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E-Book

Pferdefütterung

AutorIngrid Vervuert, Manfred Coenen
VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl488 Seiten
ISBN9783132417793
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis94,99 EUR
Umfassend. Unabhängig. Unverzichtbar. Wie ernähre ich Pferde, damit sie gesund und leistungsfähig bleiben? Die Experten Ingrid Vervuert und Manfred Coenen wissen, worauf es ankommt. In diesem Buch haben sie alles Wissenswerte zur Pferdefütterung zusammengestellt und geben neben vielen Praxistipps konkrete Versorgungsempfehlungen. Erfahren Sie, wie Sie die Fütterung je nach Alter, Rasse, Geschlecht und Nutzung des Pferdes optimal anpassen. Gehen Sie auch bei der Ernährung von kranken oder außergewöhnlich stark belasteten Pferden auf Nummer sicher. Hier lesen Sie, was in diesen besonderen Situationen wichtig und zu beachten ist. - Grundlagen zu Physiologie, Ernährung sowie Energie-, Nährstoff- und Strukturstoffbedarf - Futtermittel und mögliche Schadwirkungen - Regeln zur Sicherstellung einer adäquaten Energie- und Nährstoffversorgung - Versorgungsempfehlungen für Energie, Makronährstoffe, Spurenelemente und Vitamine - spezielle Fütterungsempfehlungen für ältere Pferde, Arbeitspferde, Stuten, Deckhengste, Fohlen sowie Ponys und Kleinpferde - Fütterungshinweise bei Krankheiten, Störungen sowie perioperativ Neu: Eckpunkte einer pferdegerechten Rationsgestaltung, Mykotoxine in der Pferdefütterung sowie zahlreiche neue Fütterungsrezepturen für spezielle Problemstellungen

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Leseprobe

1 Vom Laubfresser zum „Hafermotor“


Manfred Coenen, unter früherer Mitarbeit von Helmut Meyer †

1.1 Entwicklung des Pferdes


Frühgeschichte Der Stammbaum des Pferdes beginnt vor rd. 60 Mio. Jahren im Eozän, in der Morgenröte der Erdneuzeit. In riesigen, weit über die heutige Verbreitung hinausgehenden tropischen Regenwäldern der Alten und Neuen Welt lebte ein etwa fuchsgroßes Säugetier (Hyracotherium, frühere Bezeichnung Eohippus) mit 4- bzw. 3-strahligem Fuß, aus dem auf manchen Wegen und Umwegen vor rd. 3 Mio. Jahren Equus ferus, das Wildpferd, entstand.

Über die Ernährung der Pferdevorfahren wüssten wir wenig, wenn nicht zahlreiche fossile Knochen (u.a. Schädel mit vollständigem Gebiss) Rückschlüsse zuließen. Aus der Zahnform kann abgeleitet werden, dass Hyracotherium vor allem Laubfresser war, aber wohl auch Früchte und Samen genutzt hat. Dies zeigen Funde in der Ölschiefergrube Messel bei Darmstadt: Im Magen eines Urpferdes waren noch Blätter (vermutlich von Lorbeergewächsen) zu erkennen.

Als sich im Laufe der Erdgeschichte das Klima änderte und die weit nach Norden reichenden tropischen Regenwälder Busch- und Grassteppen wichen, hat sich Hyracotherium offenbar an die neue Gelände- und Futtersituation anzupassen versucht. Durch Entwicklung zum Einhufer unter stetiger Vergrößerung des Körpers entstand über Mesohippus und Merychippus schließlich ein typisches Fluchttier für offene Landschaften.

Parallel dazu vergrößerten und verbreiterten sich die Backenzähne. Ihre Kaufläche wurde rauer, denn durch seitliche Einfaltung des Zahnschmelzes entstanden auf der Kaufläche gewundene Leisten, zwischen denen sich weicheres Material aus Dentin und Zement ( ▶ Abb. 3.4) einlagerte. So konnten ohne übermäßigen Abrieb die harten, teilweise verkieselten Gräser fein zermahlen werden. Die Entwicklung der hochkronigen Zähne (Hypsodontie) vor rd. 15 Mio. Jahren war ein essenzieller Prozess in der Anpassung an die sich ändernde Nahrungsgrundlage; die Gräser mit ihren spezifischen Phytolithen bedingten eine besonders harte Zahnoberfläche, die bei Grasland bewohnenden Equiden mit Riefen und Rillen anders aussehen als bei Laubfressern ( ▶ Abb. 1.1).

