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E-Book

Powerfrauen

Die neuen Vierzigjährigen

AutorRegine Schneider
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl188 Seiten
ISBN9783105602027
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
In der Generation der heute 35- bis 45jährigen Frauen zeichnet sich eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Älterwerden ab. Sie entdecken die Mitte des Lebens als eine Phase voller Herausforderungen, die zweifellos vorhandenen Krisen, Umbrüche, Neuanfänge müssen endlich nicht mehr schöngeredet werden. ?Powerfrauen? ziehen selbstbewußt Bilanz. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Regine Schneider, freischaffende Journalistin und Sachbuchautorin, wurde 1952 in Bochum geboren.

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Leseprobe

Nicht nur meine persönliche Geschichte


Meinen 40. Geburtstag verbringe ich allein. Nicht, weil ich es so will. Mein Lebensgefährte ist auf einer Dienstreise und – obwohl er es mir versprochen hat – nicht pünktlich zurückgekehrt. Noch warte ich. Und hoffe, daß er vielleicht doch …? Mit Verspätung? Nein, er kommt nicht.

Dabei hatte ich ihn sehr gebeten, diesmal pünktlich zurück zu sein. Immerhin ist der 40. Geburtstag nicht irgendein Geburtstag. Ich hatte mir ausgemalt, wir gehen abends gemütlich essen und reden mal wieder in Ruhe. Hatten wir ewig nicht gemacht. Dreimal hatte ich noch nachgefragt, als ob er davon zuverlässiger würde: »Wirst du auch bestimmt kommen?« Bekam dreimal zu hören: »Natürlich bin ich zu deinem Geburtstag zurück.« Aber wie schon so oft stellte er mich in letzter Minute vor die Tatsache, daß er erst einen Tag später wiederkommen kann.

Ich fühle mich sehr verletzt. Und bin sauer.

Stinksauer. Hadere mit mir, meiner Beziehung, mit der ganzen Welt. Großer innerer Aufruhr: »Unzuverlässiger Kerl, sogar an meinem Geburtstag, hättest du nicht dieses eine Mal …« Ich schäume. Und zum zigstenmal vollziehe ich in meiner Phantasie unsere Trennung. Male mir aus, wie ich ihm bei seiner Rückkehr die Koffer vor die Tür setze. Ärgere mich gleichzeitig über mich, weil ich wieder den Kampf gegen Windmühlenflügel gesucht und verloren habe. Obwohl ich es im Grunde besser weiß. Aber es geht mir schlecht, ich kann an nichts anderes denken. Ich hatte mir diesen Geburtstag so schön ausgemalt, und nun das.

Meine ganzen Erwartungen – mal wieder eine Seifenblase. Gleichzeitig beginne ich zu denken, und je mehr ich denke, desto klarer wird mir, es ist ein immer wiederkehrendes Muster, eine immer wiederkehrende Situation. Ich habe Wünsche, Forderungen, Erwartungen. Aber sie werden von meinem Partner nicht erfüllt. Die Folge: Ich habe das Gefühl, er tritt meine berechtigten Bedürfnisse mit Füßen. Und ich frage mich zum tausendstenmal, warum gerate ich immer wieder an Männer, die so mit mir umgehen? Was mache ich falsch? Warum falle ich immer wieder darauf rein? Warum immer wieder die gleichen Situationen – in Variationen, mit verschiedenen Partnern?

Ich denke lange nach über unzuverlässige Partner, die mich warten lassen, die meine Gefühle und meine Wünsche nicht achten, die nicht zuhören, wenn ich etwas sage. Und mir wird deutlich, daß ich das Gefühl von Kindheit an kenne. Dieses Hinterherrennen nach Liebe, Achtung, Aufmerksamkeit. Immer wieder ein neuer Anlauf, immer wieder abgeschmettert.

