2 Mit Personal Kanban starten
Betrachten wir zunächst die einfachste Form von Personal Kanban, die erfahrungsgemäß für die Bedürfnisse der meisten Menschen ausreicht und bereits alles umfasst, was für einen Start mit dieser Methode erforderlich ist: Sie zeigt das Arbeitspensum an, beschränkt den »Work in Progress« (WIP), verdeutlicht den Arbeitsfluss und erleichtert die Priorisierung. Diese einfache Form stellt wirklich einen guten Ausgangspunkt dar, um mit Personal Kanban zu beginnen, und lässt sich dann auch so einrichten, dass sie für Ihre spezifischen Belange passt.
2.1 Schritt 1: Vorbereitung des Materials
I’ve never drawn the same kanban twice.1
Corey Ladas
Für Ihr erstes Personal Kanban können Sie ein Whiteboard benutzen oder eine Tafel, eine Pinnwand, ein Flipchart, ein einfaches Stück Papier, die Innenseite eines Ordners, Ihr Bürofenster, eine Kühlschranktür oder einen Computer. Verwenden Sie einfach irgendetwas, mit dem Sie sich die »Arbeit, die Sie erledigen müssen«, vor Augen führen können. Es gibt dazu keine vorgegebenen Schritte, keine offiziellen Bausätze und keine Rezepte. Sie müssen nur Ihr Personal Kanban an einem Ort anbringen können, an dem es für Sie jederzeit zugänglich und sichtbar ist.
Meine Empfehlung ist, mit einem Whiteboard, einigen wasserlöslichen Stiften und einem Stapel Haftnotizen zu beginnen.
Warum?
Ein Whiteboard bietet genau die richtige Balance zwischen Beständigkeit und Flexibilität. Ihr Personal Kanban wird sich genauso weiterentwickeln wie Ihr Verständnis für Ihre Arbeit. Der Kontext Ihrer Arbeit wird sich vielleicht verschieben, Projektarten werden sich ändern, Mitglieder Ihres Teams werden kommen und gehen. Sie werden Ihr Personal Kanban deshalb anpassen müssen, damit es sich weiter für Ihre Anforderungen eignet – zum Beispiel indem Sie neue Aufgaben abbilden, Schritte hinzufügen oder Ihre Arbeitsweise verfeinern. Sollten Änderungen notwendig werden, wischen Sie alles weg und malen Sie es neu, so wie Sie es gerade brauchen.
Vielleicht gehen Sie davon aus, dass Sie bereits Ihre Arbeit kennen, aber Sie haben bisher wahrscheinlich noch nie wirklich Ihre Arbeit in Aktion gesehen. Wenn wir unsere persönlichen Projekte auf dem Whiteboard abbilden, beginnen wir fast augenblicklich damit, sie zu bearbeiten. Ich habe das so bei Einzelpersonen, Gruppen und Firmen erlebt. Auf die Frage, ob sie ihre Arbeit wirklich kennen, reagieren einige sogar entrüstet: »Selbstverständlich verstehe ich meine Arbeit!« Und ihr Verständnis für die Arbeit ist auch immer fast richtig.
Fast.
Diese scheinbar kleine Abweichung verursacht aber alle möglichen Probleme. Es ist schwierig, auf etwas hinzuarbeiten, das man nicht ganz versteht. Ich habe Teammitglieder sich streiten sehen, weil sie eine geringfügig unterschiedliche Auffassung davon hatten, wie das Team insgesamt Nutzen für das Unternehmen erbringt. Da sie sich darauf nicht einigen konnten, basierte alles, was das Team tat, auf leicht unterschiedlichen Zusammenhängen. Das heißt, es gab immer kleine (oder nicht so kleine) Unterschiede in der Planung.
Solche Abweichungen wollen wir vermeiden und ein Verständnis für die Art und Weise aufbauen, wie wir arbeiten und kompetente Entscheidungen treffen. Denken Sie daran: Personal Kanban ist eine evolutionäre Methode und Ihr Umfeld und Ihre Arbeit können sich jederzeit verändern. Je intensiver Sie Personal Kanban einsetzen werden, desto mehr werden Sie es auf sich ändernde Gegebenheiten anpassen müssen.
Also enthält Ihre anfängliche Einkaufsliste:
Ein Whiteboard
Stifte (wasserlöslich, mittlere Größe)
Haftnotizen
2.2 Schritt 2: Ermitteln Sie den Wertstrom Ihrer Arbeit
Wertstrom: Der Arbeitsfluss vom Anfang bis zum Ende
Mit Personal Kanban erstellen Sie eine Art Landkarte Ihrer Arbeit. Die beschriebene Landschaft ist Ihr Wertstrom. Er stellt den Fluss Ihrer Arbeit von Anfang bis zum Ende bildlich dar.
Der einfachste Wertstrom ist: BEREIT (Arbeit, die darauf wartet, bearbeitet zu werden), IN ARBEIT (aktuelle Arbeit, WIP) und FERTIG (abgeschlossene Arbeit).
Personal Kanban passt sich den Änderungen des Lebens an. Denn Aufgaben ändern sich ständig, sei es im Umfang, in der Dringlichkeit, ihren Auswirkungen und auch bezüglich der »Kunden« (d.h., für wen Sie die Arbeit machen. Das können Ihr Chef, Ihr Partner, der Freundeskreis oder sogar Sie selbst sein). Mit solchen starken Schwankungen fällt es nicht leicht, das Ausmaß der Arbeit im Ganzen zu verstehen.
