DIE GEEIGNETE ZÄUMUNG …
(Foto: Ralph Scheffer)
Heute gibt es fast so viele verschiedene Arten von gebisslosen Zäumen, wie es Gebissarten gibt. Woher aber wissen Sie, welcher Zaum wofür geeignet ist?
Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Überblick über die am häufigsten verwendeten gebisslosen Zäume. Mit den hier zusammengestellten Informationen sollten Sie sich entscheiden können, welchen Zaum Sie ausprobieren möchten, sowie Hilfe bei der korrekten Anpassung für Ihr Pferd erhalten. Letztlich müssen Sie jedoch mithilfe Ihres Pferdes selbst herausfinden, welcher gebisslose Zaum für Sie beide perfekt ist. Wenn Ihr Pferd mit dem Zaum ruhig und zufrieden wirkt und gut auf Ihre Hilfen reagiert, ist es der richtige.
Gedanken vorab: Ziele und Ambitionen
Vor dem Kauf eines Zaums sollten Sie sich zunächst überlegen, was Sie damit jetzt oder in Zukunft mit Ihrem Pferd tun möchten. Wenn Sie mich fragen, sollte sich selbstverständlich jeder einzelne Reiter zumindest mit der grundlegenden Gymnastizierung seines Pferdes beschäftigen, um es einerseits gesund und fit zu halten und es andererseits zu einem willigen und sicheren Reitpartner auszubilden.
Die gymnastische Grundausbildung, auf der ursprünglich die Kriegsreiterei aufbaute, bietet eine hervorragende Basis für alle heutigen Disziplinen. Daher werden im Folgenden die besten Zäume für die gymnastische Grundausbildung und anschließend diejenigen für die verschiedenen Disziplinen der Reiterei vorgestellt.
Sie sollten auch im Hinterkopf behalten, dass so manche Ausbilder früherer Zeiten häufig dazu geraten haben, bei Problemen in der Ausbildung - etwa wenn das Pferd unruhig war oder schlecht auf die Hilfen reagierte - zur gebisslosen Zäumung zurückzukehren, um das Problem zu lösen. Erst danach sollte wieder ein Gebiss verwendet werden.
… für die Arbeit an der Hand
Die gymnastische Grundausbildung an der Hand ist unabdingbar, wenn Sie Ihr Pferd auf das Reiten vorbereiten wollen. Diese geniale Idee hatte nicht nur ich. Die Vorgehensweise ist seit Jahrtausenden bekannt und wurde auch von den klassischen Reitmeistern verfolgt – mit gutem Grund, wie ich hinzufügen möchte. Dank ihr ist das spätere Einreiten für das Pferd weniger belastend, und außerdem ermöglicht sie es, vom Boden aus gefahrlos eine vielschichtige und sichere Kommunikation zu etablieren.
KAPPZAUM MIT WEICHEM NASENTEIL
Der beste Zaum für die Arbeit an der Hand ist der Kappzaum mit weichem Nasenteil (ohne Eisen oder Kette). Er wurde von vielen klassischen Reitmeistern erwähnt, und auch in der alten Literatur finden sich zahlreiche Verweise auf ihn. Dieser Kappzaum kann im Grunde von jedem benutzt werden. Seine Wirkung ist sehr sanft, sofern er korrekt angepasst wurde, und er fördert die richtige Bewegung von Kopf und Hals beim Longieren, beim Reiten und bei der Arbeit an der Hand. An einem weichen Kappzaum können Sie Ihr Pferd auch sicher führen.
Durch den einzigartigen Ganaschenriemen wird so wenig Druck wie möglich auf die Nase ausgeübt, und der weit oben sitzende, breite Nasenriemen verteilt den vorhandenen Druck gleichmäßig. Der weiche Kappzaum ist für das Pferd sehr angenehm zu tragen, und es wird daher eine von Ruhe und Vertrauen geprägte Beziehung zu seinem Menschen aufbauen, ohne Angst vor Schmerzen oder Unbehagen, die ihm ein Zaum mit scharfer Wirkung auf seinen sensiblen Gesichtsbereich bereiten würde. Darüber hinaus ermöglicht die Positionierung der Ringe am Nasenteil eine korrekte Stellung, wodurch gewährleistet ist, dass Ihr Pferd von Anfang lernt, im Kiefer-, Hals- und Genickbereich loszulassen und seine innere Schulter frei anzuheben. Das wird sich bei allen Aufgaben, die Sie und Ihr Pferd in Zukunft in Angriff nehmen, mehr als bezahlt machen.
Dieser Wallach wurde ein Jahr lang mit dem sanften Kappzaum vom Boden aus rehabilitiert. (Foto: Stéphanie Kniest)
KAPPZAUM MIT NASENEISEN ODER -KETTE
Ein weiterer Zaum mit den gleichen Einsatzmöglichkeiten ist der Kappzaum mit (geteiltem) Naseneisen oder Nasenkette. Dieser traditionellere Zaum ist in Europa weit verbreitet. Das eiserne Nasenteil ist in der Regel mit Leder ummantelt. Oben auf dem Nasenteil befinden sich drei Ringe: einer an jeder Seite und einer in der Mitte. An diesem können die Zügel oder die Longe befestigt werden. Dieser Zaum eignet sich auch gut, um dem Pferd das Befolgen der Zügelhilfen beizubringen, während das Maul unberührt und sensibel bleibt.
In Südeuropa wird häufig die Serreta (eine spezielle und schärfere Form des Kappzaums mit Naseneisen) zum Einreiten und zur Arbeit an der Hand verwendet. Diesen speziellen Zaum würde ich nie empfehlen, da er den Kopf des Pferdes stark verletzen kann.
