1.1 Verkündigung ist Verkündigung des Wortes Gottes
„Liebe Gemeinde“, sprach der Pfarrer, nachdem er die Kanzel erklommen hatte, „heute fällt die Predigt aus, denn ich muss euch etwas sagen!“
Predigt ist Wort Gottes und damit weit mehr als nur ein paar Worte, die nichts zu sagen haben. Bei Verkündigung geht es um das Leben, um die Hauptsache, darum, dass Menschen gerettet werden. Verkündigung spricht direkt ins Leben hinein und möchte Begegnung mit Gott, Veränderung und Glauben im Leben der Angesprochenen bewirken. Denn „der Glaube [ist] aus der Verkündigung, die Verkündigung aber aus dem Wort Christi“ (Röm 10,17 Elb). Für Paulus war klar: Ohne Verkündigung gibt es keinen Glauben. Deshalb ist er auch durch das römische Reich gereist, um den Menschen von Jesus zu erzählen, mit Worten und auch mit Taten. Damit erfüllt er den Auftrag, den Jesus seinen Nachfolgern mitgegeben hat, kurz bevor er in den Himmel aufgenommen wurde. Zu Beginn der Apostelgeschichte wird beschrieben, wie Jesus seine Jünger mit folgenden Worten verlässt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8). Jesus macht hier deutlich, dass Verkündigung 1. ein Bezeugen dessen ist, was wir erlebt und gesehen haben, und 2. nur durch die Kraft des Heiligen Geistes geschieht.
Bezeugen
Die ersten Jünger waren Zeugen. Es gab noch keine ausgearbeitete Lehre. Dreieinigkeit oder Offenbarungstheologie waren bei den ersten Christen in Ansätzen vorhanden, aber noch lange nicht so ausdifferenziert, wie wir sie heute haben. Was die erste Generation Christen hatte, waren Erlebnisse mit Jesus. So erzählten sie, was sie gemeinsam mit Jesus erlebt hatten. Sie gaben Zeugnis in Wort und Tat, wie die Begegnung mit Jesus ihr Leben verändert hatte, und erzählten von der Hoffnung, die ihnen ihr Glaube an den auferstandenen Christus gab.
Schauen wir uns zum Beispiel die Pfingstpredigt des Petrus an (Apg 2,14-36). Nachdem Petrus sich und die anderen Jünger von dem Vorwurf, betrunken zu sein, befreit hatte, fing er an, von dem zu erzählen, was er gesehen und erlebt hatte. Er erzählte von den machtvollen Taten, den Zeichen, die Jesus getan hatte. Er erzählte, wie es geschehen war, dass Jesus gekreuzigt wurde. Aber es ging weiter: Jesus war auferstanden. Abschließend, in den Versen 26 bis 28, bekommt die Predigt eine zutiefst persönliche Note: Petrus erzählte von den Konsequenzen, die all das, was er vorher berichtet hatte, für ihn und sein Leben hat. Petrus argumentierte im Weiteren mit den Heiligen Schriften, dass eben alles so kommen musste, damit diese erfüllt würden. Damit bewegte sich Petrus genau im Erfahrungshorizont der Menschen im Tempel, vor denen er diese Rede hielt.
Die Heilige Schrift, für uns heute die Bibel, ist für die meisten Menschen aber nicht mehr der Erfahrungshorizont, sodass persönliche Erfahrungen und alltägliche Erlebnisse eine viel größere Bedeutung bekommen, um die gute Nachricht zu verkünden (das soll kein Plädoyer gegen die Relevanz der Bibel in der Verkündigung sein, sondern für eine persönliche und alltägliche Note). Wir brauchen in unserer Verkündigung persönliche Erlebnisse, die unseren Hörerinnen und Hörern bekannt vorkommen. Wir müssen wieder mehr von dem reden, wie Jesus unser Leben ganz konkret verändert.
Der Heilige Geist
Der Heilige Geist, der auf uns kommen wird: Nicht wir sind die handelnde Kraft der Verkündigung, sondern es ist der Geist Gottes. Er bewirkt, dass Menschen zum Glauben kommen. Es steht nicht in unserer Macht, dass Menschen von unserer Verkündigung angesprochen werden, genauso wenig wie es in unserer Macht steht, dass Menschen durch unsere Predigt zum Glauben kommen. Stattdessen wird immer wieder betont, dass allein Gott dies bewirken kann. Johannes 15,1-5 verdeutlicht, dass es der Rebe (also uns) unmöglich ist, ohne den Weinstock (Jesus) Frucht zu bringen. Wir können ohne Gott keine Frucht in der Verkündigung bringen. Darum spielt es eine entscheidende Rolle, dass wir als Verkündigerinnen und Verkündiger mit Gott verbunden bleiben. Deshalb ist es für uns als Verkündigerinnen/Verkündiger, sowohl haupt- als auch ehrenamtlich, von höchster Relevanz, diese Verbindung durch regelmäßiges Gebet, durch stille Zeit, durch Lobpreis und auch indem wir die Bibel für uns selbst lesen zu pflegen. Wir brauchen die Verbindung zu Gott, damit unser Leben als Christinnen/Christen Kraft entfalten kann. Ohne ihn sind wir bei jeglicher Verkündigung macht- und kraftlos. Die perfekte Rhetorik, ausgiebiges theologisches Wissen, selbst beides in Kombination ist ohne die Kraft des Heiligen Geistes wie der Versuch, Fußball ohne Ball zu spielen.
