[1]1 | Einführung: Der Methodenkoffer der Führungskraft |
Beim Stichwort „Führung“ ist häufig zunächst die Führung von Mitarbeitenden als Aufgabe im Blick mit den dafür notwendigen sozialen Kompetenzen (Gesprächsführung, Umgang mit Konflikten usw.). Zu den Führungsaufgaben gehört aber auch, Vorgehensweisen und Abläufe zu steuern: für sich selbst als Führungskraft, aber ebenso für den eigenen Verantwortungsbereich insgesamt: das Team, die Abteilung, den Fachbereich.
Um diesen Anteil der Führungskompetenzen – Abläufe zu steuern – geht es in diesem Buch. Zwei Methodenpakete stehen im Mittelpunkt: Projektmanagement und Prozessmanagement.
In diesem einführenden Kapitel
• stellen wir Ihnen diese Methodenpakete zunächst kurz vor und stellen sie in den Zusammenhang der Verwaltungsorganisation,
• geben wir Ihnen einen Überblick über das Buch und einige Hinweise als „Gebrauchsanleitung“,
bevor es dann in den beiden Hauptteilen des Buches um das genaue Vorgehen bei der Umsetzung von Projekten und in der Verbesserung von Prozessen geht.
1.1 | Projektarbeit und Prozessmanagement – zentrale Bestandteile der Führung |
Wer ist wofür zuständig? Diese inzwischen gern auch mal kabarettistisch aufs Korn genommene Frage zielt auf die klassische Aufbauorganisation, dargestellt im Organigramm; sie bestimmt noch immer das Bild vieler Organisationen und Verwaltungen. Inzwischen machen aber immer mehr Verwaltungen die Erfahrung, dass sie sich keinen Gefallen tun, angesichts der Komplexität von Aufgaben auch die Organisation noch komplexer zu machen und weiter zu zergliedern. Entscheidungen und Kooperationen zwischen Fachbereichen werden so eher noch verzögert als beschleunigt. Wenn dann außerdem besondere Vorhaben zu stemmen sind, in denen unterschiedlichste Fachbereiche Hand in Hand arbeiten müssen, ist das noch oft ungewohnt und „sperrig“, weil unklar ist, wie man sich organisiert, wie die verschiedenen Arbeitsweisen ineinandergreifen, wer Entscheidungen trifft usw.
Zugleich wachsen die Anforderungen an Verwaltungen und verschärfen sich auch ihre Rahmenbedingungen:
• Bürger/innen erwarten ausgeprägte Kundenorientierung und Innovationsbereitschaft ihrer Verwaltungen, z. B. hinsichtlich der erwarteten Reaktionsgeschwindigkeit bei Anträgen und Auskünften oder auch erweiterter Kontakt- und Zugangswege (Stichwort E-Government).
• Verwaltung muss und will sich auch immer kürzer getakteten Veränderungsnotwendigkeiten und neuen Aufgaben stellen – wobei diese Veränderungen nicht mehr einzelne herausgehobene Kraftakte darstellen, sondern einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess erfordern.
[2]• Komplexe öffentliche Aufgaben erfordern die enge Kooperation unterschiedlichster Fachbereiche. Ziele wie Inklusion zu realisieren oder Bildungschancen für alle zu erhöhen, können nur in enger Abstimmung unterschiedlichster Fachämter sinnvoll umgesetzt werden.
• Der finanzielle Druck der öffentlichen Haushalte zwingt zum wirtschaftlichen Handeln; der hohe Aufwand für Abstimmungen über viele Stationen hinweg ist häufig fehlerbehaftet und genauso wenig zu rechtfertigen wie eine ineffiziente Arbeitsweise oder Arbeiten mit ungeeigneten Werkzeugen innerhalb eines Sachgebiets. Und bei besonderen Vorhaben stellt – nicht zuletzt aufgrund leidiger Erfahrungen bei öffentlichen Großprojekten – die Realisierung innerhalb des gesetzten Finanz- und Zeitrahmens eine bedeutende Anforderung dar.
• Mitarbeitende erwarten ihrer Qualifikation und den an sie gestellten Anforderungen entsprechend zu Recht, Einfluss ausüben und die Arbeitsprozesse mitgestalten zu können.
Zugleich muss natürlich weiterhin der Anspruch an die Verwaltung auf transparente, gesetzeskonforme und die Bürger/innen gleich behandelnde Verfahren eingelöst werden.
In einigen Verwaltungen ergänzen deshalb schon jetzt neue Arbeitsformen die bisherige Arbeitsweise:
Projektmanagement
Wenn eine Verwaltung sich völlig neuen Aufgaben stellen muss, wenn komplexe Vorhaben erfordern, dass viele Fachbereiche zusammenarbeiten, dann ist zu Beginn der Weg oft noch gar nicht klar. Um solche neuen, einmaligen, komplexen Vorhaben systematisch zu planen und zu steuern, hat sich das Handwerkszeug des Projektmanagements etabliert – in Unternehmen schon recht selbstverständlich, in Verwaltungen noch in sehr unterschiedlicher Ausprägung: Auch wenn jedes Projekt einmalig ist und immer etwas anders verläuft, so haben sich doch bestimmte Verfahrens- und Vorgehensweisen als hilfreich für unterschiedlichste Arten von Projekten erwiesen.
