Magisterarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Geschichte Europas - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 1,8, FernUniversität Hagen, Sprache: Deutsch, Abstract: Auf der Suche nach Legende und Wirklichkeit der Pax Britannica in Indien taucht zuerst das Problem auf, daß es eine systematische Untersuchung zum Begriff der Pax Britannica unter globalhistorischen Gesichtspunkten nicht gibt. Der Begriff wird jedoch mit einer Selbstverständlichkeit verwendet, als ob er ebenso geklärt wäre wie jener der Pax Romana. In dieser unreflektierten Form ist Pax Britannica gängige Münze auch in der historischen Zunft geworden und so wird der Begriff gleichfalls in Deutschland unzulänglich eingesetzt. Den Ungereimtheiten ist nur zu entgehen, wenn Pax Britannica nicht als Umschreibung eines konkreten historischen Zustands begriffen wird, sondern als ideologisches Konstrukt zum Zweck der Rechtfertigung britischer Vorherrschaft in der Welt. Die Wirklichkeit kolonialer Penetration spielte sich freilich auf materieller Ebene ab, das Bild aber wurde politisch-philosophisch, ideologisch, imaginativ als Fiktion verhandelt. Nachdem auf begriffskritischem und historiografischem Weg grundlegenden Voraussetzungen der 'Errichtung einer Pax Britannica in Indien' die beanspruchte objektive Gültigkeit bestritten wurde, soll ein Blick aus der britisch-indischen Perspektive die weitere Entwicklung des kolonialen Penetrationsprozesses durch die East India Company bis zu deren Subordination unter die imperiale Staatsräson Londons gegen Ende des 18.Jahrhunderts verfolgen. Entlang der realhistorischen Sequenz 'Finanzbedarf - territoriale Expansion - politisch-militärische Konsolidation - Einnahmensicherung und neuerliche Expansion' wird hier die allmähliche Herausbildung einer immer komplexeren Legitimationsproduktion in ihrer ideologischen Konstruiertheit, ihrer tagespolitischen Abhängigkeit, ihrer verwickelten Dynamik und ihrer politischen Öffentlichkeit demonstriert. Voranschreitend ins 19.Jahrhundert, werden ökonomische und v.a. intellektuelle Aspekte stärker berücksichtigt. Insgesamt erscheint Pax Britannica in Indien so offensichtlich als koloniale Ausbeutungs- und Herrschaftslegitimation, daß gefragt werden muß, wieso und wodurch das Ideologem im Kontext binneneuropäischer Außenpolitik überhaupt derart breit in Geltung kommen konnte. Es wird sich zeigen, daß aus der indischen Pax-Britannica-Vorlage 2 Varianten hervorgehen: eine für die politische Öffentlichkeit der weißen Imperialkonkurrenz, die andere für den kolonialen Beherrschungs-Komplex - und beide im Gespann eine zukunfts- und globalisierungsfähige Version von Pax Occidentalis bildeten.
Jürgen Krämer, M.A., Historiker (moderne außereuropäische Geschichte), Betreiber von orientalismus.info , freiberuflicher Fortbildner und Dozent im Bereich historische und theoretische Grundlagen eurozentrischer Fremdwahrnehmung und interkultureller Kompetenz. Seit mehreren Jahren zudem in Ligurien mit einem agrarökologischen Praxisprojekt aktiv (agrarökologie.info), wo Ansätze der »Subaltern Studies« mit Partisanengeschichte und ländlicher Resistenz verknüpft werden.
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