3 Prinzipien der Osteopathie
3.1 Grundlagen
Insgesamt ist die Osteopathie ein in sich geschlossenes Medizinsystem, das den Prinzipien angewandter Anatomie, Physiologie und Pathologie folgt. Die osteopathische Behandlung folgt dabei den von Still entwickelten Prinzipien:
Der Körper ist eine Einheit.
Er ist immer als Ganzes an Gesundheit und Krankheit beteiligt.
Der Körper verfügt über innewohnende Heilungskräfte.
Struktur und Funktion stehen in gegenseitiger Abhängigkeit.
Die Osteopathie bedient sich zur Diagnose und zur Therapie der Hände. Ihr Ziel ist die Wiederherstellung der Mobilität und damit auch der Möglichkeit zur Selbstheilung. Der Weg dazu führt über die Struktur des Körpers. Strukturelle Störungen oder Mobilitätseinschränkungen haben Fernwirkungen auf alle Körpersysteme. Die Osteopathie umfasst die Beschäftigung mit allen Körperstrukturen: knöchernes Skelett, Muskeln, Faszien, innere Organe, endokrine Drüsen usw. Im Gegensatz zur Chiropraktik werden mit sehr geringem Kraftaufwand Dysfunktionen in Gelenken und anderen Gewebestrukturen korrigiert.
Die harmonisierenden Techniken der Osteopathie werden langsam, sanft und unter ständiger Beachtung der Gewebereaktion durchgeführt. Die sanfte Behandlung zielt darauf ab, neurovaskuläre, neuromuskuläre und neuroendokrine Regulationsmechanismen in Gang zu setzen und damit die Selbstheilung zu ermöglichen. Darüber hinaus wirkt sich die Behandlung auf das emotionale Wohlbefinden aus, wenn Körperspannungen gelöst werden, die mit seelischen Traumata korrespondieren.
Die osteopathische Therapie bezieht immer das ganze Lebewesen in die Behandlung ein: Sie versucht, dem Patienten in seiner körperlichen, emotionalen und geistigen Einzigartigkeit gerecht zu werden und das Behandlungsziel gemeinsam mit ihm zu erreichen.
3.2 Grundsätze und Regeln
„Bewegung ist Leben.“ So lautet ein wichtiger Grundsatz der Osteopathie.
Bewegung ist Ausdruck von Lebenskraft, die sich als das Funktionieren des Körpers äußert. Allgemein verstehen wir unter der Beweglichkeit des Körpers die Motorik des gesamten Bewegungsapparates, die Atmung, den Herzschlag usw.
Der Osteopath überprüft, ob sich alles optimal bewegt. Von Bedeutung ist also nicht so sehr die Form eines Gelenks oder des Gewebes, sondern vielmehr wie es sich bewegt und wie es lebt. Der Therapeut setzt zur Untersuchung und zur Therapie ausschließlich seine Hände ein und beachtet dabei die folgenden Regeln:
3.2.1 Wechselbeziehung Struktur – Funktion
Strukturelle Störungen ziehen Funktionsstörungen nach sich. Da die verschiedenen Strukturen des Körpers (knöcherne, muskuläre und viszerale, das heißt die inneren Organe betreffende) zusammenarbeiten, können sich Störungen der einen Struktur auf eine andere auswirken. Ein Beispiel, wie sich die Funktion auf die Struktur auswirkt, ist das Überbein: Eine Veränderung der Belastung (Funktion) bewirkt falsche Spannungsverhältnisse der Muskeln und Faszien und ein Knochen bildet zur Stabilisierung ein Überbein (Struktur).
3.2.1.1 Arterielle Regel
Eine Störung der Versorgung mit Flüssigkeit (Blut, Lymphe, Liquor) wirkt sich negativ auf die Funktion des unterversorgten Organs aus.
3.2.1.2 Gesamtheit des Körpers
Defekte in einem bestimmten Bereich des Körpers können sich auf den Gesamtorganismus auswirken.
3.2.1.3 Fähigkeit zur Selbstheilung
Ziel des Therapeuten ist es, durch gezielte Stimulation die vorhandenen Blockierungen zu lösen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren, um ihn auf Dauer zu stärken.
3.3 Erstellen der Diagnose
Die Feststellung von Störungen des Bewegungsapparates beim Pferd ist schwierig. Röntgenaufnahmen zeigen oft nicht alle Probleme. Vor allem geringfügige, aber oft schon schmerzhafte Veränderungen wie Wirbel- und Beckenblockierungen oder arthrotische und arthritische Prozesse sind auf dem Röntgenbild nicht oder erst spät erkennbar. Muskel-, Sehnen- und Faszienprobleme sind weder durch Röntgenaufnahmen noch durch Ultraschall oder andere bildgebende Verfahren festzustellen.
Die schulmedizinischen Untersuchungen wie Blut-, Urin- und Kotuntersuchungen, Röntgen- und Ultraschalldiagnostik müssen natürlich unbedingt zur Klärung der Krankheitsursache herangezogen werden. Jedoch stehen uns weitere einfache und aussagekräftige Methoden zur Verfügung. Zu diesen zählen unter anderem:
Anamnese
Adspektion (Beobachtung von Haltung, Haut, Muskeln, Bewegungsablauf usw.)
Diagnose durch Palpation (Abtasten zum Feststellen von Verspannungen und Verhärtungen)
Diagnose durch Triggerpunkte
Mobilitätstest
diagnostische Akupunktur (Hinweis- und Diagnosepunkte)
3.4 Anamnese
Jede Störung im Bewegungsapparat bereitet früher oder später Schmerzen. Doch im Gegensatz zu uns Menschen kann das Pferd sie nicht verbalisieren. Wir sind auf unsere eigenen Beobachtungen und die Beobachtungen der Besitzer angewiesen. Das größte Problem besteht darin, dass viele Pferdebesitzer selbst gravierende Probleme nicht erkennen und die Tiere für ihre Schmerzreaktionen sogar bestrafen. Nur wenn Probleme erkannt werden, kann auch für deren Lösung etwas getan werden.
Genaues Befragen ist deshalb der erste Schritt der Behandlung. Der folgende Fragenkatalog listet alle Fragen auf, die dem Besitzer gestellt werden sollten ( ▶ Tab. 3.1). Er ist zwar zeitaufwendig, erleichtert aber das Stellen der richtigen Diagnose.
Um effektiv therapieren zu können, ist eine genaue Diagnostik erforderlich.
Tab. 3.1 Fragenkatalog zur Anamnese.
Zu welchem Zeitpunkt begannen die Symptome? Was war zu dieser Zeit? Ein Wettkampf oder vielleicht ein Stallwechsel? | – |
Wie wird das Pferd eingesetzt? Welche Muskeln oder Muskelgruppen werden besonders beansprucht? | |
Woher kommt das Pferd? Was hat es erlebt? | |
Zeigt das Pferd Schmerzreaktionen? Macht das Pferd beim Satteln oder Putzen den Rücken hohl oder wölbt es ihn extrem auf? Legt es bei bestimmten Tätigkeiten die Ohren an? Zuckt es beim Putzen zusammen? | |
Hat das Pferd sogenannte „Untugenden“? | Weben und Koppen sind meist Ausdruck von Schmerzen oder Verspannungen in der oberen Halswirbelsäule. Auch Langeweile kann eine Ursache sein. Die Diagnose „Langeweile“ sollte aber erst gestellt werden, wenn alle strukturellen Ursachen behoben sind. Kopfschlagen und Kopfschütteln können...
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