Das Denken und Arbeiten in Prozessen
Häufig wiederkehrende Abläufe werden entlang der Leistungserbringungskette betrachtet. Die Frage, wo diese Aktivitäten jeweils erledigt werden, ist damit nicht überflüssig, verschiebt sich aber in die zweite Reihe. Zunächst geht es darum, wie die Abläufe am besten hintereinander weg erledigt werden, und erst dann wird zugeordnet, wer das am besten erledigt. Daran schließt sich die Frage nach den Arbeitsmitteln an. Gefordert ist das Denken über den eigenen Tellerrand hinaus. Auch wenn am Ende eine vernünftige Arbeitsteilung für abschnittweise Durchführungsverantwortung sorgt, so ist doch jede/r Mitarbeitende gefordert, zum Gelingen des gesamten Zusammenspiels beizutragen. Damit kommen auch bestehende Arbeitsweisen auf den Prüfstand und werden verändert.
Die Orientierung auf Prozesse und deren stete Verbesserung wird in Verwaltungen oft noch erschwert, weil gesetzliche Regelungen Verfahren teilweise im Detail festschreiben, weil Wirtschaftlichkeit und Effizienz noch nicht überall als wesentliche Ziele akzeptiert sind und das Handeln noch nicht überall prägen. Trotzdem machen sich mehr und mehr Verwaltungen auf den Weg, in Prozessen zu denken, zu planen und zu agieren.
[3]Die beiden Methodenpakete kommen also in unterschiedlichen Situationen zum Einsatz:
Projektmanagement | Prozessmanagement |
☑ für einmalige, besondere, komplexe Vorhaben ohne Vorbild ☑ meist mit Beteiligten aus unterschiedlichen Fachgebieten | ☑ für immer oder häufig wiederkehrende Abläufe, die in zuverlässig gleicher und effizienter Weise vollzogen werden sollen ☑ für seltene Abläufe, die dann aber in einer festgelegten Weise vollzogen werden müssen (z. B. Notfalleinsatz) |
Tab. 1: Einsatzfelder für Projektmanagement und Prozessmanagement
Beide Methodenpakete sind nicht neu – sie haben sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt und ausdifferenziert. Sie sind auch nicht völlig neu in Verwaltungen. Nach unserer Erfahrung sind sie aber noch oft Spezialeinsätzen vorbehalten und werden vor allem von Mitarbeitenden angewandt, die mit besonderen Aufgaben in der Organisation betraut sind. Lediglich in technischen Fachbereichen und insbesondere in der IT ist Projektmanagement bereits deutlich mehr verbreitet und wird im Alltag praktiziert. Prozessmanagement ist dort schon breiter verankert, wo es um systematisches Qualitätsmanagement geht (z. B. in Laboren).
Sie als Führungskräfte sind die zentralen Akteure und Akteurinnen, diese Arbeitsweisen in der Verwaltung zu etablieren. Wenn Ihre Ausbildung noch nicht so lange zurückliegt, werden Sie vermutlich dabei schon beide Methoden zumindest kurz kennengelernt haben. Für andere von Ihnen sind vielleicht beide Methoden noch wenig vertraut – oder wenig bewusst, wo Sie ggf. bereits intuitiv mit einzelnen Verfahrensweisen aus diesen Paketen arbeiten. Dann ist dieses Buch gut geeignet, Ihre Erfahrungen und gewachsene Praxis zu systematisieren und so Ihr Führungsrepertoire zu erweitern.
Was übrigens beide Methoden trotz aller Unterschiedlichkeit verbindet: Beide stellen strukturierte, systematische Vorgehensweisen dar. Zu beiden Methoden gehört als wichtiges Mittel, sich selbst und den Mitarbeitenden Überblick zu verschaffen. Und dazu sind Visualisierungen, Bilder, Zeichnungen in besonderer Weise geeignet. Deshalb finden Sie in diesem Buch auch viele Abbildungen als Beispiele für dieses Vorgehensprinzip.
Mit beiden methodischen Arbeits- und Organisationsweisen geht es darum, gute Ergebnisse auf effiziente Weise zu erzielen. Aber es geht zugleich auch darum, besser und damit zufriedenstellender zu arbeiten – und durch methodisch sinnvolles und optimiertes Vorgehen Entlastung zu schaffen. In der öffentlichen Verwaltung geht diese Entlastung nicht als Einsparung in die Auszahlung der Aktionäre, sondern sie verschafft Ihnen und Ihren Mitarbeitenden den Raum, sich anderen sinnvollen öffentlichen Aufgaben zu stellen.
1.2 | Zur Orientierung im Buch |
Dieses Buch richtet sich an Führungskräfte der mittleren Ebenen: Teamleitungen, Sachgebiets- und Abteilungsleitungen, Amts- und Referatsleitungen – wie immer in den verschiedenen öffentlichen Verwaltungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene diese mittleren Führungsfunktionen bezeichnet sind.
[4]Ihnen wollen wir mit diesem Buch methodisches Handwerkszeug für den systematischen Umgang mit Projekten und Prozessen vorstellen: Wie können Sie sicherer werden im methodischen Vorgehen, um Ihre Aufgaben im...