Die Idee vom Gleichgewicht aus Kopf- und Handarbeit ist bereits bei Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827) zu finden. In seinem Konzept der Elementarbildung betont er bereits die Einheit von Kopf, Herz und Hand, die auch im heutigen handlungs- und produktionsorientierten Unterricht eine wichtige Rolle spielt (www.bruehlmeier.info). JANK und MEYER nennen zudem als weitere "Urväter" dieses Gedankenguts Johann Amos Comenius, der „Lernen mit allen Sinnen“ postulierte, sowie Jean-Jacques Rousseau (vgl. Jank et al. 2011, S. 319).
In vielen kleinen Schritten und durch einige unterschiedliche Gruppen und Pädagogen, entwickelte sich dieses Gedankengut bis hin zum handlungsorientierten Unterricht. Dieser Weg ist einem Schaubild von JANK und MEYER im Anhang aufgezeigt und wird darin sehr gut veranschaulicht.
Die wichtigsten Schritte und Einflüsse sollen in diesem Kapitel ausführlich geschildert werden. Laut ABRAHAM et al. geht das handlungs- und produktionsorientierte Unterrichtskonzept im pädagogischen Tätigkeitsfeld auf französische Ansätze im 18. Jahrhundert zurück, „wo […] Studenten der Académie Royale d´Architecture in sog. „projets“ Pläne „kooperativ, originell und selbständig“ (Abraham u. A. 2009, S. 83) durchführen mussten.
Von Frankreich aus kam diese „Projektidee“ in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort entwickelten sich zwei Wege. Einerseits eine sozialkonservative – technologische Richtung, andererseits eine reformerisch – politische Richtung (ebd.). Während die sozialkonservative - technologische Richtung auf das althergebrachte systematische Lernen beharrte und strikt Moral und Wissenschaft trennte, wollte die reformerisch - politische Richtung, dass Kinder möglichst bald und möglichst individuell in ihrem Leben demokratisch erzogen wurden und Demokratie aktiv erlebten, also auch in der Schule selbst mitbestimmen sollten.
Diese reformerisch – politische Richtung wurde insbesondere von John Dewey und W.H. Kilpatrick vertreten. Vor allem Dewey war hierbei der Auffassung, dass Lernen immer auf Erfahrung aufgebaut sein müsse. So wie die Kinder Demokratie selbst in der Schule erleben sollten, um diese zu verstehen, sollten sie auch andere Lernerfahrungen durch Handeln machen können. So stammt von diesen beiden Reformpädagogen zum Beispiel auch der Begriff "Learning by doing", ein relativ moderner und jedem geläufiger Begriff, der die Sinnhaftigkeit eines handelnden Lernens aufzeigt. "Learning by doing" bedeutet also Lernen durch das handelnde Erkunden, Ausüben, Ausprobieren und Selbermachen, welches hauptsächlich in der Projektarbeit angewendet wird (vgl. Abraham et al. 2009, S. 88 und www.ubik.ac.at).
Beide Pädagogen vertraten auch den Projektgedanken, beziehungsweise das Konzept des creative writings. GATTERMAIER und SIEBAUER schreiben über Creative writing, also kreatives Schreiben, folgendes:
„diese auch als „gestalterisches Schreiben“ bezeichnete Richtung […][die] ihre Wurzeln in der Reformpädagogik sowie in einer Vielzahl von schreibdidaktischen Impulsen der 1960er- bis 80er-Jahre, denen es allesamt darum ging, den Aufsatzunterricht alter Prägung zu überwinden[,hatte]. Der Terminus „kreative Schreibformen“ dient somit heute als Oberbegriff und umschließt unterschiedliche Ansätze, z.B. das „freie Schreiben“, das „kreative Schreiben“, das „personale Schreiben“. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nicht in der Reproduktion normativ vorgegebener Muster erschöpfen, sondern in besonderem Maße die Gestaltungskraft der Schüler fordern, aber auch fördern!“
(Gattermaier, Siebauer 2009, S. 65)
Gerade dieser letzte Satz zeigt die Nähe zur Handlungs- und Produktionsorientierung, in der sich die Schaffung neuer Texte oder Gegenstände durch aktive und nicht nur rein kognitive Schülerarbeit, als Ziel wiederfindet.
Nach Deutschland wurden diese Ideen von Peter Petersen gebracht, der mit seiner Pädagogik, genannt Jenaplan, die Produktionsorientierung des Unterrichts prägte. Dies war vor allem durch die von der Regelschule abweichende Organisation des Unterrichts möglich (www.jenaplan.de / www.jenaplan.org).
Grundlegend für die Jenaplan - Pädagogik ist nämlich der Verzicht auf die gängige Jahrgangsstufeneinteilung zugunsten von jahrgangsübergreifenden Stammklassen, in denen ein produktionsorientiertes Arbeiten sehr gut möglich wird, da viele unterschiedlich alte Schüler zusammenarbeiten und so erfahrenere Kinder in die Rolle der Leiter hineinwachsen und ihren jüngeren Mitschülern helfen können. Hierdurch wird der Unterricht schülerzentrierter (vgl. ebd.).