Personal Kanban hilft Ihnen, die Zusammenhänge zu erkennen und sich bewusst zu machen, was Sie alles tun und welchen Nutzen Sie daraus generieren. Vielleicht brauchen Sie noch zusätzliche Schritte, um eine Aufgabe abzuschließen. Kein Problem, die Anpassungsfähigkeit von Personal Kanban (in Verbindung mit wasserlöslichen Stiften) wird es Ihnen leicht machen, Ihren Wertstrom zu verändern.
2.3 Schritt 3: Erstellen Sie Ihr Backlog
Backlog: Arbeit, die Sie noch zu erledigen haben
Alles, was wir noch zu erledigen haben, ist unser Backlog. Wenn die zu erledigenden Aufgaben weder organisiert noch definiert sind, dann erscheint uns unser Backlog übermächtig und kaum zu bewältigen.
Das Backlog wirkt dann wie ein Felsbrocken auf unserer Brust, sodass uns die Luft wegbleibt, oder wie ein Monster unter unserem Bett, das uns an einem erholsamen Schlaf hindert. Jedes Mal, wenn wir eine Aufgabe erfolgreich beendet haben, tritt das Backlog wieder zum Vorschein und besteht darauf: Keine Zeit zu feiern, es ist noch so viel zu tun!
Wir neigen dazu, uns vor dem zu fürchten, was wir nicht verstehen. Wenn wir etwas nicht verstehen, können wir es nicht aus der Welt schaffen. Wenn unser Backlog – die Gesamtheit unserer persönlichen Ziele und Erwartungen – für uns eine Unbekannte ist und wir die Dinge fürchten, die wir nicht kennen, dann kann das auch heißen, dass wir uns vor unserem eigenen Erfolg fürchten.
Wenn unser Backlog nicht einsehbar oder in irgendeiner Form greifbar ist, werden unsere Entscheidungen selten auf Fakten basieren. Obwohl wir uns gerne von Gefühlen leiten lassen, ist es hier doch ratsam, bewusste Entscheidungen zu treffen, und dafür brauchen wir einen klaren Blick auf unsere Arbeit.
Fangen Sie nun damit an, Ihr persönliches Backlog zu füllen, indem Sie alles, was Sie erledigen müssen, auf Haftnotizen niederschreiben. Alles! Die großen und kleinen Aufgaben – schreiben Sie sie alle auf. Kehren Sie nichts unter den Teppich und lassen Sie nichts in einem Ordner mit der Aufschrift Morgen verschwinden. Wenn es sein muss, tapezieren Sie den Raum mit Haftnotizen. Sie müssen sich Ihrem »Arbeitsmonster« stellen, bevor Sie es zähmen können.
Später können Sie mehrere Aufgaben auf einer einzelnen Haftnotiz unterbringen oder farblich markieren, um das Backlog überschaubar zu gestalten. Aber beschäftigen Sie sich jetzt fürs Erste damit, die Aufgaben aus Ihrem Kopf auf die Haftnotizen zu bekommen. Das Erstellen Ihres ersten Backlogs dürfte eine unangenehme Erfahrung sein und vielleicht werden Sie auch daran verzweifeln: Es gibt viel zu viel zu tun! Aber lassen Sie sich sagen: Verweigerung zu überwinden, sich das Ausmaß der Arbeit einzugestehen und zu akzeptieren, dass man sich um all das kümmern muss, sind notwendige Schritte zu einem Verständnis Ihrer Arbeit.
Wenn Sie mit dem Aufstellen Ihres anfänglichen Backlogs fertig sind (ja, Sie werden weitere Aufgaben hinzufügen!), dann breiten Sie Ihre Haftnotizen in der Nähe Ihres Whiteboards aus. Wenn es zu viele sind, dann sind es eben zu viele. Die Realität kann hart sein. Später werden wir Wege aufzeigen, wie man das Backlog pflegt, aber zunächst lassen Sie es uns in all seiner Pracht betrachten.
Entscheiden Sie nun, welche Aufgaben als erste erledigt werden müssen, und ziehen Sie sie in Ihre BEREIT-Spalte auf dem Whiteboard. Wenn Sie wollen, können Sie ein Limit über Ihre BEREIT-Spalte schreiben, also wie viele Notizen insgesamt nur in der Spalte erscheinen dürfen. Ansonsten können Sie sie füllen oder gestalten, wie es für Sie am besten passt.
2.4 Schritt 4: Legen Sie Ihr WIP-Limit fest
WIP-Limit (Work in Progress, aktuell angefangene Arbeit): Der Anteil der Arbeit, den Sie zu einem Zeitpunkt gleichzeitig erledigen können
Egal wie motiviert wir sind, uns allen passiert es, dass wir Aufgaben halbfertig oder sogar fast fertig liegen lassen, sie also nicht wirklich FERTIG sind. Üblicherweise fällt uns das nicht auf, weil nicht alle Aufgaben gleichermaßen sorgfältig, aufmerksam oder in Voraussicht bearbeitet werden. Wenn wir unsere Arbeit nicht visuell darstellen, fällt es uns schwer abzuschätzen, wie viele angefangene Aufgaben sich inzwischen angehäuft haben. Wir verlieren den...