Abb. 1.1 Entwicklung der Hypsodontie bei Equiden (Angabe der Relation von Kronenhöhe zu Kronenbreite) als Anpassung an die Ausdehnung des Graslandes (Abb. basiert auf Daten aus Shockey 1997 zit. nach MacFadden 2000).

Die Veränderungen im Kopfskelett, die neben dem Gebiss auch die Winkelung des Unterkiefers und Ausformung des Kiefergelenks betreffen, belegen die Anpassung an ein anderes Nahrungsspektrum, für das ein quetschender, mahlender Kauvorgang günstiger ist als bei den Vorläufern.

Vermutlich hat sich im Laufe der Entwicklung auch der Dickdarm, in dem faserig pflanzliches Material mit Hilfe von Mikroben aufgeschlossen werden kann, weiter vergrößert. Die Entwicklung der Körpergröße war mit der Vergrößerung des Dickdarmes assoziiert; nur so konnte der Energiebedarf mittels Fermentation gedeckt werden. Das bedeutet zugleich, dass die morphologische Anpassung an die gleichzeitige Adaptation der Mikroflora gebunden war. Metagenomische Analysen (Erfassen des tiereigenen Genoms und der zugehörigen Darmflora) belegen die Koevolution wie auch die Unterschiede zu omnivoren und herbivoren Spezies mit einer Vormagenfermentation. Die Beziehungen zwischen dem intestinalen Mikrobiom und der immunologischen Kompetenz des Magen-Darm-Traktes deuten auf eine evolutionär abgestimmte Bedingung hin und veranlassen zu einer ganzheitlichen Sicht auf die authochtone Intestinalflora und Leistung der Darmwand.

Die Trennung des Wildpferdes (Equus ferus przewalski) und des Hauspferdes (Equus ferus caballus) sowie der Esel erfolgte nach jüngsten genomanalytischen Arbeiten offenbar früher als bislang angenommen (38000–72000 J. v. u. Z.), offenbar initiiert durch weitere Diversifikation der Nahrung.

Der erfolgreichen allmählichen Anpassung an die Veränderung des Nahrungsspektrums mittels eines differenziert aufgebauten Verdauungskanals verdankt das Pferd seine Fähigkeit, unterschiedliche Futtermittel – nach intensiver Zerkleinerung durch den Kauvorgang – zu verdauen: konzentrierte Stoffe wie Zucker, Stärke, Eiweiß und Fett durch körpereigene Enzyme im Magen und Dünndarm, Kohlenhydrate aus Gerüstsubstanzen der pflanzlichen Nahrung mit Hilfe mikrobiell gebildeter Enzyme im Dickdarm. Die im Jahresverlauf in Steppe und Wald anfallenden unterschiedlichen Futtermittel (junges und überständiges Gras, auch Laub, zuckerreiche Früchte, stärke- und fettreiche Samen) konnten optimal genutzt werden. Von Vorteil ist, dass Pferde wertvolle Inhaltsstoffe im jungen Gras direkt nutzen, indem sie es zwischen den Backenzähnen ausquetschen und die löslichen Stoffe im Dünndarm verdauen und die Gerüstsubstanzen dem mikrobiellen Aufschluss überlassen.

Diese Vielseitigkeit, verschiedene Pflanzeninhaltsstoffe zu verwerten, geht aber auf Kosten der Effizienz in der Ausnutzung spezieller Stoffe, besonders der pflanzlichen Fasern. Ein Vergleich der Verdauungskapazität von Pferden und Wiederkäuern zeigt, dass das Pferd typische Produkte der Gras- und Waldsteppe mit hohem Rohfasergehalt, wenig hochwertigem Eiweiß und geringen Mengen an Zucker, Stärke oder Fetten nicht so gut verdaut und verwertet wie Wiederkäuer, aber diesen Nachteil durch eine höhere Futteraufnahme mehr als kompensiert und daher je Zeiteinheit mehr Nährstoffe aus der Nahrung extrahiert als der Wiederkäuer. Ferner ist zu betonen, dass Einhufer selektiv grasen, d.h. Pflanzen und Pflanzenteile nach den Inhaltsstoffen differenzieren können.

