Kapitel 1
EINE SEHR SCHWIERIGE UND RISKANTE ENTSCHEIDUNG
Während meiner Highschool- und College-Zeit lief ich meiner Frau Kim mehr als vier Jahre lang hinterher, um sie nur zu einem einzigen Date zu bewegen. Sie sagte über 200-mal »Nein« – zu einem Kinobesuch, einem Spaziergang im Park, einem Ausflug in die Mall, einem Schaufensterbummel. Egal, wie geringfügig meine Bitte war – sie wurde stets mit einem unmissverständlichen »Nein« beantwortet, gefolgt von einem »Vergiss es, du bist nicht mein Typ und wirst es nie sein«. Es sprengt den Rahmen dieses Buchs, wie es dazu kam, dass ich vier Jahre lang einen Korb nach dem anderen kassierte und Kim meinen Heiratsantrag dann doch annahm. (Und um fair zu sein, Kim war erst 14, als wir uns kennenlernten.) Was ich Ihnen aber verraten darf: Die Reise zu meiner Hochzeit war etwas ganz Besonderes und löste eine Reihe von Ereignissen aus, die mein Leben für immer veränderten.
Ich verließ die Universität von Arizona mit einem Abschluss in Marketing, Schwerpunkt internationale Wirtschaft. Bei meinem ersten Job als Marktforschungsspezialist in einem amerikanischen Konzern merkte ich schnell, dass ich nicht für den Rest meines Lebens in einem mickrigen Cubicle sitzen wollte. Es sprach nichts gegen einen guten und sicheren Bürojob, aber dieser Lebensstil war einfach nichts für mich. Jeden Tag hatte ich das Gefühl, dass sich die Wände meiner Arbeitsnische enger und enger um mich zusammenzogen.
Schon bald erkannte ich, dass ich unbedingt einen anderen Karriereweg einschlagen musste – eine Laufbahn, die mir Bewegungsfreiheit geben würde, die Möglichkeit, mich mit Menschen zu beschäftigen, und vor allem das Gefühl, dass ich wirklich etwas Besonderes in der Welt bewirken könnte statt immer nur für den Chef zu arbeiten. Es stellte sich heraus, dass der perfekte Beruf für mich der des Highschool-Lehrers war. Ich umgebe mich sehr gerne mit energiegeladenen Menschen – und wer hat mehr Energie als Highschool-Studenten? Als Highschool-Lehrer kann man einen echten, nachhaltigen Einfluss auf die Lebenswege der Menschen nehmen. Das gefiel mir. Ich wollte einen positiven Einfluss auf möglichst viele Schüler ausüben.
Meine Begeisterung war ansteckend! Mein Lächeln hätte nicht breiter sein können, als ich merkte, dass ich meine wahre Berufung gefunden hatte. Immerhin hatte ich über zehn Jahre lang mehr als 4.000 Gitarren-Enthusiasten in Tucson, Arizona, Privatunterricht für klassische Gitarre gegeben. Ich wusste, dass ich unterrichten konnte, hatte aber im Bundesstaat Arizona keine Zulassung für den Lehrberuf. Von einem Stück Papier wollte ich mich jedoch jetzt nicht aufhalten lassen! Bald nachdem ich meine Berufung entdeckt hatte, machte ich mit meinem Bruder Antonio einen ungeplanten Besuch in meiner ehemaligen Highschool und fand heraus, dass die Verwaltung die Ausschreibung einer neuen Vollzeit-Lehrerstelle plante.
Für viele Lehrer war das ein Traumjob und zweifellos würde es eine Menge Bewerber geben. Im Rückblick ist das Verrückteste an der Sache, dass die Bewerber erfahrene Lehrer waren, die nicht nur fünf bis zwanzig Jahre Lehrerfahrung hatten, sondern die im Tucson Unified School District zudem gut vernetzt waren. Und ich hatte noch nicht einmal eine Lehrbescheinigung! Jeder halbwegs normale Mensch wäre davon ausgegangen, dass ich keine Chance hätte. Ganz davon abgesehen, dass ich selbst noch wie ein Gymnasiast aussah. Ich dachte, dass mich ganz bestimmt niemand ernst nehmen würde.
Ich führte mit der Direktorin der Schule ein ehrliches, informelles Gespräch und konnte sehen, wie sich ihr Gesicht veränderte, je mehr ihr klar wurde, dass man das zuständige Bezirksschulamt fast unmöglich darum bitten könnte, mir in weniger als zwei Monaten eine Lehrbescheinigung auszustellen. Der Bewerbungsprozess und die erforderliche Prüfung zum Beweis meiner fachlichen Eignung könnten lange dauern. Es war ein bürokratischer Marathon und ein endloser Papierkrieg.
Der Bewerber muss zudem eine sehr strenge Hintergrundprüfung bestehen sowie weitere Zertifikate etwa in Hygienemanagement und Herz-Lungen-Reanimation erwerben. Die Direktorin erklärte, dass sie den Ausschuss überzeugen würde, meine Bewerbung anzunehmen und mich zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Voraussetzung sei, dass ich den Bundesstaat Arizona in wundersamer Weise dazu bringen könnte, mir binnen 60 Tagen eine Zulassung als Lehrer auszustellen. Weiterhin teilte sie mir mit, dass Arizona während ihrer gesamten Schullaufbahn nach ihrem Wissen noch nie einem frischgebackenen Lehrer ohne Lehrerfahrung in der Sekundarstufe in so kurzer Zeit eine Zulassung erteilt habe. Ich stimmte den Bedingungen zu und der Gesprächstermin wurde festgelegt.