Darüber hinaus verspricht Jesus, dass der Geist Gottes durch seine Nachfolgerinnen/Nachfolger redet, wenn sie vor den Gerichten dieser Welt für ihren Glauben zur Rechenschaft gezogen werden (Mt 10,18-20). Ich denke, dass dies auch auf jede andere Verkündigungssituation übertragbar ist. Jesus führt die Gespräche, er schenkt uns die Worte, dabei lässt er uns nie allein, sondern ist immer bei uns. Am Ende des Matthäusevangeliums bekommen seine Jünger den Auftrag, die Menschen dieser Welt in die Nachfolge zu rufen. Damit einher geht das Versprechen, dass er immer bei seinen Jüngern sein wird und somit auch dort, wo sie andere Menschen in seine Nachfolge rufen.
Diese beiden Punkte nehmen uns Druck und Verantwortung von unseren Schultern, denn schließlich geht es bei Verkündigung um das Leben des Gegenübers. Wenn eine Vorbereitung, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausreichend war oder eine unvorhergesehene Situation während der Verkündigung auftritt, dürfen wir wissen, dass es letztendlich Gottes Sache ist. Es liegt allein in seiner Hand, ob eine Verkündigung ins Ziel trifft. Wir dürfen uns darauf verlassen, dass er sich darum kümmern wird. Es ist entlastend zu wissen, dass der Heilige Geist auch eine misslungene Verkündigung ans Ziel bringen kann. Es entlastet zu wissen, dass Jesus immer bei uns ist und durch uns spricht.
1.2 Verkündigung ist Kommunikation
Als Gemeinschaftspastor und Jugendpastor in Kombination passiert es mir manchmal, dass ich Wörter aus der Jugendsprache auch im normalen Gemeindegottesdienst nutze. Manche der Hörerinnen/Hörer freuen sich darüber, dass der Gottesdienst dadurch „fresh“ wird. Andere ärgern sich darüber, dass sie nicht jedes Wort verstehen oder sie finden diese Wortwahl in einer Predigt unangemessen. Um zu vermeiden, dass die Sprache zum Thema wird, sollten Verkündigerinnen/Verkündiger auf ihre Wortwahl achten, um mit der Sprache keine Distanz zu den Hörerinnen/Hörern zu schaffen. Wir werden es nicht allen Recht machen können, vor allem da Sprache auch nicht aufgesetzt oder gekünstelt sein, sondern zu der Verkündigerin / dem Verkündiger passen sollte. Falls Verkündigerinnen/Verkündiger vor Gruppen verkündigen, sollten sie also überlegen, welche Worte für die Hörerinnen/Hörer schwer beziehungsweise gar nicht verständlich sind, und diese ersetzen oder zumindest erklären. Gleichzeitig sollten Verkündigerinnen/Verkündiger sich aber auch nicht bei ihren Hörerinnen/Hörern anbiedern, denn Verkündigung ist kein Schauspiel, sondern wir sind mit unserer Person Zeuge dessen, was wir sagen.
Nicht selten passiert es, dass Hörerinnen/Hörer einer Predigt etwas anderes hören und mitnehmen als das, was Verkündigerinnen und Verkündiger als Hauptaussage auserkoren haben. Meiner Meinung nach hat das neben dem Heiligen Geist zwei Ursachen, derer sich der Geist vielleicht auch bedient:
Zum einen unterscheiden sich Charakter, Lebensgeschichte und Situation eines jeden Menschen. Manche Menschen sind von ihrem Typ her sehr darauf bedacht, alles richtig zu machen. Diesen fällt es meistens schwerer zu hören, dass sie geliebt werden und Gott ihnen vergibt. Wenn gleichzeitig von den Konsequenzen des Glaubens geredet wird, kann es passieren, dass nicht die Liebe hängenbleibt, sondern dass ihr Glaube Konsequenzen hat und auch ein Kampf sein kann. Menschen, die entspannter damit umgehen, nehmen dagegen häufig auch das Gegenteil wahr, sodass möglicherweise „die Falschen das Richtige“ hören.
Zum anderen sind manche Begriffe mit bestimmten Emotionen besetzt, sodass eine Predigt deshalb von Hörerinnen/Hörern nicht ernst genommen wird oder verletzt, ohne dass die Verkündigerin / der Verkündiger das wollte. Je nach Prägung weckt der Begriff „Kreuz“ verschiedene Assoziationen, Bilder und Emotionen. Für die einen ist es der Ort des Sieges über den Tod, während es für andere eine Grausamkeit sondergleichen ist. Auch die aktuelle Situation spielt eine Rolle, wie eine Predigt wahrgenommen wird. Wenn eine Person sich gerade in einer schwierigen Lebenslage befindet, und über Josef (1. Mose 39) gepredigt wird, der trotz seiner miesen Situation im Gefängnis Gott vertraut, wandern die Gedanken automatisch auch zu den eigenen Schwierigkeiten und wie das Gesagte in der eigenen Situation angewendet werden kann.
Friedemann Schulz von Thun hat das sogenannte Vier-Ohren-Modell entwickelt. Auch wenn es nur ein Modell ist, das einen hochkomplexen Vorgang vereinfacht darstellt, dient es doch dem Verständnis von Kommunikation beziehungsweise der Entstehung von Missverständnissen. Das Vier-Ohren-Modell besagt, dass jede Nachricht, die zwischen Sendenden und Empfangenden gesendet wird, vier Aspekte hat:
Selbstoffenbarungs-Aspekt | Was sagt jemand über sich selbst? |