Sie sind hier
E-Book

Produktionslogistik

AutorMarion Steven
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl232 Seiten
ISBN9783170286375
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Die Produktionslogistik befasst sich mit der Planung, Ausgestaltung, Durchführung und Kontrolle von raum-zeitlichen Transformationsprozessen, die innerhalb von Unternehmen oder zwischen Unternehmen stattfinden. Ausgehend von den Zielen und Aufgaben der Produktionslogistik werden entsprechend der Wertschöpfungskette die Bereiche Beschaffungslogistik, Fertigungslogistik, Distributionslogistik und Entsorgungslogistik behandelt. Abschließend erfolgt eine integrierte Betrachtung im Rahmen des Supply Chain Managements. Neben praxisnahen Ausführungen werden auch konzeptionelle und quantitative Modelle eingesetzt. Der Stoff ist in 13 Lehreinheiten gegliedert, deren Inhalt jeweils dem Umfang einer Vorlesungs-Doppelstunde entspricht und die weitgehend unabhängig voneinander durchgearbeitet werden können.

Prof. Dr. Marion Steven ist Inhaberin des Lehrstuhls für Produktion an der Ruhr-Universität Bochum.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2         Prognosemodelle


Die Prognose der auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen zukünftig benötigten Materialmengen ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen der der Beschaffungslogistik. Bedarfsprognosen dienen nicht nur der direkten oder indirekten Ermittlung von Beschaffungsmengen, sondern sie sind auch eine wesentliche Grundlage für verschiedene Planungsaufgaben im Produktionsbereich. Von der Qualität der Bedarfsprognosen hängen insbesondere die Höhe der Lagerbestände und damit auch die Lagerhaltungskosten bei Vor-, Zwischen- und Endprodukten, die Lieferfähigkeit und der vom Kunden wahrgenommene Servicegrad sowie die Kapazitätsauslastung im Produktions- und im Logistikbereich ab. Ausgehend von den grundlegenden Bedarfsverläufen werden verschiedene Prognoseverfahren dargestellt und anhand von Beispielen veranschaulicht.

 

Leitfragen:

Welche Bedeutung haben Zeitreihen für die Bedarfsprognose?

Welche Formen des Bedarfsverlaufs lassen sich unterscheiden?

Welches Prognoseverfahren eignet sich für welchen Bedarfsverlauf?

Was ist ein Prognosefehler?

Wodurch unterscheiden sich der α- und der β-Servicegrad?

Wie wirkt sich der Servicegrad auf den Lagerbestand aus?

2.1        Zeitreihen


Je exakter die Bedarfsmengen und -zeitpunkte vorhergesagt werden können, desto besser lassen sich Kundenwünsche erfüllen und desto geringer sind der benötigte Lagerbestand und damit die Lagerhaltungskosten. Gerade im Zusammenhang mit Lieferbeziehungen in globalen Supply Chains, in denen sich jedes beteiligte Unternehmen auf seine Kernkompetenzen konzentriert, gewinnen gute Bedarfsprognosen an Bedeutung.

Zukünftige Bedarfsmengen sind unsicher, soweit sie sich nicht aus festen Lieferverträgen ableiten lassen. Die nachfolgend dargestellten Prognoseverfahren beruhen auf Zeitreihen, d. h. auf der Auswertung von über einen bestimmten Zeitraum beobachteten Bedarfsmengen der Vergangenheit. Aus diesen lassen sich dann auf der Basis bestimmter Modellannahmen Aussagen über zukünftige Bedarfsmengen herleiten. Dabei erfolgt eine deterministische Informationsverarbeitung für den eigentlich stochastischen Nachfrageprozess.

Grundsätzlich lassen sich folgende Prognosearten unterscheiden:

•  Bei einer univariaten Prognose werden ausschließlich die Daten in der betrachteten Zeitreihe verwendet, d. h. in diesem Fall die Nachfragewerte der Vergangenheit.

 

•  Bei multivariaten Prognosen treten zusätzliche Informationen hinzu, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Bedarfsentwicklung stehen, z. B. werden auch Daten hinsichtlich des Konjunkturverlaufs, des Lebenszyklus des Produkts oder der Marktentwicklung adäquat berücksichtigt.

Abb. 2.1 zeigt, in welchen Bereichen Prognoseverfahren in Abhängigkeit vom Fertigungstyp (vgl. hierzu Steven 2013, S. 59ff.) ihren Einsatzbereich haben.

Abb. 2.1 Bestimmung von Bedarfsmengen

•  Bei auftragsorientierter Fertigung ergibt sich das Produktionsprogramm aus den vorliegenden Kundenaufträgen, so dass sich die für dessen Herstellung benötigten Materialmengen grundsätzlich vollständig über die Stücklistenauflösung ermitteln lassen (programmgesteuerte Bedarfsermittlung). Dennoch wird diese aufwändige Methode häufig nur für die A- und B-Teile mit einem hohen Materialwert durchgeführt, während für die große Anzahl an geringwertigen C-Teilen die Bedarfsermittlung auf der Basis von Vergangenheitswerten prognostiziert wird oder mithilfe von einfachen, am Verbrauch ausgerichteten Verfahren erfolgt (verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung).