Altertum Mit der Domestikation hat sich die Ernährung des Pferdes zunächst wenig geändert, d. h., das Pferd musste mit dem natürlichen Futter (Gras, Laub etc.) auskommen. Eine systematische Futterkonservierung (Gras-, Laubtrocknung) zur Überbrückung futterarmer Zeiten hat – wie die noch bis vor einigen Jahrhunderten in diesem Raum übliche Praxis zeigte – wohl kaum eine Rolle gespielt. Die ersten Hauspferde blieben also, ähnlich wie die Wildpferde, den üblichen jahreszeitlichen Rhythmen im Futterangebot ausgesetzt.

Als im Laufe des 2. Jahrtausends v. Chr. das Pferd auch in den alten Kulturlandschaften des Vorderen Orients – zunächst im Zweistromland, später auch in Ägypten – Fuß fasste, wurde es intensiver und systematisch genutzt: als Tragtier, vor dem Wagen, später auch als Reittier; letzterer Nutzungstyp hat vermutlich aber erst sehr viel später durch die Erfindung der Steigbügel in China entscheidende Impulse erfahren (ältestes Paar Steigbügel in Grabbeigaben datieren aus 322 n. Chr.). Aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. sind Berichte über massierte Pferdehaltung an königlichen Höfen im Vorderen Orient überliefert. So soll König Salomo (965–926 v. Chr.) in Israel zeitweilig 12000 Reit- und 4000 Wagenpferde besessen haben. In der großen Kampfwagenschlacht von Kadesh zwischen Hethitern und Ägyptern (1299 v. Chr.) waren auf hethitischer Seite rd. 7000 Pferde beteiligt.

Die intensivere Nutzung des Pferdes zwang zweifellos zu einer besseren Futterauswahl und Fütterungstechnik, da

  • mit steigenden Leistungen der zunehmende Energiebedarf nicht mehr allein über Raufutter oder Gras gedeckt werden konnte,

  • das Pferd bei ausschließlicher Gras- und Raufutterzuteilung durch die lange Futteraufnahmezeit nur begrenzt nutzbar war,

  • einseitiges Angebot voluminöser Futtermittel die Leistungsfähigkeit einschränkte,

  • bei massierter Pferdehaltung in futterarmen Gebieten die logistischen Probleme nur durch zusätzlichen Einsatz konzentrierter, energiereicher und lagerfähiger Futtermittel zu lösen waren.

Wenn auch im Vorderen Orient die Luzerne ein relativ energiedichtes Futtermittel lieferte, begann im Laufe des 2. Jahrtausends v. Chr. die Fütterung mit Getreidekörnern, wie aus dem Kikkuli-Text (14. Jahrhundert v. Chr.) über Fütterung und Training der hethitischen Kampfwagenpferde hervorgeht (vom 167. Trainingstag heißt es z.B.: „Sobald man die Pferde ausspannt, versorgt man sie mit Wasser, dann vermischt man ihnen 3 Hand Weizen, 2 Hand Gerste und 5 Hand Heu ...“). Darstellungen von Pferden wie auf einem assyrischen Relief aus der Zeit um 700 v. Chr. (Louvre, Paris) bestätigen diese Art der Fütterung.

Da höhere Leistungen des Pferdes als Zug- und Tragtier von der Verfügbarkeit konzentrierter Futtermittel abhängen, konnte es erst mit dem Übergang vom Nomadentum zum Ackerbau intensiver genutzt werden. Im mediterranen Raum hat sich die Pferdefütterung im 1. Jahrtausend v. Chr. nach schriftlichen Belegen in dieser Richtung weiterentwickelt und differenziert. Im römischen Reich wurden Pferde nicht allein wegen ihrer militärischen...

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