In Nordwesteuropa sind Kappzäume mit einer Kette oder einem geteilten Naseneisen weit verbreitet. Üblicherweise werden sie zum Longieren benutzt, doch mittlerweile werden sie auch immer mehr zur Arbeit in der Hand oder zum Reiten benutzt.
Wegen ihres harten Nasenteils, selbst wenn es gut gepolstert ist, kann man mit diesen Kappzaumarten ein Pferd leicht verletzen oder es kann sich auch selbst Verletzungen zufügen, wenn es am Zaum zieht oder erschrickt. Das führt zu Stress und Missverständnissen. Aus diesem Grund würde ich Ihnen immer davon abraten. Wenn Sie jedoch den Eindruck haben, dass Ihr Pferd den weichen Kappzaum nicht respektiert (wenn Sie beispielsweise mit einem aufgeregten Hengst in der Nähe von Stuten arbeiten müssen), könnte ein harter Kappzaum eine gute Alternative sein.
… für das Longieren
Das Longieren spielt eine wichtige Rolle bei der gymnastischen Grundausbildung und Erziehung Ihres Pferdes. Wird es nicht korrekt ausgeführt, kann es für Ihr Pferd aber auch ein Gesundheitsrisiko darstellen.
Gefahren beim Longieren
Befestigen Sie die Longe niemals am Gebiss. Dies ruiniert das Maul Ihres Pferdes und verhindert eine korrekte Stellung. Die resultierende ungesunde Kopfstellung kann zu leichten bis schweren Schäden im empfindlichen Genick führen. Dies passiert auch, wenn die Longe seitlich am Kopf oder unter dem Kinn befestigt wird, selbst wenn hier das Maul mehr geschont wird. Sogar das Longieren am Halfter kann gefährlich sein: Der Zug an der Longe kann das Pferd veranlassen, seinen Kiefer nach innen wegzudrücken, dadurch auf die innere Schulter zu fallen und sich in Rücken und Hüfte zu versteifen.
KAPPZAUM MIT WEICHEM NASENTEIL
Der sicherste Zaum für das Longieren ist daher der weiche Kappzaum. Erstens verursacht er, wie bereits erklärt, dem Pferd keine Schmerzen und trägt so dazu bei, dass es ruhig und somit auch konzentriert mitarbeitet. Zweitens helfen Ihnen die drei verschiedenen Ringe des Nasenteils gezielt auf das Pferd einzuwirken. Wird beispielsweise die Longe, wenn Sie mit einer einfachen und nicht mit einer Doppellonge arbeiten, am mittleren Ring befestigt, hilft Ihnen und Ihrem Pferd dies dabei, die korrekte Biegung und Stellung auf dem Zirkel zu finden, sodass die innere Schulter deutlich freier ist und Ihr Pferd seine Balance besser halten kann. Bevor Sie mit dem Longieren beginnen, prüfen Sie bitte, ob der Ganaschen- und der Nasenriemen fest genug (aber nicht zu fest) sitzen. Das Pferd sollte Maul und Kiefer bewegen können, aber der Kappzaum darf nicht verrutschen.
Sollten Sie mit der Doppellonge arbeiten wollen, ist der weiche Kappzaum auch hierfür die richtige Wahl. Befestigen Sie die Doppellonge an den beiden äußeren Ringen am Nasenriemen. So können Sie aus der Entfernung sowohl Stellung als auch Dehnungshaltung verlangen.
KAPPZAUM MIT NASENEISEN ODER -KETTE
Ein solcher Kappzaum wird ebenso verwendet wie der weiche Kappzaum. Wie dieser eignet er sich gut dazu, auf dem Longierzirkel die korrekte Stellung zu erarbeiten. Anders als beim weichen Kappzaum liegt das Nasenteil bei diesen harten Kappzäumen jedoch sehr weit unten auf der Pferdenase, wodurch eine erhöhte Gefahr besteht, dass man dem Pferd das Nasenbein bricht.
Ein oft anzutreffendes Bild in Südeuropa: Das Longieren mit „hartem Nasenteil“. (Foto: Fotolia.de)
Zu einem Kappzaum mit Naseneisen oder -kette würde ich aufgrund der hohen Verletzungsgefahr nur Menschen raten, die einen aufgeregten Hengst führen müssen, der am normalen Halfter oder weichen Kappzaum nicht reagiert. Folglich würde ich ihn für das Longieren aus den gleichen Gründen nicht empfehlen, die ich schon im Abschnitt zur Arbeit an der Hand ausgeführt habe.
… für das Dressurreiten (Klassisch/Barock)
Wenn Sie Ihr Pferd nach klassischen Grundsätzen reiten, wird der Gebrauch eines Kappzaums mit hartem oder weichem Nasenteil für Sie ohnehin selbstverständlich sein.
KAPPZAUM MIT WEICHEM NASENTEIL
Der weiche Kappzaum ist der gebisslose Zaum, mit dem sich das Pferd am besten dazu anleiten lässt, im Kiefer und Genick zu entspannen, oftmals sogar besser als mit einem Gebiss. Diese Entspannung bildet die Basis korrekter und gesunder Dressurarbeit. Wenn Sie jedoch das Bedürfnis nach zusätzlicher Sicherheit durch Hebelwirkung verspüren, können Sie den Kappzaum mit einer weichen Hackamore kombinieren. So nutzen Sie noch immer die Kappzaumzügel bei weiterhin freiem und entspanntem Maul des Pferdes, haben jedoch durch die weiche Hackamore dieselbe...