit dem des Turnens zu vergleichen und durch entsprechende Maßnahmen als gering einzustufen.
Häufig geäußerter Kritikpunkt bei der Sicherheit sind die gelenkbelastenden Tiefsprünge. Deshalb ist es einerseits wichtig die beschriebene Ausführung bei der Rolle als energieabbauende Bewegung (s. Kap. 5.5) genau zu beachten und andererseits zu große Sprunghöhen (über Reichhöhe) zu vermeiden. Es sollte zudem darauf geachtet werden, dass eine permanente Absicherung insbesondere durch Matten und Hilfestellungen gewährleistet ist. Den Kritikern kann ohnehin entgegnet werden, dass bei Abgängen vom Reck oder den Ringen im Turnen ähnliche Höhen zu absolvieren sind.
Die Schüler sollten die Absicherung als Ritual empfinden. Abgebildete Absicherungen durch Matten bzw. Geräte sollten unbedingt übernommen werden.
Abb. 5: Hilfestellung durch Klammerdrehgriff rückwärts am Oberarm beim Wandsalto rückwärts.
4. Gerätesicherheit
Parkoursport lebt von kreativen und vielgestaltigen Gerätekombinationen, deren Sicherheit und Abnutzung oftmals noch nicht hinreichend geklärt sind. Solche neuartigen Aufbauten müssen permanent auf Belastungen und Gefahren geprüft und zunächst umsichtig benutzt werden.
Das Thema Sicherheit bietet darüber hinaus auch didaktische Einsatzmöglichkeiten: Insbesondere das Erstellen von Geräteaufbauten/-kombinationen und die Verwendung von Matten können zum Anlass genommen werden, um mit erfahreneren Teilnehmern zu diskutieren, inwiefern eine Absicherung erforderlich ist bzw. welche Aufbauten zu riskant sind.
Folgende Aspekte der Gerätesicherheit sollten immer Beachtung finden:
Bänke:
Abb. 6: Belastungen auf die Querseite von Bänken führen häufig zum Kippen.
Abb. 7: Der Katapulteffekt eingehängter Bänke schießt den Läufer nach oben und lässt Bänke springen/aushebeln.
Kästen:
Abb. 8: Belastungen beim Absprung oder Aufsprung auf (kleine und große) Querkästen können zu Stürzen führen.
Matten:
Da weiche Matten den Bewegungsfluss eher stören und bei der Durchführung von Le Parkour auf der Straße kaum Absicherungen vorhanden sind, sind zumindest überflüssige Matten beim Parkoursport auch nicht sinnvoll. Deshalb könnte hier das Prinzip gelten: Soviel Matten wie nötig, aber so wenig wie möglich. Darüber hinaus gelten für den Matteneinsatz folgende Grundsätze (s. BOCKHORST, 2010):
- Ab Sprunghöhen über 30 cm ist ein Matteneinsatz empfehlenswert, über 60 cm ist der Matteneinsatz erforderlich.
- Turnmatten sollten für Höhen bis etwa 60 cm eingesetzt werden (bei „aktiven Landungen“ – die landende Person gibt in den Kniegelenken und dem Hüftgelenk nach – bis 120 cm).
- Niedersprungmatten sollten für Höhen bis 120 cm als Landefläche gewählt werden (bei aktiven Landungen bis 180 cm).
- Weichböden dürfen nur für Flächenlandungen eingesetzt werden und bilden somit im Parkoursport eine Ausnahme für Landezonen.
- Um den Einsatzbereich der Mattentypen zu erweitern, ist das Aufeinanderlegen bzw. Kombinieren möglich.
Abb. 9: Das Kombinieren verschiedener Mattentypen erhöht den Einsatzbereich (z. B.: Weichböden, Niedersprungmatten, Bodenläufer).
Barren:
Abb. 10: Zu hohe Belastungen können zum Holmbruch führen.
Abb. 11: Das Abdecken von Holmen oder Reckstangen und „aktives Landen“ verringert die punktuelle Belastung.
5. Bewegungsaufgaben
Bewegungsaufgaben, die in mehreren Phasenbildern dargestellt werden, sind in den Stundenvorschlägen durchnummeriert. Bilder ohne eine Nummer stehen stellvertretend für eine Bewegungsaufgabe.
Die Bewegungsaufgaben sind als Sammlung von Vorschlägen zu verstehen, die in ihrer Reihenfolge angewandt als methodische Reihe für die jeweilige Zielbewegung dienen. Jedoch kann aufgrund von Zeitmangel oder entsprechenden Vorkenntnissen auf entsprechende Bewegungsaufgaben verzichtet werden. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, die Bewegungsaufgaben in einer Stunde nacheinander anzubieten, die Stationen dann weiter stehen zu lassen, sodass auch hier noch geübt werden kann. Zumal davon auszugehen ist, dass nicht jeder Schüler alle Stationen bewältigen kann bzw. unterschiedlich lange Zeit dafür benötigt (s. 6. Differenzierung). Hier muss die Lehrkraft für entsprechende Sicherheitsmaßnahmen sorgen (z. B. angeleitete Hilfestellung), sofern sie diesen Stationsbetrieb im Stundenverlauf nicht mehr selbst betreuen kann.
Abb. 12: Sämtliche Aufbauten stehen als Skizzen für den Unterrichtseinsatz auf www.parkoursport.de zur Verfügung.
6. Differenzierung
Die Stundenvorschläge sind für einen Wahlkurs in der Oberstufe konzipiert worden, jedoch lassen sich einzelne Stundenvorschläge (einfache Sprünge, Klettern etc.) bei entsprechender Modifikation der Hindernishöhe auch für die Mittelstufe und sogar die Unterstufe einsetzen.
Parallel sollten grundsätzlich – sofern möglich – unterschiedliche Schwierigkeitsgrade bei den Geräteaufbauten erstellt werden, damit Schüler mit einem geringeren Leistungsniveau partizipieren können, aber auch Leistungsstärkere gefordert werden. Diese Aufbauten müssen von der Lehrkraft und den Schülern gemeinsam bestimmt bzw. im Stundenverlauf weiterentwickelt werden. Dies ist in der Regel ein sich verselbständigender Prozess, da die Aufbauveränderungen naheliegend sind (Kästen erhöhen, Distanzen erweitern, Hilfestellungen abbauen). Der Lehrer ist hier im Wesentlichen gefordert, Grenzen aufzuzeigen und Sicherheitsaspekte zu nennen. Die Bewegungsaufgaben verleiten dazu waghalsige Aufbauten zu konstruieren (kippelige Kastentreppen, Distanzen ohne Absicherungen etc.). Die Verantwortung dies zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren bzw. zu unterbinden obliegt einzig dem Lehrer.
Die in den Abbildungen gezeigten Geräteaufbauten, insbesondere deren Höhe bei den Zielbewegungen, gelten in der Regel als Richtschnur für die zu erreichenden möglichen Ziele. Sinnvoll ist, je nach Altersstufe, Leistungsniveau und Körpergröße, mit einer geringen Aufbauhöhe zu beginnen.
Abb. 13: Unterschiedliche Aufbauhöhen für den Präzisionssprung.
7. Selbständigkeit fördern
Obwohl die Stundenvorschläge bereits Einlaufübungen, Aufwärmparcours und Entspannungsübungen enthalten, kann dieser Teil auch in die Hände der Schüler gelegt werden. Ich habe positive Erfahrungen gemacht, was das vorbereitete Aufwärmprogramm durch jeweils zwei Schüler betrifft. Dieser Teil wird dann ebenfalls zur Beurteilung verwendet. Schüler lernen dadurch...