Gleichzeitig immer der Eindruck, ich bin »verkehrt«, wenn ich mehr fordere, als ich bekomme. Was wurde immer gesagt, wenn ich protestierte? Ich sei kleinlich, bausche »Nichtigkeiten« auf, sehe alles übertrieben. Setze den anderen »unter Druck« mit meinen hohen Erwartungen. Bin ich wirklich so verkehrt, wenn ich mir wünsche, an meinem 40. Geburtstag nicht allein zu sein? Oder habe ich mir den falschen Partner dafür gesucht? Und wenn ja, warum?

Oder hätte ich selbst etwas anders machen sollen? Es kommen viele Situationen hoch, wo meine Gefühle, meine Bedürfnisse übergangen wurden. Alltagssituationen. Mir fällt ein, wie oft in der Vergangenheit andere Dinge viel wichtiger waren, als das, was ich zu sagen hatte. Oder die dauernde Unzuverlässigkeit. Verabredungen, die nicht pünktlich eingehalten werden. Wie viele Stunden meines Lebens habe ich allein, mit Warten auf einen Mann verbracht, der nicht zum verabredeten Zeitpunkt kam. Und damit, dafür zu kämpfen, daß meine Wünsche geachtet, respektiert werden. Mit Wutanfällen und Krächen. Mit Stänkern und Meckern.

Liegt es an meinen falschen Erwartungen? Mir wird klar, daß ich mehr Energie in den Versuch investiere, meine Partner zu verändern, zu formen wie ich sie lieber hätte, als etwas für mich zu tun.

Und endlich fällt der Groschen. Warum gehe ich so mit mir um? Das ist der Punkt. Zu solchen Situationen gehören zwei. Ich bin ja nicht nur Opfer! Warum suche ich immer solche Situationen? Warum konstruiere ich immer wieder solche Situationen?

Wie ich das kenne. Dieses alte Muster: Ich kämpfe um Anerkennung, Liebe, Achtung, Beachtung. Ich möchte, daß meine Gefühle gehört und respektiert werden. Aber wähle ich die richtigen Mittel? Will ich vielleicht etwas erzwingen, was so gar nicht geht?

An meinem 40. Geburtstag entscheide ich, ich will es nicht mehr. Ich will mich nicht mehr davon abhängig machen, ob mein Partner kommt oder nicht kommt, gut oder schlecht für mich sorgt. Ab sofort werde ich selbst für mich sorgen.

Ich hätte zum Beispiel Freunde zum Geburtstagskaffee einladen können, anstatt das ganze Fest von einem einzigen Menschen abhängig zu machen, der weit weg auf einer Dienstreise ist. Ich hätte ja ohne ihn feiern können. Unabhängig von ihm. Wenn er gekommen wäre, schön. Und wenn nicht, feiere ich auch. Und bin auch ohne seine Anwesenheit glücklich. Mir wird klar, wie sehr ich die Erfüllung meiner Wünsche von meinem Partner abhängig mache. So machen es Kinder. Als Kind ist man abhängig. Darauf angewiesen, daß Erwachsene für uns sorgen. Und wenn zu viele Wünsche nach Liebe, Aufmerksamkeit und Achtung unerfüllt bleiben, bekommt man ein Defizit. Aber ich bin ein erwachsener Mensch. Ich kann inzwischen selbst für mich sorgen, könnte mir das Leben selbst angenehmer gestalten. Ich muß nicht auf andere warten. Und ich muß auch nicht mehr hinter unerfüllten Kinderbedürfnissen herlaufen. Heute könnte ich andere Verhaltensweisen wählen. Aber ich warte und hoffe immer noch, wie als Kind. Plötzlich ist mir dieses alte vertraute Muster klar. Und auch, daß ich es in der Hand habe, es zu ändern.

Ein amerikanisches Sprichwort sagt: »Love it, change it or leave it.« Aber diesmal verlasse ich nicht meinen Partner, wie früher, wo ich Männer immer nach drei, vier Jahren ausgewechselt habe. Ent-täuscht vom Gegenwärtigen und in der Hoffnung, dann den Richtigen zu finden. Beim nächsten wird alles anders. Der nächste Mann wird meine Wünsche erfüllen. Ich bin entschlossen, mein altes Muster zu verlassen. Es wird nämlich auch klar: Es bringt nichts, ständig den Partner zu wechseln. Wenn ich mich nicht verändere, werde ich mit kleinen Variationen immer wieder bei dem gleichen Typ landen. Franz Lautenschläger, der Begründer der Wellness-Bewegung, schreibt: »Man bekommt immer nur das, was man selbst einbringen kann. Es kommt nur der Partner, der ein Spiegelbild zu einem selbst darstellt.«[1] Ich fange jetzt bei mir an. Ich verändere mein Verhalten.