Außerdem wird der klassische Stundenplan durch einen Wochenarbeitsplan ersetzt, der es ermöglicht nicht nur fachgebunden zu lernen, sondern in Projekten und näher an der Lebenswelt der Kinder zu arbeiten. Durch den größeren Bezug fällt es den Kindern oftmals leichter im Unterricht produktiv zu werden. Petersen ersetzte zudem die Zensuren in seinen Schulen durch sogenannte Leistungsberichte. Das sind ausformulierte Beurteilungen über das Arbeits-verhalten und den Leistungsstand der Kinder. Diese Leistungsberichte lassen den Lehrern mehr Spielraum für die Bewertung individuellerer Produkte und nehmen den Schülern viel Leistungsdruck durch den fehlenden Notendruck. Dadurch fassen die Kinder eher den Mut sich kreativ auszuprobieren und produktiv zu werden (ebd.).
Aber nicht nur organisatorisch unterscheidet sich die Jenaplan - Pädagogik von der Regelschule. So beschreibt Petersen in seinem Buch „Der kleine Jenaplan“, sein Ziel: das selbstständige Denken und Handeln der Schüler unter gegenseitiger Hilfe zu ermöglichen. Hier wird der Gedanke der Handlungsorientierung deutlich (ebd.).
Umgesetzt wird dies in der Unterscheidung zwischen Kurs- und Kernunterricht: Im Kursunterricht werden Grundfertigkeiten und Techniken (Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch Dinge wie: Recherchieren, Umgang mit Internet) erlernt, mit deren Hilfe die Schüler die Aufgabenstellungen des Kernunterrichts, in dem die Stammgruppe gemeinsam arbeitet, selbstständig und erfolgreich bewältigen können. Anzumerken bleibt aber, dass Peter Petersen (gestorben 1952) aufgrund seiner Haltung im Nationalsozialismus unter starker Kritik steht, welche sogar dazu führte, dass sich viele der PP- Schulen umbenannten (vgl. www.igs-eschersheim.de).
Ebenfalls prägend für den handlungs- und produktionsorientierten Unterricht in Deutschland war die Pädagogik des französischen Ehepaares Freinet. Diese legten sehr viel Wert darauf, dass eine Schulklasse als Kooperative, beziehungsweise Genossenschaft auftritt. Die Lehrkraft ist hierbei ein normales Mitglied, das im Gegensatz zur Regelschule keine lenkende Position einnimmt, sich aber aktiv beteiligt und Hilfe zur Selbsthilfe leistet.
Die sogenannten "Freinet - Techniken" bilden zwar kein auf Vollständigkeit angelegtes System, es werden aber einzelne Anregungen und Ideen gegeben, um den Unterricht produktions-orientiert zu gestalten. So werden etwa alle Arbeitsergebnisse vom Klassenrat beschlossen und nach ihrer Ausführung in der Schuldruckerei gedruckt und somit festgehalten. Je nach den jeweils vorgefundenen Bedingungen und Möglichkeiten in einer Klasse, kann man also schrittweise produktionsorientierte Verfahren einführen. (vgl. www.freinet.paed.com)
Das Celestin FREINET in seiner Pädagogik dem Handeln der Schüler einen sehr hohen Stellenwert einräumte wird in der Beschreibung seiner Pädagogik deutlich:
„Wir sind keine Theoretiker, sondern Praktiker; Praktiker, die gleich den Handwerkern an ihrer Werkbank mit manchmal beschränkten theoretischen Kenntnissen ihre Werkzeuge erfinden oder vervollkommnen, sich Handbewegungen ausdenken, Verfahrenswei-sen ausprobieren, die sie dann später systematisieren und ordnen, um sie ihren weniger erfindungsreichen oder begünstigten Kollegen mitzuteilen."
(www.freinet-kooperative.de)
In den 1970er Jahren kam dann die „Kommunikative Wende“. ABRAHAM und KEPSER beschreiben diese wie folgt:
„Die kulturelle Praxis Literatur wurde nun viel breiter verstanden und mehr aufgefächert als vorher üblich; und neben diese Ausweitung des Literaturbegriffs […] trat zumindest dem Anspruch nach das Ziel, diese kulturelle Praxis nicht nur zu kennen und zu würdigen, sondern vor allem zu durchschauen und im späteren Leben kritisch zu begleiten. Es sind dies die Geburtsjahre einer modernen Didaktik der deutschen Literatur.“
( Abraham et al. 2006, S. 107)
In dieser Zeit wurde der Gedanke der Handlungsorientierung dann vor allem durch das sogenannte „Bremer Kollektiv“ (insbesondere Ide [Gründer des Bremer Kollektivs] und Lecke) für den Deutschunterricht aufgewertet. Unter dem Einfluss der 1968er Bewegung gründete sich dieses Kollektiv neben einer Vielzahl weiterer neuer didaktischer Interessensgruppen. Es bestand aus einer Gruppe Bremer Deutschlehrer deren politisch – kritischer Deutschunterricht eine Reformdebatte über Methodik, Material...