 

•  Bei einer marktorientierten Fertigung hingegen werden bereits die Bedarfsmengen der Endprodukte entweder aus den Nachfragemengen der Vergangenheit oder multivariat prognostiziert. Die für die Produktion benötigten Materialmengen werden wie bei der auftragsorientierten Fertigung entweder aus Stücklisten und Rezepturen abgeleitet oder aus Vergangenheitswerten prognostiziert. Rezepturen treten in der prozesstechnischen Industrie, z. B. bei der Herstellung von Lebensmitteln oder Chemieprodukten, an die Stelle von Stücklisten.

Zur Auswahl des für den jeweiligen Bedarfsverlauf adäquaten Prognosemodells ist zunächst eine Voranalyse der Zeitreihe erforderlich, bei der diese in eine glatte Komponente , die den tendenziellen Verlauf der Zeitreihe angibt, sowie eine Restkomponente bzw. Störgröße zerlegt wird. Diese Störgröße wird üblicherweise als standardnormalverteilt angenommen, so dass sich die Störeffekte im Mittel ausgleichen. Der Schätzwert für den Bedarf der Periode t wird berechnet, indem die glatte Komponente und die Störgröße entweder additiv oder multiplikativ verknüpft werden.

 

2.2        Bedarfsverläufe


Grundsätzlich kann der Verlauf der glatten Komponente einem der drei folgenden Bedarfsmuster unterliegen (vgl. Vahrenkamp 1994, S. 90ff.):

•  Bei einem konstanten Bedarfsverlauf ist der Bedarf jeder Periode im Mittel gleich hoch, d. h. die Bedarfswerte schwanken um einen langfristig konstanten Mittelwert a (vgl. Abb. 2.2). Aufgrund des Einflusses der Störgröße kommt es zu unregelmäßigen Schwankungen des tatsächlichen Bedarfs um diesen Mittelwert, auf die das Unternehmen insbesondere durch Vorhalten eines Sicherheitsbestands reagieren kann. Ein solcher Bedarfsverlauf liegt z. B. bei Grundnahrungsmitteln vor. Das zugehörige Prognosemodell lautet:

 

                                                    mit:

Abb. 2.2 Konstanter Bedarf

•  Ein trendförmiger Bedarfsverlauf bedeutet, dass der Bedarf langfristig eine steigende oder eine fallende Tendenz aufweist. Auch wenn ein solcher Trend prinzipiell linear oder nichtlinear sein kann, geht man vielfach von einem linearen Trend aus, da sich die zugehörige Funktion numerisch leichter schätzen lässt (vgl. Abb. 2.3). Ein Beispiel für einen langfristig ansteigenden Bedarfsverlauf ist der Weltenergieverbrauch; langfristig fallender Bedarf liegt aufgrund der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland für Produkte des Baby- und Kinderbedarfs vor. Zur Prognose eines linearen, trendmäßigen Bedarfsverlaufs sind zwei Parameter erforderlich, wobei zu einem steigenden und zu einem fallenden Trend führt:

 

        

Abb. 2.3 Trendförmiger Bedarf

    Häufig bereitet es Probleme, einen Trend rechtzeitig zu erkennen und nicht mit zufälligen Bedarfsschwankungen bei einem konstanten Bedarfsverlauf zu verwechseln. Weiter muss man bei Annahme eines linearen Trends regelmäßig überprüfen, ob eine Trendänderung vorliegt, die eine Anpassung der Schätzparameter erfordert.

•   Saisonabhängiger Bedarf liegt vor, wenn sich in der Zeitreihe periodisch wiederkehrende Bedarfsspitzen und -täler erkennen lassen (vgl. Abb. 2.4). Zur Prognose von saisonalem Bedarf ist ein trigonometrischer Ansatz erforderlich, z. B.:

            

 

    Dabei kann – in Abhängigkeit vom jeweiligen Artikel – die Länge eines Saisonzyklus recht unterschiedliche Längen aufweisen. So unterliegen z. B. Sportausrüstungen, die zu bestimmten Jahreszeiten benötigt werden, einer jährlichen Saison, die Nachfrage nach Zeitschriften steigt und fällt in Abhängigkeit von ihrem Erscheinungsturnus, der Absatz von Fisch ist typischerweise freitags und in der Fastenzeit am höchsten, bei frischen Brötchen liegt ein täglicher Zyklus mit einer Nachfragespitze am frühen Vormittag vor. Damenoberbekleidung weist...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Prozessmanagement - Geschäftsprozesse

Risikomanagement für Geschäftsprozesse

E-Book Risikomanagement für Geschäftsprozesse
Leitfaden zur Einführung eines Risikomanagementsystems Format: PDF

Gesetzliche Änderungen wie Basel II, KonTraG oder Sarbanes-Oxley Act machen ein nachweisbares Risikomanagement unabdingbar. Mit diesem Band erhalten Sie eine kompakte Anleitung, wie Sie am besten ein…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

BMW Magazin

BMW Magazin

Unter dem Motto „DRIVEN" steht das BMW Magazin für Antrieb, Leidenschaft und Energie − und die Haltung, im Leben niemals stehen zu bleiben.Das Kundenmagazin der BMW AG inszeniert die neuesten ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

crescendo

crescendo

Die Zeitschrift für Blas- und Spielleutemusik in NRW - Informationen aus dem Volksmusikerbund NRW - Berichte aus 23 Kreisverbänden mit über 1000 Blasorchestern, Spielmanns- und Fanfarenzügen - ...

DULV info

DULV info

UL-Technik, UL-Flugbetrieb, Luftrecht, Reiseberichte, Verbandsinte. Der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. - oder kurz DULV - wurde 1982 von ein paar Enthusiasten gegründet. Wegen der hohen ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...