Nach meinem Geburtstagserlebnis werde ich immer aufmerksamer. Lerne immer besser, Entscheidungen für mich zu fällen. Unabhängig von meinem Partner Dinge zu tun, die mir guttun. Ich fange an, selbst dafür zu sorgen, daß meine Wünsche erfüllt werden. Ich lerne, mich ernst zu nehmen. Und daß es mich nicht weiterbringt, darauf zu hoffen, daß einer kommt, der meine Wünsche erfüllt. Es gibt keinen Märchenprinzen, der mir meine Wünsche von den Augen abliest. So werde ich mit der Zeit von Entscheidungen und Beurteilungen anderer immer unabhängiger. Inzwischen habe ich eine große innere Freiheit erlangt, und mir ist klar geworden: Männer haben sich mir gegenüber so lange entsprechend verhalten, bis ich hinter meine Muster gekommen bin. Ich habe ihnen unbewußt angeboten, meine Forderungen nicht ernst zu nehmen. Ich habe herausgefordert, daß oft weggehört wurde – weil ich mich selbst nicht ernst nahm.

Inzwischen kann ich für mich sorgen, für mich entscheiden. Ich habe gelernt, unabhängig zu sein und mir mehr zu trauen als den Urteilen anderer. Habe gelernt, mich in mir erfüllt und sicher zu fühlen. Und noch etwas habe ich gelernt. Etwas sehr Wichtiges für eine Partnerschaft: ohne Angst allein zu sein. Keine innere Leere mehr zu spüren, die ein Partner füllen muß. Meine wichtigste Erfahrung dabei: Seit ich solche Unabhängigkeit ausstrahle, solche Selbstverständlichkeit, reagiert mein Partner anders. Der, der immer so unzuverlässig war.

Es war ein langer Lernprozeß, der nicht nur meine Partnerschaft, sondern auch andere Bereiche meines Lebens betrifft. Noch vor fünf Jahren war ich ein Mensch, der weit von dem entfernt war, was er wirklich wollte. Dieses Gefühl zog sich durch mein ganzes Leben. Ich war nicht nur ständig darauf aus, meine Zeit zu verplanen, damit ich nicht mit mir allein sein mußte. Ich habe auch oft nur funktioniert, mich Normen angepaßt, getan, was man von mir forderte. Auf meine eigenen Gedanken, Ideen und Gefühle zu hören, hatte ich nicht gelernt. Ich wußte gar nicht, wie das geht. Und es gab Gefühle, die durften gar nicht hochkommen. Die habe ich verdrängt. Wut, Trauer, Tränen. Das alles hatte nicht stattzufinden. Das hatte geschluckt zu werden. Ich war ein braves Mächen, das alles tat, um geliebt zu werden. Das geglaubt hat, wer brav ist und artig tut, was von ihm verlangt wird, wird gemocht und geliebt. Wer wütend ist und das zeigt, wird abgelehnt. Und ich war ein starkes Mädchen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Es tat sehr weh, als das brav-starke Mädchen festgestellt hat, daß es keineswegs geachtet wird, obwohl es sich immer sehr bemühte, sich anzupassen.

Bis ich 36 Jahre alt war, war ich überzeugt davon, »verkehrt« zu sein. Habe meinen Eltern, meinen Partnern, meiner Umgebung geglaubt, die immer, wenn ich gegen ihre Normen verstieß, urteilten: »Sie stellt sich mal wieder quer. Sie tanzt mal wieder aus der Reihe. Das ist nicht richtig. Sie ist ein schwarzes Schaf.« Der Ausbruch aus meinem beengenden Rahmen begann sich abzuzeichnen, als ich – ich...

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