Sie sind hier
E-Book

Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland.

Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens.

AutorMax Weber
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl147 Seiten
ISBN9783428535125
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,90 EUR
»Der Verfasser, der vor bald drei Jahrzehnten konservativ wählte und später demokratisch, [...] ist weder aktiver Politiker, noch wird er es sein. Er verfügt - auch das sei vorsichtshalber bemerkt - über keinerlei Beziehungen gleichviel welcher Art zu irgendwelchen deutschen Staatsmännern. [...] Er hat seinen politischen Standpunkt so wie jetzt gewählt deshalb, weil die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ihn seit langem zu der festen Überzeugung gebracht hatten: daß die bisherige Art der staatlichen Willensbildung und des politischen Betriebes bei uns jede deutsche Politik, gleichviel welches ihre Ziele seien, zum Scheitern verurteilen müsse [...].« (Aus der Vorbemerkung des Verfassers)

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe
V. Parlamentarisierung und Demokratisierung (S. 87-88)

Nicht das Problem der sozialen Demokratisierung, sondern nur dasjenige des demokratischen, also des gleichen, Wahlrechts soll uns hier in seiner Beziehung zum Parlamentarismus angehen. Und auch nicht die Frage, ob es für das Deutsche Reich seinerzeit staatspolitisch ratsam war, dies Wahlrecht unter Bismarcks scharfem Druck einzuführen, wird erörtert. Sondern dieser Tatbestand wird hier als fest gegeben und ohne furchtbare Erschütterungen nicht rückgängig zu machen, vorbehaltlos angenommen und nur gefragt: wie sich die Parlamentarisierung zu diesem demokratischen Wahlrecht verhält. Parlamentarisierung und Demokratisierung stehen durchaus nicht notwendig in Wechselbeziehung, sondern oft im Gegensatz zueinander.

Man hat neuerdings sogar nicht selten geglaubt: in notwendigem Gegensatz. Denn wirklicher Parlamentarismus sei nur bei einem Zweiparteiensystem und dies nur bei einer aristokratischen Honoratiorenherrschaft innerhalb der Parteien möglich. Der althistorische Parlamentarismus Englands war in der Tat, seinem ständischen Ursprung gemäß, auch nach der Reformbill und bis in den Krieg hinein, nicht wirklich in kontinentalem Sinn „demokratisch“. Schon im Wahlrecht. Der Wohnungszensus und die tatsächlichen Mehrheitsstimmrechte hatten immerhin eine solche Tragweite, daß bei Übernahme auf unsere Verhältnisse wohl nur die Hälfte der jetzigen Sozialdemokraten und auch bedeutend weniger Zentrumsabgeordnete als jetzt im Reichstag sitzen würden. (Allerdings fällt dafür die Rolle der Iren im englischen Parlament bei uns fort.)

Und bis zu Chamberlains Caucussystem waren beide Parteien durchaus von Honoratiorenklubs beherrscht. Falls jetzt wirklich die zuerst in Cromwells Heerlager von den Levellers erhobene Forderung des universellen Einstimmrechts und sogar des (vorerst begrenzten) Frauenstimmrechts durchgeführt wird, so muß der Charakter des englischen Parlaments sich sicherlich stark ändern. Das Zweiparteiensystem, schon durch die Iren durchlöchert, wird mit Anwachsen der Sozialisten weiter zerfallen und die Bureaukratisierung der Parteien noch weiter fortschreiten.

– Das bekannte spanische Zweiparteiensystem, beruhend auf der festen Konvention der Parteihonoratioren, daß die Wahlen im Sinn eines periodischen Wechsels der beiderseitigen Amtreflektanten in der Macht erledigt werden, scheint soeben dem ersten Anlauf zu ernstlichen Wahlen zu erliegen. Aber werden solche Änderungen den Parlamentarismus beseitigen? Der Bestand und die formale Machtstellung der Parlamente ist durch Wahlrechtsdemokratie an sich nicht bedroht. Das zeigen Frankreich und andere Staaten mit gleichem Wahlrecht, wo die Ministerien durchweg aus den Parlamenten hervorgehen und sich auf deren Mehrheiten stützen. Aber freilich ist der Geist des französischen Parlaments ein sehr anderer als der des englischen.

Nur ist gerade Frankreich kein Land, an welchem man die typischen Folgen der Demokratie für den Parlamentarismus studieren könnte. Der stark kleinbürgerliche und vor allem: KleinrentnerCharakter seiner stabilen Bevölkerung schafft Bedingungen für eine spezifische Art von Honoratiorenherrschaft in den Parteien und einen besondersartigen Einfluß der haute finance, wie sie unter den Verhältnissen eines vorwiegenden Industriestaats nicht bestehen. Die französische Parteistruktur ist in einem solchen ebenso undenkbar, wie allerdings auch das historische Zweiparteiensystem Englands.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung6
Inhalt12
I. Die Erbschaft Bismarcks14
II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum24
III. Verwaltungsöffentlichkeit und Auslese der politischen Führer55
IV. Die Beamtenherrschaft in der auswärtigen Politik74
V. Parlamentarisierung und Demokratisierung88
VI. Parlamentarisierung und Föderalismus112

Weitere E-Books zum Thema: Parteipolitik - Parteiendemokratie

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie

E-Book Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie
Herausforderungen und Bilanz der Regierungspolitik in Westeuropa Format: PDF

Ende der 90er Jahre waren sozialdemokratische Parteien in den meisten Ländern der Europäischen Union an der Regierung beteiligt. Wie erfolgreich waren die unterschiedlichen Parteien in ihrer…

Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie

E-Book Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie
Herausforderungen und Bilanz der Regierungspolitik in Westeuropa Format: PDF

Ende der 90er Jahre waren sozialdemokratische Parteien in den meisten Ländern der Europäischen Union an der Regierung beteiligt. Wie erfolgreich waren die unterschiedlichen Parteien in ihrer…

Weitere Zeitschriften

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...