In der folgenden Woche liefen die Vorstellungsgespräche hochqualifizierter und erfahrener Lehrer an, die bereits im Schulbezirk tätig waren. In dieser Zeit verbrachte ich meine Zeit mit der Ausarbeitung meines Wirtschaftskurses. Der Plan gab Aufschluss darüber, wie ich unterrichten wollte und wie ich die Schüler dazu bringen wollte, sich im folgenden Jahr für einen Aufbaukurs einzuschreiben. Dabei konzentrierte ich mich auf die Tatsache, dass ich von Grund auf eine sehr erfolgreiche private Gitarrenschule aufgebaut hatte. Ich dachte, dass ein kleines Startup statt des traditionellen Lehrbuchansatzes die ideale Methode sein würde, die Kursteilnehmer für die Idee zu begeistern, selbst Kleinunternehmer zu werden. Die Studenten sollten selbst ins Geschäftsleben eintauchen und nicht immer nur etwas darüber lesen. Schließlich machte ich noch einen kurzen Abstecher zum Copyshop und ließ mir den ganzen Plan spiralbinden.
Am Tag des Vorstellungsgesprächs trug ich ein Paar neue Hosen, ein neues Hemd und eine neue Krawatte, die ich für diesen Anlass im Kaufhaus besorgt hatte. Ich glaube, der Ausschuss konnte sehen, dass es sich um ein neues Outfit handelte, denn es hatte noch sehr starke Bügelfalten. Wie peinlich! Jedenfalls kam ich in einen gut gefüllten Sitzungssaal, in dem jeder einen Block Papier und einen Stift vor sich hatte. Ich wusste, dass meine größte Schwäche war, dass ich keine vorhergehende Erfahrung im Schulunterricht hatte. Also konzentrierte ich mich auf die Tatsache, dass ich ein junger Unternehmer war, der aus Erfahrung statt einfach nur aus einem Lehrbuch gelernt hatte. Ich sagte ihnen, dass ich die betriebswirtschaftliche Ausbildung spannend und praxisnah gestalten und den Studenten beibringen könnte, wie man in der realen Welt überlebt. Dazu fühlte ich mich wirklich in der Lage, weil die Nachfrage nach meinem Gitarrenunterricht in Tucson so stark gestiegen war. Dann übergab ich jedem Ausschussmitglied meinen frisch spiralgebundenen Plan. Ich konnte sehen, dass sie entweder beeindruckt waren oder es einfach drollig fanden, dass ich mir die Mühe gemacht hatte, einen so übersichtlichen Plan für sie anzufertigen. Was auch immer sie dachten, ich sprach mit echter Leidenschaft und Energie über meinen Plan. Ich wollte sie mitreißen!
Eine Woche später erfuhr ich am Telefon, dass der Ausschuss eine Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle für den neuen Wirtschaftskurs getroffen hatte. Zu meiner Überraschung fiel die Wahl des Einstellungskomitees auf mich! Ich versuchte, ruhig zu bleiben, aber die Gefühle überwältigten mich und ich begann, am Telefon vor der stellvertretenden Direktorin zu weinen. Schon wieder – wie peinlich! Ich war also ausgewählt worden, aber trotzdem musste ich noch alle Formalitäten erledigen und Zertifikate erwerben, um innerhalb von zwei Monaten die volle Qualifikation für den Unterricht im Staat Arizona zu erlangen. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich an die Dame denke, die die Ansprechpartnerin für meine Zertifizierung war. Zufällig hieß sie Roberta. Sie hat wohl noch immer Alpträume, dass ich jeden Tag in ihrem Büro auftauche. Ich brauchte eine Möglichkeit, alles abzukürzen, und sie musste herausfinden, wie ich mich im Handumdrehen zertifizieren lassen konnte. So viel Bürokratie! Ich nutzte jedes Schlupfloch im System aus, das ihr einfiel. Siehe da – eineinhalb Monate später spazierte ich mit meinem durch den großartigen Staat Arizona gestempelten und versiegelten Lehrerdiplom in das Büro des Schulleiters. Trotz aller Widrigkeiten konnte ich nun die Schlüssel für mein neues Klassenzimmer entgegennehmen – den Ort, an dem ich vermutlich den Rest meines Berufslebens verbringen würde.
Im folgenden Jahr erhielt ich einen staatlichen Zuschuss zur Förderung des Wirtschaftsunterrichts in der Sekundarstufe, durch den die Schüler die Mittel erhielten, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Einen Tag nachdem die Gelder eingegangen waren, fragte ich meine Schüler: »In welchem Bereich würdet ihr gerne unternehmerisch tätig werden?« Am nächsten Tag diskutierten wir darüber und die Mehrheit der Klasse entschied sich für die Fotografie. Diese Entscheidung würde noch meinen Lebensweg ändern. Ich hatte zu der Zeit nicht mal eine Vorstellung davon, wie man eine Kamera bedient. Mit dem Fördergeld kauften wir...